Wieder tote Soldaten in Afghanistan

Wieder tote Soldaten in Afghanistan
Nach einer Schießerei in einem Bundeswehr-Lager in Afghanistan sind zwei deutsche Soldaten gestorben. Das bestätigte das Verteidigungsministerium am Freitag in Berlin. Drei weitere schweben in Lebensgefahr. Ein Mann in der Uniform der afghanischen Streitkräfte hatte das Feuer eröffnet.
18.02.2011
Von Bettina Grachtrup

Eigentlich sollte er die Deutschen schützen - dann richtete er plötzlich die Waffe gegen Bundeswehr-Soldaten: Ein afghanischer Soldat hat am Freitag überraschend auf die Deutschen in ihrem Außenposten Nord (OP North) geschossen. Zwei Soldaten starben, drei schwebten zunächst zunächst in Lebensgefahr. Noch am Vortag hatte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sich in dem Stützpunkt in der Unruheregion Baghlan aufgehalten, der zu den gefährlichsten der Bundeswehr gehört.

 

Der Hergang des Zwischenfalls kam am Freitag erst nach und nach ans Tageslicht. Über den Schützen wurde nichts Genaueres bekannt. Fakt ist aber, dass er zur Außensicherung des Camps eingesetzt war, in dem rund 500 deutsche Soldaten leben, und er bislang nicht aufgefallen war. Hat sich der Afghane das Vertrauen der Deutschen erschlichen, um dann im geeigneten Moment zuzuschlagen? Handelte es sich vielleicht um einen Taliban, der die Uniform und Arbeit als Soldat nur als Tarnung nutzte? Auf diese Fragen gab es erst einmal keine gesicherten Antworten. Auch der Schütze ist tot.

Immer wieder Angriffe auf ausländische Soldaten

Schon in den vergangenen Monaten hatte es Angriffe einzelner afghanischer Sicherheitskräfte auf ISAF-Soldaten gegeben. Ende November erschoss ein Offizier der afghanischen Grenzpolizei in einem Ausbildungslager in der östlichen Unruheprovinz Nangarhar sechs Angehörige der Schutztruppe. In der nordafghanischen Stadt Masar-i-Scharif tötete im Juli ein afghanischer Soldat einen afghanischen Kameraden und zwei amerikanische Zivilangestellte.

Kurz davor waren in der südlichen Provinz Helmand drei britische NatoSoldaten von einem afghanischen Soldaten getötet worden. Eine direkte Verbindung zu den radikal-islamischen Taliban konnte in allen Fällen nicht nachgewiesen, aber auch nicht ausgeschlossen werden.

Das stark befestigte Lager "OP North" liegt etwa 70 Kilometer südlich von Kundus. Da der Stützpunkt derzeit ausgebaut wird, halten sich viele afghanische Arbeiter und Soldaten dort auf. Das "OP North" spielt aber auch eine wesentliche Rolle bei der Ausbildung afghanischer Soldaten. Die Bundeswehr soll gemeinsam mit der afghanischen Armee operieren, damit die einheimischen Kräfte aus den Erfahrungen lernen und selbst Verantwortung übernehmen können.

Anlaufschwierigkeiten beim "Partnering"

Dieses so genannte Partnering soll den Weg für einen Abzug der Internationalen Schutztruppe ISAF bereiten. Deutschland will die Präsenz der Bundeswehr - wenn möglich - ab Ende 2011 reduzieren. Bei dem seit 2001 laufenden Einsatz ließen bislang 47 deutsche Soldaten ihr Leben - 29 bei Gefechten oder Anschlägen.

Zum offiziellen Auftakt des "Partnering" im Herbst gab es aber auch Berichte der Bundeswehrsoldaten über Anlaufschwierigkeiten. Die Zusammenarbeit mit der Nationalarmee wurde als schwierig bezeichnet. Die deutschen Soldaten erzählten zum Teil haarsträubende Geschichten: dass sie von afghanischen Soldaten bestohlen wurden, dass die Afghanen nicht pünktlich und auch sonst recht unzuverlässig seien. Wer aber zusammen ins Gefecht geht, muss sich auf Gedeih und Verderb aufeinander verlassen können.

Einige deutsche Soldaten sprachen sogar davon, dass die Afghanen als Partner völlig unberechenbar seien. Allerdings soll sich die Zusammenarbeit von ISAF-Kräften mit den Afghanen bei gemeinsamen Operationen gegen die Taliban in den vergangenen Monaten dann doch verbessert haben. Guttenberg sah am Freitag keinen Grund, das "Partnering" grundsätzlich infrage zu stellen. Jedoch zog er die bittere Schlussfolgerung, dass dieses Miteinander auch Risiken birgt. 

dpa