Um es vorweg zu nehmen: Die Gäste wussten es nicht. Der Moderatorin war's egal, sie interessierte die Fragestellung eh nicht besonders. Zwar versuchte Illner zu Beginn der Sendung, das schräge Thema als “sehr politisch” zu verkaufen. Doch dann trat sie nicht weiter in Erscheinung. Und das zu recht, denn wenn in einer Talk-Show Showgrößen diskutieren, was eine gute Show ist, erfährt das Publikum naturgemäß mehr über die Disktanten als über das Thema. Dabei hat das ja spannende Aspekte: Was bedeutet es, dass immer mehr Sendungen und Formate an Produktionsfirmen ausgelagert werden – wie etwa an die Grundy light Entertainment, deren Geschäftsführerin Biernat ist - die für Private und Öffentliche arbeiten? Und ist Massenunterhaltung unter Quotendruck mit Niveau machbar?
Diese Frage lag vor allem Thomas Gottschalk durchaus am Herzen, und immer wieder versuchte er, sie ins Spiel zu bringen. Doch steht Maybritt Illner mit ihrer Talksendung natürlich selber unter einen enormen Quotendruck. Sie muss sich sowohl gegen ihre zeitgleich ausgestrahlte Konkurrenz – ran - UEFA-Europa-League!, Tagesthemen!, CSI-den Tätern auf der Spur! behaupten, als auch gegen die anderen Talkformate wie Anne Will, Kerner oder wie sie alle heißen. Man kann sich die Redaktionskonferenz vor der Sendung bildlich vorstellen, in der sicher ein Redakteur eingeworfen hat, die "Menschen" wollten doch von einem Super-Promi wie Gottschalk vor allem auch Persönliches erfahren. Vielleicht war es auch Illner selbst, die das sagte.
Mathieu Carrière zehrt noch vom Dschungelcamp
Denn vor allem danach fragte sie: Warum Gottschalk aufgehört habe, ob er vielleicht noch mal wiederkomme, und überhaupt, wie es jetzt weitergehe mit ihm. Das solle hier doch keine Trauerveranstaltung für "Wetten, dass..?" werden, sagte der Entertainer irgendwann verzweifelt. "Ich will von den Kollegen hier lernen, wie es mit dem Öffentlich-rechtlichen Fernsehen weitergeht", flehte er. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen liege ihm am Herzen, sagte Giovanni di Lorenzo, der meist aussah, als bedaure er die Reise nach Berlin, aber selbst dabei sieht man ihm gerne zu. Brüderlich teilte er sich mit Gottschalk die Moderation. Während jener öfter mal ein neues Thema für die Debatte vorschlug, übernahm er es, den gröbsten Unfug des Schauspielers Mathieu Carrière gerade zu rücken.
Der zehrt noch immer von seinen Erlebnissen als Gast im RTL-Dschungelcamp, das er sowohl für Bildungsfernsehen als auch für eine Ayurveda-Kur hält. Gleichwohl es ärgerlich ist, dass er über "gleichgeschaltete Medien" in Deutschland schwatzt – heute sind sie es nicht mehr – weiß Carrière, das gute Unterhaltung vor allem aus gute gesetzten Pointen besteht. Der Sender habe vom komplexen Dschungelkamp-Alltag nur Konflikt und Klamauk gesendet, dozierte er mit erhobenem Zeigefinger und silber glänzendem Schopf, Humor bestehe aus Sadismus oder Empathie und "die Grille, die wir gebraten haben, war köstlich". Großartig. Später hat er sich aber verraten, als er die "Subversion" als Zukunft des Fernsehens prophezeite.
Moralkeulen von der Barfrau
Managerin Ute Biernat, die erfolgreiche Formate wie "Deutschland sucht den Superstar" für RTL, Das Quiz der Deutschen für die ARD produziert, wirkte wie eine geduldige Barfrau in einer Eckkneipe, die den Jungs zuhört und ab und zu beruhigend "naja naja" raunt. Schon gekonnt, dass sie, die für all das Elend, dass Gottschalk, die Lorenzo und auch die Quasselstrippe Fiona Erdmann (Teilnehmerin der Casting-Show “Germanys next Topmodel”, im Publikum sitzend) beklagten, den Niveauverlust, den unmenschlichen Umgang mit Kandidaten in Castingshows, die konstruierte Realität in Doku-Soaps, dass sie das nicht einmal in einem einzigen ganzen Satz verteidigen musste. Schmallippig wehrte sie sich gegen "Moralkeulen". Leider musste sie nicht erklären, was sie damit meint, aber wer widerspricht schon der Barfrau.
Die Quote des Spektakels war mit 3,93 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 17,7 Prozent ordentlich und: Für das ZDF besteht noch Hoffnung. Er sei ja nicht aus der Welt, falls es mit dem Neuen und "Wetten, dass..?" nicht klappen sollte, sagte Gottschalk. Na also.
Heike Holdinghausen, 39, ist Redakteurin der taz in Berlin und freie Autorin. Vor langer Zeit hat sie in der Redaktion einer Fernseh-Produktionsfirma für eine Talkshow gearbeitet. An den gehetzten Blick auf die Einschaltquote am Morgen nach der Sendung kann sie sich noch gut erinnern.