"Bloch: Der Heiland", 19. Januar, 20.15 Uhr im Ersten
Psychiater und Priester haben eine Menge miteinander gemeinsam. Beide dürften ihre Arbeit eher als Berufung denn als Beruf betrachten, beide helfen den Menschen, sich mit drängenden Fragen auseinander zu setzen; kein Wunder, dass in der modernen Gesellschaft der eine immer öfter einspringen muss, weil der andere nicht mehr so gefragt ist. Es war daher nur eine Frage der Zeit, wann Psychiater Maximilian Bloch (Dieter Pfaff) mit der Gretchenfrage konfrontiert würde: Wie hält er's als eher wissenschaftlich geprägter Analytiker mit der Religion? Auslöser dafür ist kein geringerer als der Heiland höchstpersönlich. Zumindest ist der Mann, der Tag für Tag am Kölner Dom predigt, davon überzeugt, Gottes Sohn zu sein.
Er kann es sogar beweisen: Als eine junge Radfahrerin stürzt und eine frühere Krankenschwester keine Lebenszeichen mehr entdecken kann, greift Martin (Matthias Habich) nach ihrer Hand; und schon schlägt sie die Augen auf. Seither gibt es eine kleine Schar von Anhängern, die ergriffen seinen Worten lauscht. Martins Tochter (Catherine Bode) hat allerdings erhebliche Zweifel an der Vergöttlichung ihres Vaters. Für sie und später auch für Bloch ist das Verhalten eine Flucht vor der Schuldgefühlen: Ein halbes Jahr zuvor hat sich Martins depressive Frau vom Dom gestürzt. Die Fürsorge hatte irgendwann seine Kräfte überstiegen, so dass er sie regelrecht aufforderte, sich das Leben zu nehmen.
Hier der Heiland, dort der Heiler
Die Konstellation ist ohne Frage faszinierend: hier der Heiland, dort der Heiler. Mit Habich und Pfaff treffen zudem zwei anerkannte und vielfach ausgezeichnete Größen ihres Fach aufeinander. Trotzdem gehört der Film zu den schwächeren der Reihe. Während es in anderen Episoden immer wieder gelungen ist, eine subtile Harmonie zwischen Kopf und Bauch herzustellen, bleibt die Auseinandersetzung zwischen den beiden so unterschiedlichen Männern diesmal fast zwangsläufig vor allem theoretischer Natur.
Im Grunde kreist die Handlung (Buch: Marco Wiersch) um die Frage, wo die Grenze zwischen Religiosität und religiösem Wahn verläuft; für Theologen und Psychiater eine echte Herausforderung, für einen Film, der ein Massenpublikum erreichen soll, zumindest ein Risiko. Tatsächlich fehlt dem Film über weite Strecken schlicht die Spannung. Die Dreharbeiten auf der öffentlich jederzeit zugänglichen Domplatte waren allerdings sicher eine Herausforderung der besonderen Art (Regie: Franziska Meletzky). Der schockierende Schluss dagegen könnte dem Sender noch manche Kritik einbringen.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).