Kritik an Mediengesetz überschattet Ungarns EU-Vorsitz

Kritik an Mediengesetz überschattet Ungarns EU-Vorsitz
Zu Beginn seiner EU-Ratspräsidentschaft präsentiert sich Ungarn als Staat mit beschnittener Pressefreiheit. Auch die Krise im Euro-Raum droht andere Brüsseler Pläne der Ungarn zu überschatten. Belgien hatte den EU-Vorsitz leise ausgeübt, nun dürfte es turbulent werden.
28.12.2010
Von Gregor Mayer und Dieter Ebeling

Überschattet von der Kritik am restriktiven Mediengesetz beginnt Ungarn am 1. Januar seine halbjährige EU-Ratspräsidentschaft. Das Gesetz soll offenbar den Machtbedürfnissen der rechtspopulistischen Budapester Regierung dienen, die ohnehin über eine übergroße Mehrheit verfügt. Die Regierungen in Berlin, Prag und Luxemburg kritisierten das Mediengesetz scharf, ebenso Sozialisten, Liberale und Grüne im Europaparlament, außerdem alle maßgeblichen Menschenrechtsorganisationen und Fachverbände.

Die EU-Kommission selbst enthielt sich bisher der Kritik. Insider meinen, man hoffe dort, dass Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban doch noch den Ernst der Lage erkennen werde. Dies strafte Orban vorerst Lügen. Mit starken Sprüchen wies er Vorwürfe gegen das Mediengesetz zurück. Er denke "nicht im Traum" daran, das Gesetz zu ändern. Im Übrigen hätten die Ungarn seiner Partei FIDESZ nun mal eine Zweidrittelmehrheit gegeben, die man auch zu nutzen gedenke, triumphierte Orban.

Große europäische Fragen

Nach dem letzten EU-Gipfel in Brüssel hatte er sich noch als nüchterner Europa-Politiker gegeben. Nicht "die für Ungarn wichtigsten Themen" würden "im Rampenlicht stehen, sondern die großen europäischen Fragen". Der Euro sei in der jüngsten Krise einem "Elchtest" unterworfen worden, sagte er. "Nun sind die Konstruktionsfehler sichtbar geworden. Der Großteil der Reparaturen wird in die Zeit der ungarischen Präsidentschaft fallen."

Das kleine Land übernimmt erstmals den EU-Vorsitz und will diese Aufgabe als "ehrlicher Makler" meistern, sagte der ungarische Staatssekretär im Außenministerium, Gergely Pröhle. Dabei habe man sich ehrgeizige Ziele gesetzt: Energiesicherheit, die Förderung der kulturellen Vielfalt und die EU-Erweiterung, darunter die Aufnahme Kroatiens. Hinzu kommen die geplante Donau-Strategie, also die engere Kooperation der Anrainer, und der Start einer europaweiten Roma- Strategie. Als Krönung ist im Mai im Schloss Gödöllö bei Budapest ein Ostpartnerschafts-Gipfel geplant, zu dem auch US-Außenministerin Hillary Clinton angekündigt ist.

Budapest will die erste EU-Präsidentschaft des seit 2004 zur Union gehörenden Landes vor der eigenen Bevölkerung glanzvoll zelebrieren. Diese hat allerdings bislang nicht viel davon mitbekommen. Nur 45 Prozent der Befragten wissen überhaupt, dass ihr Land zur Jahreswende den EU-Vorsitz übernimmt, ergab jüngst eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Median.

Skandal um Mediengesetz

Nun hat aber der erhoffte EU-Glanz schon im Vorfeld Kratzer bekommen, weil Orban im Inneren äußerst machtbewusst agiert hat. Kritiker bezeichnen dies als gezielten "Demokratieabbau". Neben dem Mediengesetz, das kritische Medien mundtot machen kann, rütteln weitere Maßnahmen an den Grundfesten von Demokratie und Rechtsstaat. FIDESZ hat bereits die Befugnisse des Verfassungsgerichts eingeengt. Auf den Posten des Staatspräsidenten, des Oberstaatsanwalts und des Rechnungshofspräsidenten sitzen Orban-Getreue.

In Brüssel sieht man die Entwicklung in Ungarn zwiespältig. Zwar liegt dort die Priorität beim Krisenmanagement, nicht bei eventuellen demokratiepolitischen Sünden der gewählten Regierung eines Mitgliedslandes. Wegen des Skandals um das Mediengesetz halten aber manche EU-Diplomaten Ungarns Start in die EU-Präsidentschaft für missglückt.

Während Ungarn über eine übermächtige Regierung verfügt, fiel indes kaum auf, dass das aus dem Vorsitz scheidende Belgien gar keine gewählte Regierung hat. Das geschäftsführende Team des amtierenden Regierungschefs Yves Leterme sorgte mit viel EU-Routine und wenig öffentlichem Flügelschlagen für Ergebnisse. Vor allem Finanzminister Didier Reynders brachte die verschärfte Finanzaufsicht und den ständigen Krisenmechanismus für den Euro über die politischen Hürden.

Neues Machtgefüge

In einer schwierigen Phase, in der die neuen Regeln des Lissabon- Vertrages mit neuem Machtgefüge in die Praxis umgesetzt werden mussten, hat die belgische Präsidentschaft die wichtigsten Kernziele erreicht. Neben der Finanzaufsicht hat sie die Gründung des Auswärtigen Dienstes der EU trotz großer Schwierigkeiten hinbekommen. Beim EU-Patent haben die Belgier zwar keinen Kompromiss geschafft, nun aber den Weg zu einer verstärkten Zusammenarbeit der willigen EU- Regierungen frei gemacht. Und auch der EU-Haushalt 2011, der zu Scheitern drohte, wurde noch unter der belgischen Präsidentschaft unter Dach und Fach gebracht.

dpa