Die meisten Gemeinden in Israel sind nicht als solche erkennbar, denn die messianischen Juden sind alles andere als beliebt. Immer wieder kommt es zu Übergriffen. Meist sind es orthodoxe Juden, die Gemeindemitglieder anspucken, sie fotografieren und die Bilder anschließend veröffentlichen. Sie beschimpfen sie als Verräter und drohen ihnen, dafür zu sorgen, dass die "Gläubigen", wie sich die messianischen Juden nennen, ihre Anstellungen und Wohnungen verlieren. Vor ein paar Jahren wurde ein noch nicht volljähriger messianischer Jude von einem Extremisten ermordet.
Von staatlicher Seite sitzt den messianischen Gemeinden das Innenministerium im Nacken. Der zuständige Posten des Innenministeriums wird seit Jahren von einem Vertreter der orientalisch-orthodoxen Schas-Partei besetzt. Juden, die nach Israel eingewandert sind und sich dann als "Gläubige" entlarven, kann die Staatsbürgerschaft aberkannt werden. Einige Dutzend solcher Fälle werden derzeit vor Gericht verhandelt.
Jüdisches "Konzept des Messias"
Auch die Kirche hat große Probleme, den Zwitterstatus der messianischen Juden zu akzeptieren. Entweder konvertieren oder Jude bleiben, sagen die Kritiker. "Eine solche Entscheidung ist unnötig", kontert hingegen Aaron Eime, Dekan der "Messianischen Kirche" in der Altstadt von Jerusalem. Allein das "Konzept des Messias" sei ja ein jüdisches. Gleich hinter dem Jaffator und gut geschützt von der benachbarten Polizeistation liegt die "Christ Church" in Jerusalem, wo sich die "messianische" Gemeinde einmal nicht versteckt.
Es sei schon lange her, dass an diesem zentralen Ort jemand einen Angriff wagte. Eime lebt seit zwölf Jahren in Jerusalem. Der gebürtige Australier ist evangelischer Christ. Seine bunte Gemeinde vereint Ausländer, Araber und Israelis. "Religion ist keine nationale Angelegenheit", erklärt Eime. "Egal welchem Gott ich folge, es ändert nichts an meinem Blut." So bleibe er selbst doch immer Australier, genauso wie ein Jude immer ein Jude bleibe. Er könne an Jesus glauben und doch seine Kippa tragen, das Passahfest feiern und koscher essen, wie es viele der Gemeindemitglieder tun.
Für Linda Cohen gaben mehrere Todesfälle in der Familie den Anstoß, einer Freundin an Heiligabend in die Kirche zu folgen. "Ich habe damals eine schwere Phase durchgemacht", erinnert sie sich. Es war 1980, als sie sich entschied, nach ihrem Schlüsselerlebnis während der Messe, tiefer nachzuforschen. "Je mehr ich über Jesus las und lernte, desto mehr wurde mir klar, dass er der Messias war", sagt sie. "Ich wollte die Wahrheit wissen."
Nicht nur ein Messias
Die Wahrheit, wie sie Dekan Eime simpel formuliert, ist, dass es im Judentum nicht nur einen Messias gab. So wird der 1994 verstorbene Lubawitscher Rebbe Menachem Mendel Schneerson aus Brooklyn von zahlreichen seiner Anhänger bis heute Messias genannt. "Vor ihm gab es andere", sagt Eime, "wenn wir lange genug warten, wird es wieder andere geben". Einer aus dieser Reihe sei eben ganz besonders charismatisch und beliebt gewesen. "Aber ausgerechnet den haben sich die Nichtjuden zu eigen gemacht."
Der 39-jährige Dekan, der mit seiner Frau und drei Kindern in Westjerusalem lebt, könnte stundenlang die Ähnlichkeiten der beiden Religionen aufzählen und dabei christliche Riten auf die jüdische Tradition zurückführen. Eime versteht nicht, warum sich das orthodoxe Judentum so schwer damit tut, den messianischen Juden ihren Glauben zu lassen. "Du kannst als Jude an Buddha glauben oder noch besser an gar nichts und bleibst doch Jude", erklärt er. "Aber wenn du anfängst, von Jesus zu reden, wirst du sofort geächtet."