Schneider bedauert späte Entschuldigung bei Heimkindern

Schneider bedauert späte Entschuldigung bei Heimkindern
Gewalt als Mittel der Pädagogik und Ausdrucksform der Liebe - das ist für Nikolaus Schneider ein "fatales" Bibelverständnis. Der EKD-Ratsvorsitzende wünscht sich, dass ehemalige Heimkinder bald Entschädigungen bekommen. Er bedeuert, dass die Kirchen sich erst spät entschuldigt haben.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, hat die späte Entschuldigung der Kirchen bei den Opfern der Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren der Bundesrepublik bedauert. Für die Betroffenen wäre es sicher gut gewesen, wenn die Entschuldigung früher erfolgt wäre, sagte Schneider der "Berliner Zeitung" (Freitagsausgabe).

Schneider versprach den Opfern schnelle Hilfen. Es seien dafür vorsorglich Mittel in den Landeskirchen bereit gestellt worden. Die Menschen seien mehrheitlich in fortgeschrittenem Alter und sollten und könnten nicht mehr länger warten, sagte er.

Was bei der Aufklärung der Schicksale von Heimkindern zu Tage gekommen sei, sei "zum Fürchten" und "erschreckend", sagte Schneider weiter. Dabei gehe es um den Kern des Selbstverständnisses der Kirchen. Es sei ihre Aufgabe, die Botschaft von Gottes Liebe zu predigen und zu leben: "Und dann wird diese Liebe so verdunkelt, dass Menschen sie nicht mehr erfahren können. Das ist beschämend."

Schneider: Gewalt aus Frömmigkeit ist "fatal"

Damals habe man andere Vorstellungen von Erziehung gehabt. Im öffentlichen Bewusstsein sei Gewalt ein Mittel der Erziehung gewesen, sagte Schneider. Es gebe aber auch Stellen in der Heiligen Schrift, "die Gewalt als Mittel der Pädagogik empfehlen oder die Gewaltanwendung zu einer Ausdrucksform der Liebe erklären. Es gebe Menschen, die jedes Wort der Bibel wörtlich nähmen und die es als Ausdruck einer besonderen Frömmigkeit verstünden, Gewalt anzuwenden: "Das war und ist fatal", urteilte der Ratsvorsitzende.

Der Runde Tisch zur Aufarbeitung der Heimerziehung hatte Anfang Dezember seinen Abschlussbericht vorgelegt und die Einrichtung eines Fonds in Höhe von 120 Millionen Euro vorgeschlagen, aus dem ehemalige Heimkinder individuelle Zahlungen erhalten sollen. Der Fonds, über dessen Einrichtung noch der Bundestag und die Länderparlamente entscheiden müssen, soll zu je einem Drittel vom Bund, den Ländern und den Kirchen finanziert werden.

Zwischen 1949 und 1975 wuchsen in der Bundesrepublik rund 800.000 Kinder und Jugendliche in kirchlichen, staatlichen und privaten Heimen auf. Viele waren Demütigungen, Prügeln und sexueller Gewalt ausgesetzt und wurden zu harter Arbeit gezwungen. Experten rechnen mit rund 30.000 Opfern, die Ansprüche an den Fonds anmelden könnten. 

epd