Erwartungsgemäß ist die Verabschiedung der Hartz-IV-Reform im Bundesrat am Widerstand der SPD-geführten Länder gescheitert. Den unionsregierten Ländern fehlte am Freitag in Berlin bei 34 Ja-Stimmen eine Stimme zur Mehrheit in der Länderkammer. Am Nachmittag sollte der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag zum ersten Mal zusammentreten. Er will eine Arbeitsgruppe einsetzen, die am kommenden Montag ihre Arbeit aufnehmen soll.
Nach dem Willen der schwarz-gelben Bundesregierung sollen die Hartz-IV-Regelsätze für Erwachsene zum 1. Januar 2011 um fünf auf 364 Euro im Monat angehoben werden. Die Regelsätze für Kinder sollen nicht steigen. Sie werden ergänzt durch zehn Euro im Monat für Freizeitaktivitäten sowie Zuschüsse zum Schulessen, zu Nachhilfestunden, Wandertagen und durch eine Monatskarte für Schüler. Das Bildungspaket in Höhe von 740 Millionen Euro umfasst aber auch Leistungen wie den 100-Euro-Zuschuss pro Schuljahr, die es heute schon gibt.
Unions- und SPD-geführte Länder warfen sich im Bundesrat gegenseitig vor, die rechtzeitige Suche nach einer gemeinsamen Lösung verhindert zu haben. Der schleswig-holsteinische Sozialminister Heiner Garg (FDP) fragte mit Blick auf das Vermittlungsverfahren im Januar kommenden Jahres: "War das wirklich nötig?"
Von der Leyen appelliert an Opposition
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) machte deutlich, dass die neuen Hartz-IV-Leistungen erst dann gezahlt werden, wenn das Gesetz verabschiedet ist. Sie sei aber "Tag und Nacht verhandlungsbereit", um zu einer schnellen Lösung zu kommen, sagte sie und appellierte an die Opposition, 2,3 Millionen Kinder "nicht im Stich zu lassen". Die Bundesregierung habe ein gutes Gesetz vorgelegt, sagte sie. Mit den neuen Hartz-IV-Regelsätzen seien die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts erfüllt worden.
Sie warb für das Bildungspaket, für dessen Umsetzung 1.300 neue Stellen bei den Jobcentern geschaffen werden sollen. Es sei richtig, Geld in die Hand zu nehmen, damit sich Menschen in den Behörden um die Bedürfnisse der Kinder kümmerten, sagte sie. Die Forderung der SPD nach mehr Sozialarbeitern an Schulen kommentierte von der Leyen dagegen mit dem Hinweis, die Hartz-IV-Reform sei nicht dazu da, dass der Bund Aufgaben der Länder übernehme.
Die SPD lehnt die neuen Stellen in den Jobcentern ab und will die Hilfen für die Kinder direkt an die Kommunen auszahlen lassen. "Wir wollen einen einfachen Weg", sagte die rheinland-pfälzische Sozialministerin Malu Dreyer (SPD). Es könne nicht sein, dass 135 Millionen Euro für die Umsetzung eines Gesetzes eingeplant würden. Das Geld müsse direkt an die Kinder gehen. Einbezogen werden müssten auch Kinder aus Geringverdiener-Familien, die Wohngeld beziehen, forderte Dreyer.
Keine Mehrheit für SPD-Antrag
Die SPD-Politikerin wies den Vorwurf zurück, die Opposition sei für die Verzögerung der Auszahlungen verantwortlich. Die Zahlungen könnten ab Januar erfolgen, wenn die Regierung dies nur wolle, sagte sie. Auch die Bundesagentur für Arbeit sehe keine Probleme. Sie brachte einen Antrag mehrerer SPD-geführter Länder ein zur sofortigen Auszahlung der Leistungen, der aber keine Mehrheit fand.
Dreyer sicherte eine konstruktive Arbeit im Vermittlungsausschuss zu. Sie bekräftigte die Forderungen der SPD, wonach vorrangig das Bildungspaket ausgeweitet werden und die Schulsozialarbeit besser finanziert werden sollen. Die SPD will außerdem Fortschritte beim Mindestlohn erreichen.
Der nordrhein-westfälische Sozialminister Guntram Schneider (SPD) kündigte an, es werde auch über höhere Regelsätze verhandelt: "Machen Sie sich darauf gefasst, es werden mehr als fünf Euro werden", erklärte er an die Adresse der schwarz-gelben Koalition. Es gehe um die Würde der Menschen, sagte er. Die schwarz-gelbe Regierung habe die Regelsätze nach Kassenlage berechnet. Das Vermittlungsverfahren sei daher "im Interesse der Menschen, die Hilfe dringend nötig haben", so Schneider.
Vermittlungsausschuss angerufen
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe nahm die Opposition unter Beschuss: "Die SPD zockt auf dem Rücken der Kinder", erklärte er. Die Sozialdemokraten müssten "ihre taktischen Spielchen einstellen" und im Vermittlungsausschuss an einer schnellen Lösung mitarbeiten. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf hingegen Arbeitsministerin von der Leyen in Zeitungen der WAZ-Mediengruppe vor, die Auszahlung der neuen Hartz-IV-Leistungen als Druckmittel zu nutzen.
Nach der Abstimmung über die Hartz-IV-Reform rief der Bundesrat zu den Unterkunftskosten von Hartz-IV-Empfängern den Vermittlungsausschuss an. Die Länder verlangen, dass der Bund seinen Anteil für 2011 an den tatsächlichen Kosten ausrichtet und nicht an der Zahl der Hartz-IV-Haushalte, was die Länder benachteiligt. Darüber hatte es auch in diesem Jahr schon Streit gegeben.
epd