Guttenberg bei Kerner: Phrasendrescher statt Antwortgeber

Guttenberg bei Kerner: Phrasendrescher statt Antwortgeber
Er ist der Darling der Springer-Medien, die Fernsehkameras lieben ihn, und bei Johannes B. Kerner durfte Karl-Theodor zu Guttenberg zeigen, wie gut ihm die Soldatenkulisse steht. Der Sat.1-Cheftalker war dem Verteidigungsminister bei seinem Besuch nach Afghanistan gefolgt, um ihn direkt vor Ort zu interviewen. Es ist der mediale Höhepunkt der siebten Afghanistanreise von Deutschlands selbst ernanntem Kriegsminister: ein Talk mit dem Weichspüler der Nation, Johannes B. Kerner.
17.12.2010
Von Hanno Terbuyken

Eines muss man Karl-Theodor zu Guttenberg lassen. Seine Botschaft hat er drauf. Und so gerät der Afghanistan-Talk mit Johannes B. Kerner zum Höhepunkt der Guttenberg-Show, weil sich Sat.1 und Kerner von der Inszenierung des Verteidigungsministers mit sichtlicher Freude einnehmen lassen.

Guttenberg sitzt in der maskulinen Lederjacke und mit bürgerlichem weißen Rollkragenpulli, unrasiert, aber mit perfekt gegeltem Haar in einem Hangar in Mazar-e-Sharif. Aufmerksam lauscht der Minister den Ausführungen der Soldaten, die Kerner zu ihrer Situation befragt. Der Minister, der "Verantwortung im Schützengraben lernt" (O-Ton Guttenberg), dominiert die Sendung, auch wenn er nicht die meiste Sendezeit bekommt. Er ist einfach immer da, und die Kamera-Leute von Sat.1 setzen ihn in Szene.

So erzählt beispielsweise Rettungsassistentin Melinda Schuster, wie sie damals beim Tod des Soldaten Florian Pauli ihre Arbeit machte. Guttenberg wird dazu mit ernster Miene eingeblendet. Dabei geht es gar nicht darum, die Geschichte des Todes von Florian Pauli zu erzählen. Stattdessen betont die Szene zwei Dinge. Erstens: Die Bundeswehr ist hoch professionell. Und zweitens: Auch der (natürlich ebenfalls hochprofessionelle) Oberkommandierende nimmt Anteil. Man muss "sein Herz sprechen lassen", sagt Guttenberg.

Sat.1 spielt die Inszenierung munter mit

Das Fatale an der Inszenierung, die Kerner und Sat.1 fröhlich mitgehen, ist, dass die Ausgangsfrage völlig selbstverständlich bejaht wird. Ist es richtig, dass deutsche Truppen in Afghanistan dienen? Ja sicher: "Ich komme für die Kameraden und für die Kinder hierher", fasst der "Elitekämpfer" (O-Ton Sat.1) Steffen Plange zusammen. Die Kinder, damit meint er afghanische Kinder, die in Sandalen im Schnee stehen und denen er dann Schokolade gibt. Zwischendurch hatte er mal Zweifel, dann gab's eine "erfolgreiche Mission" – was das heißt, erfährt der Zuschauer nicht – und alles ist wieder gut.

Aber weil Afghanistan eben auch gefährlich ist, ist die Bundeswehr gut ausgerüstet. Plange zeigt am lebenden Objekt, was ein Soldat alles mitschleppt – "bei 40 Grad!" ergänzt der Verteidigungsminister – und fällt dabei in die typische Militärsprache. Der Soldat hat alles dabei, damit er sich "gegen den Gegner durchsetzen kann". Die Worte "töten" oder "sterben" sind auch bei Kerner tabu. Der Verteidigungsminister, der immerhin den "Krieg" in die Runde warf, spricht sie auch nicht aus. Aber an der Ausrüstung sparen wird er natürlich nicht, das darf er dank Kerners Steilvorlage noch eben sagen.

Wenn man den Bildern der Sendung folgt, machen deutsche Soldaten in Afghanistan nichts anderes, als in Fahrzeugen durch Afghanistan zu fahren, ständig an ihre Familien zu denken, sich vor Sprengfallen in Acht zu nehmen und durch Ferngläser zu gucken. Es wird nicht geschossen, aber auch nicht geholfen. Wie der Einsatz konkret aussieht, bleibt verborgen. Nur dass ein weiblicher Oberleutnant auch mal "ins Kissen weint", aber natürlich nicht vor den Soldaten, das dürfen wir erfahren. Denn Soldaten sind harte Männer und Frauen.

Wenn es um die Soldaten geht, macht der Minister eine gute Figur

Probleme gibt es trotzdem, das verschweigt der Minister nicht. Kerner präsentiert einen Einspielfilm über Posttraumatische Belastungsstörung. Ein betroffener Ex-Soldat, Sebastian Züche, kommt zu Wort und kritisiert die Therapie: Die Bundeswehr tut nicht genug für die Behandlung von PTBS-Patienten, sagt er: zu viele Ärztewechsel, zu schnelle Entlassung aus dem Krankenhaus. Kann passieren, sagt der Leiter des Bundeswehrkrankenhauses Berlin sinngemäß.

Und was macht Kerner? Er fragt den Minister, warum die Zahlen der PTBS-Betroffenen steigen. Guttenberg antwortet: Weil der Einsatz schwieriger wird, und weil mehr Soldaten bereit sind, "darüber zu reden, ohne sich zu schämen". Es ist eine "Verletzung der Seele", sagt Guttenberg. Zugute halten muss man ihm, dass er den Gang durch die Instanzen bei der Anerkennung von PTBS als Verletzung reduzieren will – eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber vielleicht der sympathischste Moment für den Minister während der Sendung.

Ansonsten redet Guttenberg über Herz, Familie und Anerkennung für die Soldaten. Man müsse den Einsatz "erklären, erklären, erklären, auch wenn man sich selbst irgendwann nicht mehr hören kann", sagt er, als Kerner das Ergebnis einer Umfrage präsentiert, dass 71 Prozent aller Deutschen den sofortigen Abzug der Truppen wollen. Außerdem dürfe man sich keine illusorischen Ziele setzen. Aber obwohl er vor laufenden Fernsehkameras sitzt, nutzt Guttenberg die Gelegenheit selbst auch nicht. Welche bessere Öffentlichkeit gäbe es denn, zu "erklären, erklären, erklären"? Was sind denn die Ziele?

Guttenberg bleibt die wesentlichen Antworten schuldig

Das ist das große Scheitern des Kerner-Spezials mit Karl-Theodor von Guttenberg. Warum sind deutsche Soldaten in Afghanistan? Da schweigt sich der Minister aus. (Es fragt ihn ja auch keiner.). Aber dass sie da sind, das ist erstmal gut, und weil sie da sind, sollen wir sie hier zu Hause unterstützen. Sat.1 garniert diese Botschaft mit Bildern einer wehenden Deutschlandflagge und der Mündung einer Pistole, die ein Soldat im Publikum trägt. Am Ende schenkt Kerner der Truppe noch Trikots der deutschen Fußballnationalmannschaft – "für das nächste Spiel gegen die Amis".

Inmitten des Flaggen- und Flecktarnpatriotismus sitzt der Darling-Minister mit den gegelten Haaren und guckt ernst drein. Wenn wir zu Hause mit der Familie Weihnachten feiern, sollen wir auch an unsere Soldaten denken, sagt Guttenberg. Aber er lässt den Fernsehzuschauer allein mit den Fragen nach dem Warum und dem Sinn des Afghanistan-Einsatzes. Der Verteidigungsminister muss in der Lage sein, für die zweifelnde Mehrheit genau diese Antworten zu liefern. Der Abend mit Kerner zeigte, dass er es wohl nicht kann. Die Schlussfolgerung liegt nahe, dass es keine Antwort gibt. Wenn das so ist, dann sollte Guttenberg der zweifelnden Mehrheit folgen: Raus mit der Bundeswehr aus Afghanistan.

Was andere Medien zur Sendung schreiben, erfahren Sie unter anderem im "Altpapier".


 

Hanno Terbuyken ist Redakteur bei evangelisch.de, zuständig für die Ressorts Gesellschaft und Umwelt + Wissen, und schreibt das Blog "Angezockt".