Für sein ehrenamtliches Engagement hat der 50-jährige Sorbe am Montag zum Internationalen Tags des Ehrenamtes von Bundespräsident Christian Wulff das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen. Zähneknirschend, sagt Nawka. "Meine erste Reaktion war: Das brauche ich nicht." Als Würdigung seiner Arbeit und der seiner Mitstreiter hat er es aber doch gerne angenommen. Hanseatisch-bescheiden sieht er den Orden nicht als persönliche Auszeichnung. Doch die Hilfe für obdachlose Menschen liegt ihm am Herzen.
Er weiß: Die meisten seiner Patienten würden nie einen Arzt zu Gesicht bekommen, wenn er und seine Kollegen nicht in dem umgebauten Kleinbus vorbeikämen: "Sie schämen sich, in eine normale Arztpraxis zu gehen." Dort würden sie auffallen, weil sie ungepflegter sind als andere. Und auch ihre Beschwerden, etwa Hautkrankheiten oder Infektionen, rühren oft von mangelnder Hygiene. Zudem: "Obdachlose haben sich oft am Rand der Gesellschaft eingerichtet. In eine Arztpraxis zu gehen hieße einen Schritt zurück in die Gesellschaft - und den trauen sich viele nicht."
Chronische Leiden
Erkrankungen, meist Erkältungen oder Entzündungen, zunehmend aber auch chronische Leiden wie Bluthochdruck oder Diabetes, bleiben so unbehandelt. Schmerzen würden irgendwann als Normalzustand akzeptiert. "Erst wenn der Leidensdruck sehr hoch ist, kommen sie zu uns", sagt Nawka.
Dabei hätten drei Viertel seiner Patienten sogar eine Krankenversicherungskarte. Nur ausländische Obdachlose haben kein Anrecht darauf: Sie können sich also von einem niedergelassenen Arzt gar nicht behandeln lassen. Und von denen kommen immer mehr zur rollenden Arztpraxis.
Als das Arztmobil 1996 noch ein junges Projekt war, bat ihn der damals einzige ehrenamtliche Arzt um ein paar Stunden Vertretung. "Nur eine Schicht, hieß es", erinnert sich Nawka. "Ich hatte erst keine Lust darauf. Ich hatte gar keinen Bezug zu Obdachlosen. Wenn ich einen auf der Straße sah, dachte ich: Selber Schuld." Aus der einmaligen Vertretung wurde eine zweite. Und dann noch eine. 14 Jahre später ist Nawka immer noch jeden Mittwoch dabei - und gilt als Stütze des Projekts.
Keine kassenärztliche Zulassung
Dreimal in der Woche steuert das Arztmobil in der Hansestadt Einrichtungen der Obdachlosenhilfe an. An Bord: eine hauptamtliche Krankenschwester und einer der 14 ehrenamtlichen Ärzte. Sie behandeln in jeder fünfstündigen Schicht bis zu 30 Obdachlose - im Winter unwesentlich mehr als im Sommer.
Eine kassenärztliche Zulassung haben sie bei dieser Tätigkeit nicht. Sie behandeln vor Ort, verbinden oder versorgen Wunden und verteilen Medikamente, die sie mit Hilfe von Spendengeldern kaufen oder von Apotheken geschenkt bekommen. Wer eine intensive Therapie oder etwa eine Operation benötigt, den bringen Nawka und seine Kollegen in ein Krankenhaus oder in die Hamburger Krankenstube für Obdachlose. In der Caritas-Einrichtung besucht Nawka manchmal seine Patienten von der Straße und freut sich über den Erfolg, dass sie sich auf eine längere Behandlung eingelassen haben.
Die ehrenamtliche Arbeit koste ihn "Zeit, Geduld und Kraft", doch bekomme er "eine Dankbarkeit zurück, die ich sonst nie erlebe". Das brauche er, um durchzuhalten, sagt Nawka. Denn die Behandlung von Obdachlosen ist oft vor allem frustrierend. Das Leben auf der Straße verzögere die Genesung. Und die Mitarbeit der Patienten lasse oft zu Wünschen übrig. Doch Stanislaw Nawka glaubt an die Sinnhaftigkeit dessen, was er tut, an die Kraft seiner Patienten - und an Gott. Sein Ehrenamt versteht der Christ auch als Glaubenspflicht: "Ich finde, das ist gelebte Nächstenliebe."
epd