Diakonie: 433 Euro für Hartz-IV-Empfänger

Diakonie: 433 Euro für Hartz-IV-Empfänger
Bundesarbeitsministerin von der Leyen wollte es auf "Heller und Cent". Das hat ihr jetzt die Diakonie vorgelegt. Eine wissenschaftliche Studie belege: Hartz-IV-Empfängern müsse 74 Euro pro Monat mehr ausgezahlt werden als ihnen momentan zusteht. Die Bundesregierung will den aktuellen Satz von 359 Euro um nur fünf Euro erhöhen.

Die Armutsforscherin Irene Becker hat im Auftrag von zehn Diakonie-Landesverbänden die selben Zahlen verarbeitet, die dem Bundesarbeitsministerium vorlagen. Der Vorstandsvorsitzende der Diakonie Mitteldeutschland, Eberhard Grüneberg sagte, die Bundesregierung habe in ihrer Rechnung aber in vielen Punkten Abzüge gemacht, die Hartz-IV-Bezieher von einer Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ausschlössen. Diese Einschränkungen seien nicht zu akzeptieren.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar die Hartz-IV- Regelsätze als verfassungswidrig bewertet und eine "transparente und nachvollziehbare" Neuberechnung verlangt. Nach der Gerichtsentscheidung müssen die neuen Regelsätze zum 1. Januar 2011 in Kraft treten. Die schwarz-gelbe Koalition will den Satz für Langzeitarbeitslose nur um fünf Euro auf 364 Euro anheben. Am Freitag soll über ihren Entwurf im Bundesrat beraten werden. Die SPD will nicht zustimmen. Nach den Berechnungen von Irene Becker brauchen Erwachsene 433 Euro im Monat, der Regelsatz für Kinder, der nach Alter gestaffelt ist, müsse um bis zu 36 Euro erhöht werden.

Auch Tabak, Handy und Auto eingerechnet

Als Bezugsgruppe für ihre Berechnung nimmt Becker - wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert - die untersten 20 Prozent der nach Einkommen sortierten Haushalte. Die Bundesregierung hatte mit den untersten 15 Prozent gerechnet. Ausgaben für Tabak und Alkohol berücksichtigt die Diakonie-Studie mit rund 17 Euro. "Nur ein Viertel der Hartz-IV-Empfänger gibt dieses Geld wirklich für Tabak aus", sagte die Sozialpolitik-Beauftragte der Diakonie Mitteldeutschland, Ines Nößler. Würde der Posten, wie von der Koalition geplant, gestrichen, fehle vielen Menschen Geld für gesundes Essen. 

Auch Kosten für Handytelefonate und ein eigenes Auto rechnet die Diakonie mit ein. Gerade in ländlichen Regionen könne man darauf nicht verzichten. Abzüge bei Luftverkehr, Glücksspiele, Haustiere, Pauschalreisen, Garten- und Fotoausrüstung dagegen wurden übernommen.

Diakonie: "Reformen unerträglich"

Neben der Berechnung der Hartz-IV-Sätze kritisiert die Diakonie auch Kürzungen im Bereich der Arbeitslosenförderung. Millionen von Langzeitarbeitslosen würden dauerhaft abgeschrieben. Fordern und Fördern falle aus. "Die arbeitsmarktpolitischen Reformen im Zuge des Sparpaketes der Bundesregierung sind für die Diakonie unerträglich", so Dr. Uwe Becker, Vorstand der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe.

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Im Sparpaket der Bundesregierung seien allein für 2011 Einsparungen von 1,5 Milliarden Euro eingeplant. Bis 2014 sollten insgesamt 10 Milliarden Euro weniger in Beschäftigungs- und
Qualifizierungsmaßnahmen investiert werden. "Die Bundesregierung betreibt einen aktiven Rückzug aus der Beschäftigungsförderung. Damit fällt für viele Langzeitarbeitslose der letzte Hoffnungsschimmer weg, jemals wieder in Arbeit integriert zu werden", so Becker.

Weniger Geld für Arbeitsgelegenheiten

Besonders betroffen seien Kommunen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. So stünden zum Beispiel Gelsenkirchen im nächsten Jahr rund ein Drittel weniger Gelder für Beschäftigungsmaßnahmen zur Verfügung. Tausende von Arbeitsgelegenheiten würden wegfallen, Einrichtungen wie Tafeln, Sozialkaufhäuser, Gebrauchtmöbellager oder die Pflege von Wander- und Radwegen stünden vor dem Aus.

"Es ist ein Hohn, wenn die niedrigen Regelsätze einen Anreiz zu Aufnahme von Arbeit bieten sollen, aber gleichzeitig die Wege, mit denen Langzeitarbeitslose auf den Arbeitsmarkt vorbereitet werden, verbaut werden", so Becker weiter. Erschreckend sei, dass gerade die Städte und Gemeinden mit einer hohen Grundsicherungsquote, das heißt mit prozentual besonders vielen Hartz-IV-Empfängern, überdurchschnittlich hohe Kürzungen hinnehmen müssen.

dpa/epd/evangelisch.de