Was waren die Highlights im evangelischen Programm zur Ruhr.2010?
Dieter Falk und das Pop-Oratorium füllten die Dortmunder Westfalenhalle an zwei Tagen mit 22.000 Menschen. Zweifellos ein Highlight. „Schattenkultur“, das Gefängnisprojekt in Moers, stellte die soziale Kompetenz als Teil unseres Kulturbegriffs in den Mittelpunkt mit einer einzigartigen Ausstellung im Alten Hafthaus in Moers, die von 4.000 Menschen besucht wurde. „Kirche der Kulturen“ hat eine Passage der Stadtkirchen von der Duisburger Salvatorkirche bis zur St. Petrikirche in Dortmund entlang der A40 gebildet. „Babel“, das spektakuläre musikalische Netzwerk mit seinen sieben Kirchen in einem simultan erlebten Abschlusskonzert, setzte Maßstäbe. Ebenso bewegten die „Momente der Ewigkeit“ an 36 Spielorten mehr als zweieinhalbtausend Menschen in Chören und Orchestern und dazu noch einmal 9.000 Besucherinnen und Besuchern bei den Aufführungen von Kantaten Johann Sebastian Bachs. Die Beiträge der Evangelischen Jugend, etwa „Younight“ oder Ruhrpott Games, aber auch die Weltpremiere „Im Schatten ist Licht“ an der Essener Marktkirche, wo durch die blaue Glasfront des Westchores hindurch gespielt wurde, verdienen ebenso erwähnt zu werden wie die Nacht der offenen Gottes- und Gebetshäuser in den Städten der 22 Kirchenkreise des Ruhrgebietes.
Gibt es Dinge, die uns, der evangelischen Kirche, über dieses Kulturhauptstadtjahr hinaus bleiben?
Als erstes wäre das gestärkte Bewusstsein als Kulturträger zu nennen. Da haben wir - angefangen von den Gemeinden über die Kirchenkreise bis zur überregionalen Zusammenarbeit der beiden Landeskirchen - Fortschritte gemacht. Kirche versteht Kultur als „Spielraum der Freiheit“ (Bonhoeffer). Wir grenzen uns damit von Interessen ab, die kulturelle Veranstaltungen vorrangig als Event und somit als Wirtschaftsfaktor verstehen, der sich beispielsweise über Tourismus irgendwann selbst finanziert. Kultur ist ein Verständigungsprozess: Kommunikation und Inspiration führen zur Partizipation. So haben wir das jedenfalls auf den Punkt gebracht. Heute blicken wir auf spannende Erfahrungen zurück, weil der Ansatz richtig war, „aus der Region, in der Region und für die Region“ zu arbeiten. Das hat starke Potenziale geweckt und Netzwerke hinterlassen, in denen über das Jahr 2010 hinaus weiter gearbeitet werden kann. Ganz konkret bleiben die beiden Projekte Church Tours Ruhr, die auch 2011 gebucht werden können, und „Pilgern im Pott“. Der Pilgerweg kann anhand des im Handel erwerbbaren Pilgerbuchs weiterhin begangen werden. Die Nacht der offenen Gottes- und Gebetshäuser oder der „Engel der Kulturen“: Für den interreligiösen Dialog hat die Kulturhauptstadt wesentliche Impulse gegeben.
Was hätte man im Nachhinein - und da ist man ja gewiss immer klüger - anders gemacht?
Als zumeist ältester Kulturträger mit all seinen Potenzialen im öffentlichen Dialog mitzusprechen, ist für uns als Kirche noch ein ungewohntes Feld. Da gibt es Berührungsängste und Abgrenzungen, wo sie nicht nötig sind. In der Regel führt Zusammenarbeit zu gegenseitigem Respekt und zu einer Vernetzung in Bereiche, wo die eigenen Kontakte nicht hinreichen. Kulturarbeit ist darum immer auch auf allen Ebenen Öffentlichkeitsarbeit der Kirchen. Diese Zusammenhänge gilt es zu vertiefen, gerade als Ertrag unseres erfolgreichen Engagements der Kirchen bei der Kulturhauptstadt Ruhr.2010.
Was könnte man anderen Kirchen in künftigen Kulturhauptstädten empfehlen?
Keiner braucht bei Null anzufangen. Aber offensichtlich fängt jeder dort an. Was nötig wäre, ist eine europäische Vernetzung der kirchlichen Potenziale im Blick auf die jährlich neu ausgewählten Kulturhauptstädte, etwa ein Handbuch.