Haiti : Cholera erreicht Hauptstadt

Haiti : Cholera erreicht Hauptstadt
Die Cholera-Epidemie in Haiti hat nun auch die Hauptstadt Port-au-Prince erreicht. Dort starb erstmals ein Cholera-Kranker. Damit besteht die Gefahr, dass die Seuche außer Kontrolle gerät.

Die Cholera in Haiti droht außer Kontrolle zu geraten. In der bisher verschonten Hauptstadt Port-au-Prince starb nach Angaben des Gesundheitsministeriums am Dienstag der erste Cholera-Patient. Der wochenlange Abwehrkampf der internationalen Staatengemeinschaft nutzte nichts. In der Stadt Gonaîves im Norden starben nach Angaben des dortigen Bürgermeisters 31 Menschen an Cholera, ihre Leichen seien am Dienstag verbrannt worden, berichtete er dem Sender Radio Metropole am Mittwoch.

"Die Lage ist bald nicht mehr kontrollierbar"

Auch in Port-au-Prince hat sich die Lage erheblich verschärft. Die Teams der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen hätten in der Hauptstadt bereits mehr als 200 Menschen mit schwerem Durchfall behandelt, teilte die Organisation am Mittwoch mit und sprach vom "klinischen Symptom für Cholera". Die Behandlung erfolge daher nach den Richtlinien für diese Krankheit.

Die Cholera fordert in Haiti immer mehr Opfer. Nach einem Bericht der haitianischen Journalistenorganisation AlterPresse vom Mittwochabend stieg die Zahl der Toten im ganzen Land auf über 650. Mehr als 10.000 Infizierte seien seit dem Ausbruch der Seuche am 19. Oktober registriert worden, hieß es in dem Bericht, der sich auf jüngste Angaben des Gesundheitsministeriums beruft.

"Die Lage ist bald nicht mehr kontrollierbar", sagte der Direktor von Radio Metropole, Richard Widmaier, am Mittwoch. Innerhalb von fünf Tagen seien allein in den Straßen von Gonaîves 50 Leichen eingesammelt worden. Bürgermeister Saint Justin Pierre Louis habe um rasche sanitäre und medizinische Hilfe gebeten. Die Leichen müssten desinfiziert werden, bevor sie verbrannt würden. Für Port-au-Prince mit seinen mehr als drei Millionen Einwohnern ist dies eine große Gefahr, weil zwischen beiden Städten ein reger Verkehr herrsche, sagte Widmaier. "Wir befürchten, dass es nun gefährlich wird."

[listbox:title=Was ist Cholera?[Cholera ist eine bakterielle Erkrankung des Dünndarms und verursacht lebensgefährliche Durchfälle. Patienten können mehr als 20 Liter Wasser am Tag verlieren. Im Extremfall führt Cholera binnen weniger Stunden zum Tod durch Austrocknung, Nierenversagen und Kreislaufkollaps. Die meisten Menschen infizieren sich über Trinkwasser, das mit Fäkalien verschmutzt ist, oder über verunreinigte Lebensmittel. Sauberes Wasser mit Elektrolyten und Salzen, intravenöse Flüssigkeitsversorgung und Antibiotika können Cholera erfolgreich bekämpfen. Wasserdesinfektion durch Sonnenstrahlung hilft in wenig entwickelten Gegenden, der Cholera erfolgreich vorzubeugen (das SODIS-Verfahren).]]

In der Hauptstadt stand die Bestätigung für den Cholera-Erreger im Labor nach Angaben der Ärzte ohne Grenzen (MSF) noch aus. Gleichwohl gebe die Situation für die betroffenen Familien schon jetzt Anlass zu großer Sorge. In den Slums verfügen die Menschen weder über sauberes Wasser noch über Toiletten.

Hygienische Situation verschlechtert

Die Zahl der Verdachtsfälle in den vier medizinischen Einrichtungen von MSF habe seit dem Wochenende zugenommen. In diesen Zentren seien mehr als 300 Betten für die Behandlung von Cholera-Patienten reserviert worden. Der Leiter des Haiti-Einsatzes der Organisation, Stefano Zannini, sprach von einer alarmierenden Lage.

Im Norden von Haiti wurden seit dem Ausbruch der Krankheit am 20. Oktober nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits mehr als 8.000 Patienten mit Cholera-Symptomen behandelt und geheilt. Die hygienische Situation verschlechterte sich jedoch durch Überschwemmungen nach dem Hurrikan "Tomas" am vergangenen Wochenende.

Die Hauptstadt Port-au-Prince wurde im Januar von einem Erdbeben in Trümmer gelegt. Seitdem harrt ein großer Teil der Bevölkerung in Notunterkünften aus, in denen es aber sauberes Wasser und Toiletten gibt. Für mehrere hunderttausend Kinder, die dort und in den Armenvierteln lebten, werde jetzt jedoch die Cholera-Gefahr immer größer, warnte Unicef am Mittwoch.

dpa