Herr Präses, Sie sind von der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland mit 135 von 143 Stimmen zum Ratsvorsitzenden gewählt worden. Hat Sie dieses Ergebnis überrascht?
Schneider: Ich hatte auf ein gutes Ergebnis gehofft, aber das es so stark wird, hatte ich nicht zu träumen getraut. Ich bin sehr dankbar für dieses Ergebnis und empfinde es als ermutigend.
Sie haben nach der Wahl von einer absolvierten Probezeit als amtierender Ratsvorsitzender gesprochen, die vorbei ist. Wird jetzt die Handbremse gelöst?
Schneider: Bisher hatte ich nicht das volle Mandat. Ich bin stellvertretend eingetreten für Margot Käßmann. In dieser Zeit habe ich dafür gesorgt, dass die Alltagsgeschäfte laufen. Jetzt bin ich in der Situation, stärker eigene Akzente setzen zu können.
Bisher gelten Sie als ein Kirchenmann, der sich stark für soziale Fragen engagiert. Welche Themen werden Sie und mit Ihnen die EKD in den nächsten Monaten besetzen?
Schneider: Ich habe ja die liebevolle Bezeichnung "Sozialbischof" bekommen. Das ist in gewisser Weise richtig. Ich will aber deutlich machen, dass ich in erster Linie Bischof bin, auch wenn das bei uns im Rheinland Präses heißt. Alles was ich tue, tue ich aus meiner Bindung an das Evangelium. Deshalb ist mein erstes Bemühen, das Evangelium unter die Leute zu bringen und Menschen einzuladen, sich in ihrem persönlichen Leben diesem menschenfreundlichen Gott anzuvertrauen.
Was bedeutet das konkret für Sie?
Schneider: Für mich und für unsere Kirche bedeutet dies, dass wir Veränderungsprozesse begleiten. Uns ist es nicht egal, wie in dieser Welt politische oder wirtschaftliche Entscheidungen fallen. Wenn wir dies begleiten, soll es vor allem den Menschen gut tun, wie regiert wird und wie gewirtschaftet wird. Dafür werden wir eintreten.
In der EKD soll der Reformprozess weiterentwickelt werden. Was ist dabei vorrangig?
Schneider: Ich finde es sehr gut, dass Katrin Göring-Eckardt die Vorsitzende der Steuerungsgruppe geworden ist. Das signalisiert: Es ist auch eine Sache der Synode. Sie macht sich das zu eigen und steht dahinter. Wir müssen den Reformprozess verbreitern, er muss vor Ort ankommen in den Gemeinden, bei unseren Pfarrerinnen und Pfarrern. Sie dürfen die Reform nicht als eine Bedrohung empfinden, sondern als eine Einladung zum Mittun. Zum Zweiten besteht die Chance, diesen Reformprozess mit der Lutherdekade zu verbinden. Die inhaltlichen Aspekte der Reformation können dabei unser Handeln leiten.
Welche Erwartungen haben Sie an die Jahre bis 2017 und an das Jubiläum selbst?
Schneider: Ich habe die Hoffnung, dass es uns gelingt, Jahr für Jahr einzelne Aspekte der Reformation starkzumachen, damit eine logische Entwicklung hin zu 2017 erfolgt. Für die Menschen muss verstehbar werden, was Reformation damals bedeutet hat und was dies heute bedeutet.
Es gibt Stimmen, die fordern, das Reformationsjubiläum ökumenisch zu feiern. Wird 2017 ein evangelisches Jubiläum, oder wird die katholische Kirche einbezogen?
Schneider: Es wäre unvorstellbar, dass 2017 Ökumene nicht vorkommt. Ich halte das für dringend nötig. 1517 war ja ein Ereignis der damaligen römisch-katholischen Kirche. Luther wollte die Kirche nicht spalten.
Würden Sie es begrüßen, wenn 2017 ein Ökumenischer Kirchentag gefeiert wird?
Schneider: Das ist eine Frage, die in erster Linie der Kirchentag beantworten muss. Ich will dem Kirchentag nicht über die Öffentlichkeit Ratschläge geben.
Erzbischof Zollitsch hat Ihnen zur Wahl gratuliert und die ökumenische Verbundenheit unterstrichen. Wie geht es im evangelisch-katholischen Verhältnis weiter?
Schneider: Jetzt geht es darum, dicke Bretter zu bohren. Wir müssen mit den theologischen Differenzen in der Kirchenlehre und im Amtsverständnis auseinandersetzen. Bei vielen dieser Fragen weiß ich auch gar nicht, wie wir weiterkommen wollen. Aber eins liegt mir ganz besonders am Herzen: Das ist das gemeinsame Abendmahl für Paare, die konfessionsverbindender Ehe leben. Dass diese intimste Gemeinschaft, die Menschen haben, von der Kirche nicht als Gemeinschaft nachvollzogen wird, können viele nicht verstehen. Hier ist dringender Handlungsbedarf.
Als eine der Baustellen der evangelischen Kirche präsentiert sich aktuell das Diakonische Werk. Wie wichtig ist es für den gesamten Protestantismus, dass sich die Diakonie stark präsentiert?
Schneider: Diakonie und Kirche sind zwei Seiten ein- und derselben Medaille. Das ist tätiger Glaube. Ich bin Bischof Frank Otfried July sehr dankbar, dass er die Leitung des Diakonischen Rates übernommen hat und die jetzt fälligen Prozesse vorantreibt. Ich hoffe auch sehr, dass das Diakonische Werk in absehbarer Zeit wieder stärker dasteht.