Feste Schuhe und wasserdichte Kleidung sind heute die wichtigste Ausrüstung der fünf Männer, die im Auftrag der Biologischen Station Kreis Paderborn-Senne e. V. im Teutoburger Wald unterwegs sind. Rund 200 Vogel-Nistkästen und Fledermaus-Ruheplätze müssen sie im Forst nördlich des Senner Hellwegs in Bielefeld kontrollieren und säubern.
Seit Juli rücken bis zu acht behinderte Beschäftigte des Betheler Stiftungsbereichs proWerk dreimal in der Woche in Sachen Arten- und Naturschutz für die Biologische Station aus. In einem bundesweit einmaligen Kooperationsprojekt werden sie in unterschiedlichen Bereichen der Natur- und Landschaftspflege qualifiziert. Mittwochs sind sie für den Umweltbetrieb der Stadt Bielefeld im Einsatz. Dann geht es vor allem um die Gestaltung und den Erhalt von Straßenbegleitgrün sowie die Reinigung der 187 Kilometer Straßengräben in Bielefeld. Am Dienstag steht theoretischer Unterricht auf dem Programm. Die Schulungen orientieren sich an dem Curriculum für geprüfte Natur- und Landschaftspfleger.
Lothar Adorf, langjähriger proWerk-Mitarbeiter, koordiniert das Projekt. Gemeinsam mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter der Biologischen Station, Frank Ahnfeldt, leitet er die Beschäftigten bei dem Auftrag in der Senne an. Die Kästen müssen gereinigt werden, um sie von Parasiten zu befreien und um Platz für neue Nester zu schaffen. „Außerdem müssen wir dokumentieren, von welchen Tieren die Kästen zurzeit belegt sind. Das ist wichtig für den Artenschutz und künftige Forstarbeiten“, sagt Frank Ahnfeldt.
Zielstrebig gehen die Männer – aufgeteilt in zwei Teams – von Baum zu Baum. Thomas Ebeling, 27-jähriger Teilnehmer, orientiert sich in dem dicht bewachsenen und unübersichtlichen Nadelwald mit Hilfe einer speziellen Karte. Auf dem Papier sind alle Kästen mit Informationen zu den jeweiligen „Bewohnern“ des Vorjahres eingetragen. Ein „M“ steht beispielsweise für Meisenkasten, ein „Ho“ für Hornissen und ein „F“ für Fledermäuse. Ein „X“ bedeutet „vermisst“ oder „Kasten ist leer“.
Mit sicherem Tritt und mit Handschuhen und einem Spachtel bewaffnet besteigt Teilnehmer Volker Pottman die höhenverstellbare Leiter, die an einem Fichtenstamm lehnt. Frank Ahnfeld gibt dem 47-Jährigen vom Boden aus nützliche Tipps. „Passen Sie auf, dass Sie keine Vogelflöhe aus dem Kasten anspringen!“, warnt der Anleiter. Volker Pottmann muss lachen, obwohl er weiß, dass der Hinweis durchaus ernst gemeint ist.
Auf etwa zweieinhalb Meter Höhe hängt der zylinderförmige Holzkasten, der auf Thomas Ebelings Karte mit einem „M“ für Meise gekennzeichnet ist. Volker Pottmann kann aber keinen prüfenden Blick in das Innere werfen. Die kleine Öffnung im Meisenkasten ist mit Erde verschlossen. „Das war vermutlich ein Kleiber“, ruft er hinunter.
Die Teilnehmer des zweijährigen Projekts „Qualifikation in der Natur- und Landschaftspflege“ lernen viel über die Tier- und Pflanzenwelt. Sie sammeln Materialien wie Federn oder Insektenflügel vom Waldboden und aus den Nistkästen. An ihrem Treffpunkt im Quellenhofweg fotografieren und studieren die jungen Männer ihre Funde gemeinsam mit Lothar Adorf.
Volker Pottmann und Thomas Ebeling sind begeistert von dem Projekt. Beide haben wegen ihrer Beeinträchtigungen derzeit keine Möglichkeit, auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Anstellung zu finden. Das Projekt soll ihnen den Übergang von der Werkstatt für behinderte Menschen auf den Arbeitsmarkt erleichtern. Nach einem erfolgreichen Projekt-Abschluss will Bethel proWerk einen dauerhaften Berufsbildungs- und Arbeitsbereich für bis zu 16 Menschen einrichten.
Fast alle Nistkästen haben die Männer im Forst leer vorgefunden. Am Kasten Nummer „205“, Typ „F“, will Lothar Adorf selbst die Leiter besteigen und das Fledermaus-Zuhause begutachten. Vorsichtig leuchtet er mit einer Taschenlampe in das Gehäuse: Vom Schein geblendet blinzelt ihn eine verschlafene Fledermaus an, die kopfüber in dem Kasten hängt. Thomas Ebeling trägt auf seinem Dokumentationsbogen ein „B“ ein – für „besetzt“.