Sind die Auslöser für Alzheimer bekannt?
David Prvulovic: Es gibt familiäre Formen der Alzheimer-Demenz, die sehr früh auftreten und vererbt werden. Diese Fälle sind aber äußerst selten und spielen in der breiten Praxis eine untergeordnete Rolle. Die häufigste Form ist die sporadische Demenz, die nach dem 65. Lebensjahr auftritt. Für diese „Senile Demenz“ gibt es keinen eindeutigen Auslöser. Jedoch sind mittlerweile zahlreiche Risikofaktoren bekannt: Der größte Risikofaktor ist das Alter. Zwischen 60 und 65 Jahren beträgt die Häufigkeit der Alzheimer-Demenz cirka ein Prozent. Im Alter von 85 bis 90 Jahren steigt die Häufigkeit auf 35 bis 40 Prozent. Außerdem schadet alles, was den Gefäßen schadet, auch dem Gehirn. Wenn sie schon im mittleren Lebensalter, zwischen 30 und 50 Jahren, hohen, unbehandelten Blutdruck haben, dann können sie dadurch ihre Gefäße, auch im Gehirn, so weit schädigen, dass dadurch ihr Demenzrisiko später erheblich ansteigt.
Wie kann man vorbeugen?
Prvulovic: Wenn sie sich wenig bewegen oder ungesund ernähren, dann erhöhen sie ihr Risiko, später im Leben an einer Demenz zu erkranken. Umgekehrt kann man sagen, dass eine ausgewogene, mediterran orientierte Ernährung mit viel frischem Obst, Gemüse, Nüssen, Olivenöl und Vollkornprodukten einen nachgewiesenen Schutzfaktor darstellt. Außerdem konnte ein Lebensstil, der durch sehr viel körperliche wie auch geistige Aktivität gekennzeichnet ist, als Schutzfaktor identifiziert werden, der das Demenzrisiko, deutlich und nachhaltig senken kann. Mit anderen Worten: man kann einige Dinge selbst beeinflussen und damit selbst proaktiv präventiv tätig werden.
Was passiert bei Alzheimer im Gehirn?
Prvulovic: Grundsätzlich ist Alzheimer eine neurodegenerative Erkrankung. Das bedeutet, dass es zu einem schleichenden Untergang von Nervenzellen kommt. Zudem sterben die Verknüpfungen zwischen den Nervenzellen langsam ab. Die Verknüpfungen sind bildlich gesprochen die Autobahnen, und Kreuzungen zwischen den verschiedenen Schaltzentren im Gehirn. Werden diese Verknüpfungen getrennt, arbeiten die verschiedenen Hirnareale nicht mehr optimal zusammen, was wiederum zu zunehmenden kognitiven Störungen beiträgt. Typischerweise geht der Untergang von Nervenzellen und ihren Verbindungen bei der Alzheimer-Demenz mit bestimmten Eiweißablagerungen im Gehirn einher, den so genannten Amyloid-Plaques und den neurofibrillären Bündeln, die man mit speziellen Färbetechniken unter dem Mikroskop erkennen kann.
Ab wann ist man noch vergesslich und wann spricht man von Alzheimer?
Prvulovic: Um eine Demenzdiagnose zu stellen, muss zunächst eine Störung des Gedächtnisses vorliegen und darüber hinaus auch eine Störung weiterer kognitiver Funktionen, wie zum Beispiel der Sprache, der Orientierung oder des Rechnens. Diese Einschränkungen müssen zudem über mindestens sechs Monate bestehen und so stark ausgeprägt sein, dass es zu einer empfindlichen Störung im Alltag kommt und man als Betroffener dadurch nicht mehr in der Lage ist, zum Beipspiel seiner gewohnten Arbeit nachzugehen oder den Haushalt in gewohnter Weise selbständig zu führen. Wenn alle diese Bedingungen erfüllt sind, dann spricht man von einem Demenz-Syndrom.
Wie kann Alzheimer behandelt werden?
Prvulovic: Es gibt Medikamente, die den Botenstoff Acetylcholin im Gehirn erhöhen, der im Rahmen der Alzheimer-Erkrankung reduziert ist. In einem gesunden Gehirn wird ständig der Botenstoff Acetylcholin gebildet, ausgeschüttet und auch wieder abgebaut. So herrscht ständig ein Gleichgewicht. Dieses Gleichgewicht ist sehr wichtig für die Signalübertragung in Gehirnbereichen, die für Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsprozesse zuständig sind. Bei der Alzheimer-Demenz herrscht ein Mangel an diesem Botenstoff und damit ein Ungleichgewicht. Medikamentös kann man den Abbau von Acetylcholin hemmen, indem man das abbauende Enzym, die Cholinesterase, hemmt. Auf diese Weise verbessert sich die Gehirnleistung. Den Funktionsausfall bereits abgestorbener oder geschädigter Nervenzellen kann das Gehirn eine Zeit lang kompensieren, in dem benachbarte oder weiter weg liegende Nervenzellverbände umso stärker arbeiten. Vergleichen kann man dies mit einem Ruderteam: Verletzt sich ein Ruderer, dann müssen die anderen stärker rudern, um den Ausfall des Kollegen wettzumachen. Patienten, die eine milde bis mittelgradige Form der Alzheimer-Demenz haben und die solche Medikamente bekommen, können ihre Gehirnleistung über sechs bis zwölf und manchmal auch mehr Monate stabilisieren. In dieser Zeit kommt es nicht zu einem so starken Abfall der kognitiven Leistung, wie es ohne das Medikament in der Regel passieren würde. Allerdings, und das muss man ehrlicherweise zugeben, scheinen sich nach dieser Zeit die Kompensations-Reserven im Gehirn dann doch zu erschöpfen, so, dass die kognitive Leistung danach wieder im gleichen Tempo abnimmt, wie bei Patienten ohne Behandlung. Aber man hat wertvolle Monate, vielleicht auch Jahre an Lebensqualität gewonnen.
Was kann man selber für betroffene Angehörige tun?
Prvulovic: Gerade bei Menschen mit ausgeprägter Alzheimer-Erkrankung ist eine möglichst breit gefächerte Aktivität im Alltag hilfreich. Das ist besser als der Versuch, einen stark eingeschränkten Patienten zu zwingen, schwierige Kreuzworträtsel zu lösen, die bei ihm nur Stress auslösen würden, was wiederum Nachteile für das Gehirn mit sich bringt. Sehr vorteilhaft ist es, mit diesen Leuten möglichst aktiv zu sein und Dinge zu unternehmen, die den Betroffenen auch Freude bereiten: mit ihnen raus zu gehen, z.B. Museen zu besuchen, Lieder zu singen, sich mit ihnen zu unterhalten oder zu spielen. Im Grunde genommen sind dies Dinge, die intuitiv auch in vielen guten Betreuungseinrichtungen gemacht werden. Das Schlimmste, was man einem Demenzkranken antun kann, ist, dass man ihn alleine lässt, und er so lange an eine Decke starrt, bis mal ein Zivi kommt und ihm etwas zu essen bringt. Dies wäre die beste Methode, um den Hirnabbau massiv weiter zu beschleunigen. Bei beginnender Demenz kann ein angepasstes Training im Umgang mit Informationen, wie zum Beispiel Notizzetteln, hilfreich sein. Bei Menschen mit noch sehr leichten Gedächtnisbeeinträchtigungen haben sich spezielle Programme, in denen Lernstrategien vermittelt werden, gut bewährt. Solche Programme werden von Psychologen oder Ärzten, z.B. im Rahmen von Gedächtnisambulanzen, angeboten.