Zweistellige Zinssätze passten aber nicht zum anhaltenden Tiefstand des Leitzinses, den die Europäische Zentralbank (EZB) in der Finanzkrise von 4,25 Prozent bis auf ein Prozent absenkte. Zuletzt bestätigten die Währungshüter Anfang September das Rekordtief. Gerade kleinere Regionalinstitute langten bei Dispozinsen kräftig zu. Verbraucherschützer forderten gesetzliche Konsequenzen. Auch die Bündnisgrünen waren in einer eigenen Stichprobe zu ähnlichen Ergebnissen gekommen.
Die Geldinstitute müssten sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie ihre eigenen Zinsvorteile nicht an die Kunden weitergeben, sagte Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur der Zeitschrift "Finanztest". Sie veröffentlicht die Auswertung in ihrer Oktober-Ausgabe. Dagegen seien Zinsen für Tagesgeld und Festgeld rasch herabgesetzt worden. Der Verbraucherzentrale-Bundesverband monierte, es habe den Anschein, dass Banken den Dispozins als Sanierungsprogramm betrachteten, um Verluste der Krise wieder auszugleichen. Nötig sei eine gesetzliche Begrenzung der Gewinnmarge zwischen Überziehungszinsen für die Kunden und den Zinsen, zu denen die Banken sich selbst Geld beschaffen.
Insgesamt ermittelte die Stiftung Warentest Zinssätze zwischen sechs und knapp 17 Prozent. Demnach verlangen derzeit 21 Institute mehr als 14 Prozent. Kleine Regionalinstitute seien darunter stark vertreten. Dies treffe Kunden in ländlichen Regionen besonders, die bei ihrer Filialbank bleiben möchten. Jeder Prozentpunkt an Zinsen koste Nutzer von Dispokrediten bis zu 416 Millionen Euro im Jahr.
Aigner appelliert an Banken
Die Branche verwies darauf, dass Dispokredite besonders flexibel und die Zinsen daher höher seien als bei anderen Privatkrediten. Überziehungskredite vom Girokonto seien aber nur als Überbrückung für kurze Zeit gedacht, erklärte der Zentrale Kreditausschuss (ZKA) als Dachorganisation von Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken.
Zu ähnlichen Ergebnisse wie die Stiftung Warentest waren zuvor auch die Bündnisgrünen. Fürs Überziehen des Kontos müssen Kunden demnach mindestens 7,99 Prozent und teils bis zu 17 Prozent zahlen, wie ihre Stichprobe bei 33 Geldinstituten ergab. Angemessen wären angesichts eines Leitzinses von derzeit 1,0 Prozent für die Geldbeschaffung bei der Europäischen Zentralbank (EZB) höchstens sechs Prozent, monierten die Grünen. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) ermahnte die Branche, Zinssenkungen auch an die Kunden weiterzugeben.
"Banken dürfen sich nicht auf Kosten der Verbraucher sanieren", sagte Aigner. Die Institute könnten nicht einerseits die Vorteile der erheblichen Zinssenkungen einkassieren, andererseits aber die Kunden mit teuren Dispokrediten im Regen stehen lassen. Zinsen von bis zu 17 Prozent seien nicht begründbar. Die Banken sollten ihre Zinspolitik überdenken und sich dabei fair verhalten.
Grüne fordern Prüfung durch Kartellamt
Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn kritisierte: "Mit den Dispozinsen wird seit Jahren das große Geld gemacht." Die Grünen forderten eine kartellrechtliche Prüfung der Praktiken. Zudem solle ein gesetzlicher Referenzzinssatz eingeführt werden, der nur in bestimmten Grenzen überschritten werden dürfe.
Der Grünen-Stichprobe zufolge werden für geduldete Überziehungen über den Disporahmen hinaus teils sogar bis zu 19,25 Prozent Zinsen verlangt. Manche Banken hätten ihre Dispo-Zinssätze über Jahre nicht verändert.
Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen kündigte wegen zu hoher Dispo-Zinsen Klagen gegen die Targobank und die Sparda Bank Münster an. Die Targobank verlange bis zu 17 Prozent Zinsen. Der durchschnittliche Zins für Dispokredite liege deutschlandweit bei rund elf Prozent. Die Verbraucherzentrale hält derzeit um die sieben Prozent für angemessen. Die beiden Banken wiesen die Vorwürfe zurück. Es gebe unterschiedliche Konto-Modelle bei der Targobank, sagte eine Sprecherin. Die Hälfte der Kunden benutze eines mit einem Dispo-Zinssatz von 9,74 Prozent. Die Sparda Bank Münster erklärte, die Dispo-Zinssätze seien im bundesweiten Vergleich nicht besonders hoch.