Die Polizei hat am Donnerstagnachmittag die Besetzung des Nordflügels des Stuttgarter Hauptbahnhofs beendet. Die sieben Demonstranten wurden mit Händen auf dem Rücken von Spezialeinheiten vom Dach des Gebäudes heruntergeführt. Die Aktivisten hatten am Mittwochnachmittag zu Beginn der Hauptabrissarbeiten das Dach erklommen und seither ihren Platz nicht verlassen. Wegen ihres Protests gegen das milliardenteure Bahnprojekt Stuttgart 21 mussten die Arbeiten am Seitenflügel des alten Bahnhofs ruhen.
"Die Abrissarbeiten müssen solange ruhen, wie die Personen auf dem Dach sind", erklärte eine Polizeisprecherin. Der Bagger arbeite nicht weiter, weil keine Personen gefährdet werden sollen. Die Gegner des Bahnprojekts kündigten für den Tag weitere Proteste und eine Dauerblockade der Baustelle an. Die Gegner wollen dort ausharren bis Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) den Abriss stoppt.
Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech (CDU) kritisierte die Form der Proteste scharf. Er forderte die Besetzer auf, sofort das Dach zu verlassen. "Es geht auch nicht, dass Züge behindert, Rettungskräfte gestört, Straßen blockiert und die Innenstadt lahmgelegt wird", erklärte er. "Das hat nichts mehr mit demokratischem Protest zu tun, hier werden die Grenzen eindeutig überschritten." Die Gegner müssten die demokratischen Entscheidungen akzeptieren und einsehen, dass der Protest viel zu spät komme, Unfrieden und Zwietracht säe.
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Einer der Initiatoren des Protestes gegen das Milliarden-Bahnprojekt, Fritz Mielert, kündigte eine Dauerblockade mindestens bis Freitag an. Mit einer Sitzblockade sollen Demonstranten Lastwagen daran hindern, auf das Gelände zu fahren. Es sollen noch andere nicht näher genannte Aktionen in den nächsten Tagen folgen. Für Freitagabend war zudem eine Großdemonstration mit Menschenkette um den nahe gelegenen Landtag geplant.
Im Bahnhof hinderten am Mittwochabend Demonstranten für rund eine Stunde einen TGV-Schnellzug in Richtung Paris an der Abfahrt. Die Bundespolizei sperrte aus Sicherheitsgründen die daneben liegenden Gleise ab. Es kam zu Verspätungen im Bahnverkehr. Zudem gab es in der Stadt zahlreiche Staus durch Blockaden an drei großen Kreuzungen und zwei Bundesstraßen.
Polizisten fühlten sich bedrängt
Nach Ansicht der Polizei haben die Proteste am Mittwoch "ihren friedlichen Charakter verloren". Feuerwehr und Rettungskräfte seien behindert und bedrängt sowie Besucher eines Weinfestes mit Eiern beworfen worden. Zudem seien aus Gruppen von Straßenblockierern Flaschen geflogen. "Dies hat mit verständlichen Protesten sowie zivilem Ungehorsam bei weitem nichts mehr zu tun", klagte Polizeipräsident Siegfried Stumpf.
Die Initiatoren der Proteste weisen die Vorwürfe zurück. "Generell versucht die Politik uns über die Polizei zu kriminalisieren", sagte Matthias von Herrmann, Sprecher der sogenannten Parkschützer. Alles sei friedlich geblieben. Nach seinen Angaben demonstrierten am Mittwoch rund 12.000 Menschen in der Stadt, die Polizei sprach von 6.000. Am Donnerstagmorgen harrten immer noch "ein paar hundert Demonstranten" aus, wie ein Sprecher sagte.
Bei dem 4,1 Milliarden Euro teuren Vorhaben wird der Kopfbahnhof in eine unterirdische Durchgangsstation umgewandelt, mit einem unterirdischen Ring an die Zulaufstrecken und mit einem Tunnel an den Flughafen und die Schnellbahnstrecke nach Ulm angebunden. Seit Wochen protestieren tausende Menschen gegen das Milliardenprojekt. Am Mittwochabend sogar auch in New York: Knapp zehn Deutsche demonstrierten mit Trillerpfeifen und Gegröle auf dem Times Square gegen das Bauvorhaben.