Die Wiederauferstehung einer Währung

Die Wiederauferstehung einer Währung
Im Mai wurde noch heftig über das Ende der Einheitswährung spekuliert, der Kurs sackte immer tiefer. Inzwischen hat sich der Euro erholt - fast so, als hätte es die Krise nie gegeben. Die deutsche Industrie freut das nicht.
06.08.2010
Von Harald Schmidt und Matthias Armborst

Der Euro ist wieder stark. Noch vor wenigen Wochen war die Angst groß, die Schuldenkrise könne die Euro-Zone sprengen. Der Euro schien ins Bodenlose zu fallen, bis er im Mai bei 1,18 Dollar aufschlug - dem tiefsten Stand seit vier Jahren. "Scheitert der Euro, dann scheitert Europa", warnte Bundeskanzlerin Angela Merkel - und warb für das historisch einmalige 750-Milliarden-Rettungspaket für Schuldensünder.

"Dies war die Zeit der größten Verunsicherung, als alles Übel über Euro-Land ausgeschüttet", sagt Holger Bahr, Chefvolkswirt der Deka-Bank. Doch selbst in der bisher tiefsten Währungskrise im Mai sei der Kurs nicht komplett abgestürzt: "Es gab keinen freien Fall auf historische Tiefststände von gut 80 Cent. Internationale Anleger haben das Vertrauen in die Euro-Zone nie verloren, was ein sehr gutes Zeichen ist."

Krisenländer fuhren ihre Defizite zurück

Eine Kette positiver Nachrichten habe dem Euro dann Auftrieb verliehen: "Griechenland, Spanien, Portugal und Irland haben Ausgabensenkungen, Steuererhöhungen und Rentenreformen durchgesetzt. Die Länder haben ihre Defizite zurückgefahren und zeigen damit, dass ihre Wirtschaft tatsächlich auf dem richtigen Pfad ist." Zudem gab es gerade in Deutschland eine Reihe positiver Überraschungen bei den Konjunkturindikatoren, betont Bahr: "Plötzlich zeigte sich, dass Deutschland doch recht gut da steht. Das hat dem Euro auf jeden Fall geholfen."

Gleichzeitig belasteten eher negative Überraschungen aus den USA den Dollar und ließen den Euro schnell klettern, sagt der Experte: "Es gab eine Fülle von Meldungen aus Krisenländern, aus den Banken und von der Konjunktur, die in die gleiche Richtung gewirkt haben. Deshalb waren die Marktbewegungen schneller und stärker, als wir im Vorfeld gedacht hatten."

Exportwirtschaft ist skeptisch

Skeptisch beobachtet die exportabhängige deutsche Wirtschaft die Euro-Wiederauferstehung. Nach der schlimmsten Rezession der Nachkriegsgeschichte 2009 geht es nun wieder bergauf - getrieben von den Ausfuhren. Auch dank des stetigen Euro-Kursverfalls von über 1,50 auf unter 1,19 Dollar gewann der Aufschwung an Tempo: Denn deutsche Produkte wurden dadurch auf den vom Dollar dominierten Weltmärkten relativ billiger.

Noch sieht Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), die deutschen Autobauer weiter im Aufwind: "Mit dem aktuellen Kurs kommt die deutsche Automobilindustrie zurecht. Wünschenswert wäre sicher eine größere Stabilität an den Währungsmärkten." Hersteller wie BMW, Mercedes oder Audi hatten zuletzt herausragende Geschäfte gemeldet - nicht zuletzt dank des Nachfragebooms in China oder den USA.

"Gewohnt, dass der Euro überbewertet ist"

Auch andere große Industriebranchen, die ihr Geld vor allem im Ausland verdienen, sehen die Schmerzgrenze noch nicht wieder erreicht. "Wir spüren vom Wechselkurs wieder Gegenwind. Aber wir sind es gewohnt, dass der Euro überbewertet ist", sagt der Konjunkturexperte des Verbands der Maschinenbauer (VDMA), Olaf Wortmann. Die Schlüsselbranche sei auch mit einem Euro-Kurs von 1,50 Dollar zurechtgekommen, der Aufschwung werde noch nicht belastet.

Als der Euro seinen Tiefpunkt erreicht hatte, jubelte die deutsche Elektroindustrie besonders laut. Nach dramatischen Einbrüchen im Krisenjahr 2009 beflügelte die Verbilligung deutscher Güter die ohnehin anziehende globale Nachfrage. Noch hält sich die Freude in der Branche, die Geschäfte brummen. Der gestiegene Wechselkurs belastet den Aufschwung in der Branche nicht, betont ZVEI- Chefvolkswirt Andreas Gontermann: "Wir sind noch weit weg von einem Kurs über 1,50 Dollar, der wehtun könnte."

Wirtschaftlicher Schmerz nimmt zu

Und ein solcher Kurs bleibt in weiter Ferne: "Der Aufwärtstrend ist im Wesentlichen durch, denn der wirtschaftliche Schmerz im Euroraum nimmt wieder zu", sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Anders die USA: Zwar hätten die US-Konjunkturdaten zuletzt enttäuscht - "die Wachstumsprognose dort liegt mit 2,8 Prozent aber noch immer in einem Bereich, von dem Europa träumen würde."

Konkret sieht die Commerzbank-Prognose so aus: Am Ende des dritten Quartals steht der Euro bei 1,31 Dollar und zum Jahresende bei 1,28 Dollar - der Kurs dürfte sich also eine ganze Weile seitwärts bewegen. "Musik kommt erst Mitte 2011 wieder rein, wenn sich die US-Konjunktur gefangen hat und die Fed sich traut, über eine Leitzinserhöhung nachzudenken." Erst dann dürfte der Euro wieder auf 1,20 Dollar abrutschen.

dpa