Wenn die Kirchen bestimmte Leistungen nicht mehr erbringen könnten, müsse der Staat sie selbst finanzieren. Für einen Schüler an einer Schule in kirchlicher Trägerschaft bringe der Staat ein Drittel weniger auf als an einer staatlichen Schule, sagte Müller und warnte vor "populistischer Stimmungsmache gegen die Kirche".
Laut "Spiegel" gibt es in einigen Bundesländern, darunter Schleswig-Holstein, Niedersachen und dem Saarland, Bestrebungen, mit den Kirchen über eine Kürzung der Zahlungen zu verhandeln. So forderte der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki, die vertraglich vereinbarten Zuwendungen des Bundeslandes an die Kirchen um zehn bis 15 Prozent zu senken. Die Landesregierung von Schleswig-Holstein will nach den Sommerferien Gespräche mit der nordelbischen Kirche über die Zuzahlungen führen.
"Die Sache verhält sich umgekehrt"
In Wirklichkeit gebe es gar keine Leistungen des Staates an die Kirchen, sagte Bischof Müller. "Die Sache verhält sich umgekehrt. Es gibt Leistungen der Kirche oder kirchlichen Einrichtungen im schulischen oder sozialen Bereich für die Allgemeinheit, die vom Steuerzahler mittels des Staates refinanziert werden." Es sei "keineswegs so, dass die Kirchen wie in einem vordemokratischen Obrigkeitsstaat privilegiert oder alimentiert werden".
Fast alle Bundesländer zahlen an die beiden großen Kirchen jährliche Dotationen, die in Staatskirchenverträgen geregelt sind. In diesem Jahr sind laut "Spiegel" in den Haushaltsplänen der Länder insgesamt 459 Millionen Euro an Kirchenzuschüssen veranschlagt. Die jährlichen Dotationen sind unter anderem als Entschädigung für Anfang des 19. Jahrhunderts enteigneten Kirchenbesitz gedacht.
Rechtswidrige Enteignung der Kirchen
Müller sagte, die "rechtswidrige Enteignung des Kirchengutes und die Zerstörung des gesamten katholischen Bildungssystems" im Zuge der Säkularisation 1803 sei "die Gesellschaft seinerzeit teuer zu stehen gekommen". Die für die Verluste vereinbarten Entschädigungsleistungen nannte er "sehr gering". Der heutige demokratische Staat "als Rechtsnachfolger der damaligen absolutistischen Fürstenstaaten zu Beginn des 19. Jahrhunderts" ziehe noch viel Gewinn aus den übernommenen Kirchengütern.
Der hessische Regierungssprecher Dirk Metz sagte am Mittwoch dem Evangelischen Pressedienst (epd), die Baulastverpflichtungen des Landes für kirchliche Gebäude seien bereits um 1960 abgelöst und von den Kirchen übernommen worden. Allein für vier kulturhistorisch bedeutsame Kirchen, den katholischen Limburger und den Fuldaer Dom sowie die evangelische Elisabethkirche und die Universitätskirche in Marburg, bringe das Land derzeit 430.000 Euro im Jahr auf.
Die Kirchenbaulasten der hessischen Kommunen sind durch einen Vertrag mit den Kirchen im Jahr 2003 abgelöst worden. Land und Kommunen verpflichteten sich, innerhalb von zehn Jahren maximal 150 Millionen Euro auszuzahlen. Die Kirchen verzichteten nach Angaben von Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) im Gegenzug auf die Hälfte der kalkulierten Kosten bei Kirchen und drei Viertel der Kosten bei Pfarrhäusern, insgesamt 165 Millionen Euro, und übernahmen die Baulasten.