Sparbeschlüsse: Käßmann wähnt sozialen Frieden in Gefahr

Sparbeschlüsse: Käßmann wähnt sozialen Frieden in Gefahr
Ex-Bischöfin Margot Käßmann sieht den sozialen Frieden in Deutschland in Gefahr, wenn viele Menschen immer ärmer werden. Sie kritisierte das jüngst beschlossene Sparpaket der Bundesregierung. Außerdem tritt Käßmann für eine Abschaffung der Wehrpflicht ein.

Ex-Bischöfin Margot Käßmann hat sich für eine Abschaffung der Wehrpflicht ausgesprochen. Wenn von den jungen Männern weniger als die Hälfte Wehr- oder Zivildienst leisten, könne von Wehrgerechtigkeit keine Rede mehr sein. "Unter den jetzigen Umständen macht eine Freiwilligenarmee wesentlich mehr Sinn", sagte Käßmann in einem epd-Interview.

Kritik an Militäreinsatz bekräftigt

Um den Wegfall des Zivildienstes auszugleichen, müssten aus Sicht der ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland die Freiwilligendienste attraktiver werden und mehr Vollzeitstellen im Sozialwesen geschaffen werden. "Das Geld, das für die bürokratische Organisation von Zivil- und Wehrdienst ausgegeben wird, sollte besser an die sozialen Träger fließen, um Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen", sagte die 52-Jährige. Die Präsidentin der Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer hält eine allgemeine Dienstpflicht für absurd. "Sie können in ein Altenheim nicht junge Leute stellen, die sagen: Ich habe keinen Bock", sagte Käßmann. Das wäre unzumutbar für die Hilfsbedürftigen.

Scharfe Kritik äußerte die ehemalige hannoversche Landesbischöfin am Sparpaket der Bundesregierung. "Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander", sagte Käßmann. Es dürfe nicht sein, dass gerade Hartz-IV-Familien und Wohngeldempfänger belastet werden. "Der soziale Frieden ist in Gefahr, wenn viele Menschen immer ärmer werden."

Käßmann bekräftigte in einem der ersten Interviews nach ihrem Rücktritt ihre Kritik am Militäreinsatz in Afghanistan. Ihre öffentlich teils scharf kritisierte Neujahrspredigt mit dem Satz "Nichts ist gut in Afghanistan" würde sie jederzeit wiederholen. "Dass die Kirche zum Frieden ruft, ist doch überhaupt nicht überraschend", sagte sie. Es freue sie, dass Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) inzwischen davon spreche, dass die Predigt eine wichtige Diskussion angestoßen habe.

Nicht nur auf Zahlen fixiert sein

Im Gespräch warnte Käßmann außerdem die evangelische Kirche vor einer "Theologie des Erfolges". "Die Kirche darf sich nicht in ökonomische Zwänge drücken lassen und nur noch auf Zahlen fixiert sein. Auch wenn nur 15 Gottesdienstbesucher in der Kirche waren, macht das Sinn", sagte Käßmann in einem epd-Interview.

"Wir werden in diesem Land eine relevante evangelische Kirche bleiben, auch wenn die Umstände sich verändern werden", sagte die 52 Jahre alte Theologin. Eine Kirche dürfe keine Angst vor Veränderung haben, müsse sich ihr Gottvertrauen bewahren. "Auch die Institution Kirche braucht Glaubenszuversicht", sagte Käßmman, die im Februar als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und hannoversche Landesbischöfin zurückgetreten war. Sie zog damit die Konsequenz aus einer Alkoholfahrt am Steuer ihres Dienstwagens.

Nach Käßmanns Worten muss die Amtskirche aufpassen, dass sie nicht so wahrgenommen wird wie eine bürokratische Behörde. "Die Kirche wird immer auch davon leben, dass es Kantiges und nicht Eingliederbares gibt. Wenn wir sagen, der Heilige Geist bewegt die Kirche, dann muss es auch möglich sein, gegen den Strich zu bürsten", sagte die Theologin.

Studienaufenthalt in den USA

Ungeachtet der Probleme sieht Käßmann ihre eigene berufliche Zukunft in der Amtskirche: "Ich habe eine große Liebe zu dieser Kirche, und ich sehe mich auch weiter in ihrem Dienst und nicht irgendwo auf einem Gleis daneben." Sie wolle sich "auf keinen Fall gegen die Institution Kirche ausspielen lassen oder einen Dissidenten-Status haben".

Eine Kandidatur für das Amt der Bundespräsidentin sei für sie nicht infrage gekommen: "Im Moment will ich lieber drei Schritte aus der Öffentlichkeit zurücktreten. Und das Amt der Bundespräsidentin erfordert eine enorme öffentliche Präsenz und Verantwortung."

Im August geht Käßmann zu einem viermonatigen Studienaufenthalt in die USA. Welche Aufgaben sie danach übernimmt, sei noch nicht entschieden.

Käßmann hatte im Februar alle kirchlichen Leitungsämter niedergelegt und damit die Konsequenz aus einer Alkoholfahrt am Steuer ihres Dienstwagens gezogen. Im August geht sie zu einem viermonatigen Studienaufenthalt in die USA. Nach eigenen Worten hat sie über ihre weitere berufliche Zukunft noch nicht entschieden.

epd