Zu Hause in den USA sind Switchfoot eine berühmte Band. Alben hoch oben in den Billboard-Charts, Arena-Tourneen, Videos auf MTV. Sänger Jon Foreman gilt als einer der großen Poeten der Szene, ist von der Aura des außergewöhnlichen Künstlers umgeben. Amerika weiß: Foreman ist Christ. Vor fünfzehn Jahren begann die Band innerhalb der frommen Welt ihre Karriere, wurde einige Alben lang vor allem dort wahrgenommen. Doch Switchfoot sind zu groß für das enge Korsett der christlichen Musikszene der USA, die eindeutige Texte einfordert und Grauschattierungen mit Verkaufsrückgängen bestraft.
Das ist die Crux in den USA und manchmal auch hier bei uns: Während gläubige Bäcker einfach nur Brötchen backen, sind christliche Musiker immer gleich Missionare, die – böse gesagt – eine Art Parteikunst zu liefern haben. "Wir haben den Gläubigen mit der Entwicklung des christlichen Ghettos in den USA einen sehr schlechten Dienst erwiesen", kritisiert Foreman, "der christliche Glaube wird als eine Art Stempel benutzt. Wer den Stempel hat, ist für die ganze Familie sicher. Aber es gibt keinen sicheren Ort – es gibt Kampf und Ungewissheit und Stürme. Wir können nicht bestimmen, wann sie kommen, aber wir müssen ihnen ins Gesicht sehen. Damit hat unsere postmoderne Gesellschaft ein großes Problem."
Parteikunst oder künstlerische Freiheit?
Ghetto: Ein böses Wort, mit dem nicht nur Foreman die christliche Musikszene der USA kritisch beschreibt. Eigene Plattenfirmen, eigenen Medien, eigene Auftrittsorte, ein eigener Grammy – christliche Musik ist eine klar abgegrenzte Welt und mit Country und HipHop der größte Binnenmarkt in Nordamerika. Noch immer geht ein Großteil der US-Amerikaner Sonntags in die Kirche, entsprechend viele Kids wachsen mit Sonntagsschule, Jungschar und Jugendgruppe auf. Die Musik beschallt das zur kulturellen Norm gehörende Glaubensleben, und entsprechend braucht es eigene Bands, eigene Inhalte, eigene Strukturen zur Marktbedienung.
Wer sich der Szene verschreibt, ist nicht mehr ganz frei in seinem künstlerischen Ausdruck, sondern hat eine Art Versorgungsauftrag: Kirchliche Musik reflektiert biblische Inhalte, bestärkt den Gläubigen auf seinem Glaubensweg und bietet das Pendant zur weltlichen Unterhaltungsindustrie. Unter christlichen Musikern gibt es den Witz des jpm-Quotienten, Jesus-per-minute: Ist er hoch, ist die Gemeinde zufrieden. „Wenn man gläubige Künstler zwingt, Erwartungen zu erfüllen, saugt man ihnen das Leben aus“, sagt Foreman, „heraus kommt eine stumpfe, schreckliche Kunst, die nichts bedeutet.“ Entsprechend suchen Künstler, die mehr wollen, als innerhalb der Gemeinden aktiv zu sein, nicht selten das Weite.
In der deutschen Pressemeldung zu Switchfoots neuem Album, „Hello Hurricane“, das in Deutschland bei einer der großen Plattenfirmen erscheint, weist nichts auf Herkunft und Glaubensüberzeugung der Band hin. Ein bewusster Schritt? Nein, sagt Foreman, er habe diese Kategorien längst hinter sich gelassen. Und weiß vermutlich trotzdem, dass ein klares Bekenntnis bei europäischen Medienvertretern zu einer vorschnellen Sortierung führen würde. „Es arbeitet gegen dich, wenn du dich in den Medien zu eindeutig äußerst“, gibt Foreman zu, „am Ende steckst du in einer Schublade, und der Dialog – der künstlerische, musikalische, der mit dem Publikum – kann nicht mehr stattfinden. Warum mache ich eine christliche Platte, nur weil ich gläubig bin? Ich nenne die Musik meiner agnostischen Freunde ja auch nicht agnostisch.“
Gegen Schubladen und grobe Vereinfachung
Foremans frommer Wunsch wird jenseits der Billboard-Bands seit einigen Jahren zumindest ein bisschen erfüllt. Von Indie-Songwritern wie Sufjan Stevens oder hierzulande Samuel Harfst weiß man, dass sie gläubig sind, auch wenn sie es nicht von jedem Kirchturm rufen. Vielleicht wächst da eine neue Gelassenheit, die den christlichen Glauben in der Kunst rehabilitiert und integriert.
„Wir haben in der westlichen Welt die Tendenz, das Leben in kleine Teile zu zerlegen“, sagt Jon Foreman, „aber so ist es doch nicht. Es gehört alles zusammen. Deshalb müssen wir unsere Künstler in Ruhe lassen, damit sie uns etwas anderes zeigen können und uns uns selbst aus einer anderen Perspektive sehen lassen. Wenn Kunst das nicht leistet, ist sie keine Kunst.“
Jörn Schlüter ist freier Journalist und lebt in Bremen