Grafische Romane etablieren sich in Comic-Szene

Grafische Romane etablieren sich in Comic-Szene
Der Comic-Salon ist das größte Comicfestival im deutschsprachigen Raum. Neue Trend werden hier gesetzt. Zwischen Mangas und dem Igel Mecki findet man sogar die Geschichte der Evolution.
04.06.2010
Von Elke Richter

Hier muss der Comic-Salon sein. Auf dem Erlanger Rathaus-Vorplatz posiert ein junges Mädchen mit langen weißen Kunsthaaren, trotz der kühlen Witterung nur in ein bauchfreies Fantasy-Kostüm und weiße Stulpenhandschuhe gekleidet. Und tatsächlich: Nur wenige Meter entfernt findet sich der Eingang zum größten Festival für grafische Literatur im deutschsprachigen Raum.

Die Mangas, deren Helden die Jugendlichen vor dem Eingang nachstellen, nehmen auch in diesem Jahr wieder breiten Raum im Comic- Salon ein. Zudem stehen in den Messeregalen der Verlage Superhelden- Comics und zahlreiche Klassiker - die Peanuts feiern ebenso wie der Igel "Mecki" in Erlangen ihren 60. Geburtstag mit eigenen Ausstellungen.

Aufwendig produziert

Doch das Gespräch beherrscht eindeutig das jüngste Phänomen auf dem Comic-Markt: Graphic Novels. "Das neue ist, dass die Verlage jetzt wirklich die hochqualitativen Sachen umsetzen. Früher war Comic ein Massenmedium, heute ist es ein cineastisches Medium", erläutert der Nürnberger Fachhändler Stefan Trautner von UltraComix. Die gezeichneten Geschichten sind aufwendig illustriert und als hochwertige Hardcover gebunden. Inhaltlich greifen sie sämtliche Aspekte des Lebens auf.

"Der Begriff "Comic" wird in Deutschland immer noch mit "komisch" assoziiert", beschreibt Festivalleiter Bodo Birk das Dilemma der Branche. Zwar gibt es weiterhin die "Lustigen Taschenbücher" rund um den Duck-Clan aus Entenhausen. Doch in den Graphic Novels werden auch ernste Themen wie die NS-Zeit oder Kindesmissbrauch aufgegriffen.

Vorzeigewerk "Alpha"

Als neues Vorzeigewerk wird "Alpha" von Jens Harder gehandelt. Der Zeichner, der auch mit Comic-Reportagen bekanntwurde, erzählt in seinem 350 Seiten starken Wälzer in monochromatischen Bildern und mit wenig Text die Entstehung der Welt. "Das ist der wissenschaftliche Stand dessen, was stattfand", erläutert Harder. "Da ist nichts erfunden." Obwohl er sich seit 30 Jahren mit der Evolution beschäftige, habe er umfangreich recherchieren müssen, bevor drei bis vier Comic-Seiten pro Woche entstehen konnten. (Ein ausführliches Interview mit Harder gibt es im Berlin Blog).

Etwa 226 Millionen Euro Umsatz macht die Branche im deutschsprachigen Raum jährlich. Dabei spüren die drei großen Verlage Carlsen, Ehapa und Panini durchaus Konkurrenz: Eine gute Handvoll etablierter kleinerer Verlage und einige Neugründungen punkten mit frischen Ideen, oftmals made in Germany. "Es gibt tolle deutsche Zeichner, die auch international erfolgreich sind", berichtet Festivalleiter Birk. Einschränkend setzt er hinzu: "Aber das sind nicht unbedingt auch alle gute Erzähler."

Auf den Spuren eines Serienmörders

Dieses Manko will ein Projekt des Szenaristen Peer Meter ausgleichen. Er hat sechs "Drehbücher" für gezeichnete Romane entworfen, die von fünf jungen Zeichnerinnen und einem Zeichner umgesetzt werden. Dabei begibt Meter sich auf die Spuren bekannter Serienmörder - etwa des "Werwolfs von Hannover" Fritz Haarmann oder der Bremer Giftmörderin Gesche Gottfried. "Ich möchte hier zeigen, wie die Gesellschaft mit diesen Menschen umgegangen ist", erläutert Meter in einem Videomitschnitt. "Meine Erfahrung ist, dass das, was über diese Serienmörder verbreitet wird, nicht der Wahrheit entspricht."

Anspruch und Thematik solcher Graphic Novels zielen auf ein ganz anderes Publikum als etwa Disneys "Lustige Taschenbücher". Schon jetzt tummeln sich auf dem Erlanger Comic-Salon fast nur Erwachsene, darunter zahlreiche Frauen. "Comics sprechen inzwischen ein ganz breites Bevölkerungsspektrum an", sagt Händler Trautner. Und betont: "Comic als Medium ist eine sehr breitgefächerte, aber eigenständige Gattung."

dpa