Der Außenbeauftragte der russisch-orthodoxen Kirche, Metropolit Hilarion Alfejew, äußerte sich bei einem Besuch im Vatikan am Mittwoch erstmals zuversichtlich über ein mögliches Spitzentreffen. Voraussetzung für eine Begegnung der Kirchenoberhäupter sei eine "Übereinkunft in grundlegenden Fragen". Er sei überzeugt, "dass dies jetzt möglich ist", so Hilarion nach einem Gespräch mit den Präsidenten der päpstlichen Räte für Einheit und für Kultur, Kardinal Walter Kasper und Erzbischof Gianfranco Ravasi.
Der Metropolit sprach von einer Begegnung "nicht irgendeines Patriarchen und irgendeines Papstes, sondern zwischen Kyrill I. und Benedikt XVI." Zwar seien nicht alle Fragen ausgeräumt, doch komme der Dialog der Kirchen voran. "Die Zeit und die Personen haben sich geändert." Der Heilige Stuhl und die russisch-orthodoxe Kirche vertiefen bereits seit einiger Zeit ihren Gedankenaustausch. Bisher verweigert Moskau aber eine Reise des Papstes nach Russland unter anderem mit dem Argument, das Kirchenoberhaupt der Katholiken könnte Gläubige im Land abwerben.
Volle diplomatische Beziehungen
Im Februar hatte Kyrill I. (Foto: dpa), der Oberhaupt der mit rund 150 Millionen Gläubigen weltweit größten orthodoxen Kirche ist, den Papst als Kämpfer für die christlichen Werte gelobt und von Protestanten angestrebte "Liberalisierungen" beklagt. Im Dezember hatten der Vatikan und Russland überraschend beschlossen, volle diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Dies vereinbarten der Papst und der russische Präsident Dimitri Medwedew.
Kasper sprach nach der Begegnung mit Hilarion von einer "neuen Etappe unserer Beziehungen zur russisch-orthodoxen Kirche". Haupthindernis für das erste Zusammentreffen der Oberhäupter der beiden Kirchen seit der Kirchenspaltung im 11. Jahrhundert ist nach Hilarions Worten die Lage der mit Rom unierten griechisch-katholischen Kirche. Fortschritte bei der Überwindung dieses Konflikts zwischen Katholiken und Orthodoxen in diesem Punkt hingen auch von seinen Gesprächen in Rom ab, ergänzte der Leiter des Außenamtes des Moskauer Patriarchats.
Längere Gespräch notwendig
Offene theologische Fragen zwischen beiden Kirchen könnten "nicht rasch" gelöst werden, sondern erforderten längere Gespräche, sagte der Außenminister des Moskauer Patriarchats. Hilarion warnte zugleich vor Entscheidungen im offiziellen Dialog, die von den Gläubigen nicht mitgetragen werden könnten. Schon jetzt gebe es eine lebendige Ökumene etwa in gemischtkonfessionellen Familien.
Hilarion führte Verbesserungen im Verhältnis zwischen katholischer und russisch-orthodoxer Kirche vor allem auf Papst Benedikt XVI. (Foto: dpa) zurück. Moskau unterstütze dessen Eintreten für traditionelle moralische Werte. Beide Kirchen stünden gemeinsam vor der Herausforderung der "Entchristianisierung". In den vergangenen Jahren entwickelte sich nach Auffassung des Metropoliten auf beiden Seiten das Bewusstsein, dass Katholiken und Orthodoxe nicht miteinander konkurrierten, sondern "Verbündete" seien.
"Kulturelle Entfremdung"
Kasper sagte, die Spaltung zwischen beiden Kirchen sei vor allem auf eine "kulturelle Entfremdung" zurückzuführen. In einer Welt, in der christliche Wurzeln häufig abgelehnt würden, müsse diese Entfremdung überwunden werden, um zu einer Gemeinschaft ohne Fusion zu gelangen. Hilarion hält sich anlässlich der russischen Kulturtage im Vatikan auf. Höhepunkt wird am Donnerstag ein von Patriarch Kyrill gestiftetes Konzert für Papst Benedikt XVI.