Neue Stadien, moderne Hotels und saubere Straßen - die Großstädte Südafrikas putzen sich zur Fußball-Weltmeisterschaft heraus. Vom 11. Juni bis 11. Juli wird ein Ansturm von Fans aus aller Welt erwartet. Auf dem Land dagegen fühlen sich viele Südafrikaner einmal mehr an den Rand gedrängt. Die versprochene Landreform kommt nicht voran, denn in der Politik hat die Entwicklung der Städte Priorität.
Mindestens 30 Prozent des landwirtschaftlich nutzbaren Landes sollten bis 2014 wieder im Besitz von Schwarzen sein, so lautete die populäre Devise der vom Afrikanischen Nationalkongress (ANC) geführten Regierung 1994 nach dem Ende der Apartheid. Heute sind aber immer noch 95 Prozent des Landes im Besitz von Weißen, und die Umverteilung stagniert.
Licht und Schatten
In dem Dorf Roosboom etwa in KwaZulu-Natal sind Licht und Schatten der stockenden Reform deutlich erkennbar. "Ich bin hier aufgewachsen, und als Kinder haben wir aus Spaß immer gesagt, wir leben in einem Black Spot, einem schwarzen Flecken mitten im weißen Land", erzählt DS Nyembe (71), der ehemalige Schuldirektor von Roosboom. "Was das heißt, haben wir erst 1976 so richtig begriffen." In jenem Jahr schickte die Regierung Lastwagen, alle Dorfbewohner wurden mit ihren Habseligkeiten zwangsweise umgesiedelt.
Viele Jahre lang lebte der Lehrer dann in einer Armensiedlung der nahe gelegenen Provinzstadt Ladysmith. Doch die 8.000 Bewohner von Roosboom schienen Glück zu haben. Sie gehörten zu den ersten von vielen ehemaligen Black-Spot-Bewohnern in Südafrika, die seit Anfang der 90er Jahre wieder zurück durften. Aber nach der ersten Freude folgte die Ernüchterung: Wohnhäuser, Kirchen und die Schule waren bei der Zwangsumsiedlung zerstört worden.
"Wir müssen alles selber neu aufbauen"
"Alles ist immer noch kaputt, wir haben keinerlei Entschädigung bekommen und müssen alles selber neu aufbauen", kritisiert DS Nyembe bei einem Treffen mehrerer Dorfinitiativen in einem ehemaligen Pfarrhaus von Roosboom. Der nackte Lehmboden ist rissig, die Decke hängt herab, und die Fenster sind mit Brettern zugenagelt.
Ringsum auf den grünen Hügeln stehen andere notdürftig hergerichtete Häuser mit Plumpsklos im Hof. Die festgetretenen Fußwege müssen sich Kühe, Ziegen und Menschen teilen, denn die asphaltierte Straße endet oberhalb des Dorfes, dort wo die Frauen Trinkwasser in ihre Plastikeimer pumpen.
"Eigentlich ist Roosboom eine Erfolgsstory, denn es wurde früh zurückgegeben", sagt Graham Philpott. Der Direktor der kirchlichen Organisation "Church Land Programme" hat das Treffen in Roosboom organisiert. "Aber die Menschen haben immer noch keine Besitzurkunden, keine Schulen, keine Krankenstation", sagt der anglikanische Pfarrer. Auch Wasser und Strom reichten nicht aus. "Was für einen Sinn macht es, Land zurückzugeben, wenn man nicht dafür sorgt, dass die Menschen ein Auskommen haben?" kritisiert Philpott.
Unterstützung durch Kirchen
Die ökumenische Organisation, die vom Evangelischen Entwicklungsdienst in Bonn unterstützt wird, berät und unterstützt Landgemeinden wie Roosboom und andere in KwaZulu-Natal dabei, ihre Rechte geltend zu machen, Kredite zu bekommen und das nötige Know-how zu erwerben. Denn überall auf dem Land ist die Armut groß.
Landreform bedeutet deshalb für Philpott in erster Linie Armutsbekämpfung und Wiedergutmachung für das Unrecht der Apartheidzeit, auch durch die Kirchen. Etliche von ihnen haben Farmland an ehemalige Farmarbeiter und Vertriebene abgegeben. Aber das reicht nicht.
Traktoren und Saatgut fehlen
"Sie haben uns das Land gegeben, das ist gut, aber wir haben keine Traktoren, kein Saatgut und wissen nicht, wovon wir leben sollen", sagt Regina Ngwenya von der katholischen Saint-Josephs-Missionsfarm. Wie viele Frauen verkauft auch sie selbstgemachte Perlendeckchen, einfachen Schmuck oder Gemüse am Straßenrund, um ein wenig Bargeld zu haben: "Sonst haben wir nichts als unsere Armut zu essen."
Rückgabe und Umverteilung lautete einst die Zauberformel der Landreform. Doch vor kurzem räumte selbst der zuständige Minister Gugile Nkwinti ein, dass das Ziel "30 Prozent Farmland in schwarzer Hand" bis 2014 nicht zu schaffen ist: "Wir haben einfach nicht das Geld, um mehr Land von weißen Farmern zu kaufen."