KEF, KEK, ZAK: Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs, zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich und für Zulassung und Aufsicht: So heißen einige der wichtigeren Kommissionen im vielfältigen deutschen Was-mit-Medien-Institutionen-Biotop. Wobei sie nicht alle in einen Topf gehören: Die KEF ermitttelt ausschließlich den Finanzbedarf der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, ergo: den Rundfunkbeitrag, den am Ende alle bezahlen müssen. Die KEK dagegen ermittelt kritische Konzentration nur bei privatwirtschaftlichen Medien (über die sie eine für Medieninteressierte praktische Datenbank führt).
Immerhin sprechen sich KEF, KEK und ZAK flotter aus als zum Beispiel BLM, LfM und LMK. Das sind drei der vierzehn Anstalten, die gemeinsam die Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten ALM und über diese die ZAK bilden. Vielleicht soll bei der KEK ein bisschen das Adjektiv "keck" mitschwingen. Zwar winkt diese Kommission im Alltag stets Eigentümerveränderungen bei wenig bekannten Fernsehsendern wie "Zee.One / Asia TV GmbH" und "BVB total! / Sports & Bytes GmbH" durch, wie im Februar auf ihrer 234. Sitzung. Einmal aber hat sie Zähne gezeigt: Im Jahr 2006 trug sie wesentlich zum Verbot des Kaufs der Sendergruppe ProSiebenSat.1 durch Springer bei, um "vorherrschende Meinungsmacht" zu verhindern. Wer alt genug ist, erinnert sich: Das war eine heftige Diskussion. Viele fanden gut, dass der Springer-Verlag, dem damals außer "Bild"-Zeitung und "Welt" noch viele weitere Zeitungen und Zeitschriften gehörten, an der Ausbreitung ins Fernsehen mit seiner besonderen "Suggestivkraft" gehindert wurde.
Diese Woche stellte die KEK in Berlin ihre neueste Studie "Meinungsmacht im Internet und die Digitalstrategien von Medienunternehmen" (PDF, 304 Seiten) vor. Zusammengesetzte Begriffe wie "Meinungsbildungseinfluss" und "-relevanz", "Meinungsmarkt" und eben "Meinungsmacht" fallen weiterhin oft bei der KEK. Doch die Studie überraschte. Sie könnte geradezu eine Art Kehrtwende darstellen. Die bisherige "Meinungsmacht"-Messung, die etwa im "MedienVielfaltsMonitor" 2017 (auf den Folien 12 und 13) in Prozentpunkten exakt beziffert wird, "simplifiziert den Wirkungszusammenhang erheblich", sagte der Münchener Kommunikationswissenschafts-Professor Christoph Neuberger, der mit Frank Lobigs die Studie verfasste.
Meinungsmachtverlagerung
Beobachtet werden sollten "nicht mehr ausschließlich Rundfunk und Presse und deren crossmediale Verlängerungen ins Internet", weil inzwischen auch "nicht-publizistische Akteure" Meinungsmacht besäßen. Das griffigste Beispiel sind natürlich der US-amerikanische Präsident Trump und seine Tweets. Eine "Machtverlagerung weg von den publizistische Akteuren" beobachtet Neuberger vor allem zu den "Intermediären" hin (um diesen umgangssprachlich kaum benutzten Medienwächter-Behelfsbegriff ging es in dieser Medienkolumne). Die gewönnen mit – algorithmischen – Techniken, "die vom rationalen Diskurs abweichen", immer mehr Meinungsmacht und verkaufen diese an ihre Kunden, zum Beispiel im US-amerikanischen Wahlkampf.
Der Dortmunder Journalistik-Professor Lobigs wies darauf hin, dass die von deutschen Medienkonzernen immer gern vermeldeten Umsatzanstiege im Digitalbereich (z.B. Springer vor einer Woche: "Im abgelaufenen Geschäftsjahr lieferten sie 71,5 Prozent der Umsatzerlöse") "in keinster Weise relevant für die Meinungsmacht der Konzerne" seien, weil sie aus nicht-publizistischen Geschäftsbereichen stammen. Springer ist bekanntlich besonders mit Job- und Immobilienportalen online erfolgreich. Vielmehr dürfte das Ausweichen auf Content-Marketing und "Native Advertising", das vor allem print-orientierte Verlage betreiben, sogar zu weiterem Relevanzverlust führen, sagte Lobigs so deutlich, wie es man selten hört. Er sieht die Tendenz, "dass sich immer mehr Redaktionen institutionell-evolutionär dem Geschäftsmodell von Digitalagenturen angleichen könnten", was die "publizistische und politischen Relevanz sowie die Glaubwürdigkeit der Onlineangebote" dieser Redaktionen "deutlich schwächen" dürfte (S. 279 der Studie). Gewiss spielt der "Schöner Wohnen"-Onlineshop Gruner+Jahr Gewinne ein, aber die Meinungsbildungsrelevanz des gleichnamigen Mediums schwächt er noch.
"Plattform-Revolution"
Wobei ungerecht wäre, den Verlagen deshalb Vorwürfe zu machen. Sie stehen eben in "Substitutionskonkurrenz zu großen Plattformen", die längst die Marktmacht besaßen, die im analogen Zeitalter weitestgehend Verlage besaßen. Da sind "Gegenwehr-Anpassungsstrategien" sinnvoll. Von "Plattform-Revolution" und "Werbesystem-Revolution" spricht Lobigs etwa. Damit meinte er, dass Google und Facebook rund 80 Prozent des deutschen Online-Werbemarkts beherrschen – was eine eher defensive Schätzung ist. Aber genau gemessen werden kann nicht, wer vom Online-Werbemarkt profitiert.
Andererseits, dass eine Fusion der Konzerne, die im Ranking der "größten Medienkonzerne 2017" die Plätze 52 und 48 belegen (und mit addierten Umätzen Platz 30 belegen würden, einen Platz vor der ARD, deutlich hinter Bertelsmann) den Verlauf der "Plattform-Revolution" sehr verändert hätte, ist auch nicht anzunehmen.
Jedenfalls äußerten sich beide Professoren froh, keine Juristen zu sein. Schließlich muss irgendwie versucht werden, das Medien- und Konzentrationsrecht den längst gelaufenen und weiterlaufenden Entwicklungen anzupassen. Der Juraprofessor Ralf Müller-Terpitz, KEK-Mitglied, nannte das "gegenwärtige Medienkonzentrationsrecht absurd" (was nicht sehr überraschen braucht, Reformen schlug die KEFK schon länger vor). An solchen Gesetzen feilt auch schon seit Jahren eine Bund-Länder-Kommission. Konzentrationsrecht fällt, anders als das meiste Medienrechtliche, außer nicht in Länder-, sondern auch in Bundes-Kompetenz, was die Sache noch komplizierter macht.
Einiges habe sich seit 2006 ja geändert, findet Annette Kümmel, die bei ProSiebenSat.1 den Titel Senior Vice President trägt: Wie etwa ihr Konzern gemeinsam mit dem unmittelbaren Wettbewerber RTL und der United Internet AG (einer der wenigen erfolgreichen deutschen Internetfirmen, die Angebote wie GMX und 1und1 betreibt) eine "Log-in-Allianz" schloss, um "ein gemeinsames Online-Registrierungsverfahren" zu schaffen, wie es in der Ankündigung heißt, und um "Nutzerdaten zu aggregieren", wie Kümmel sagte, hätte vor zehn Jahren noch zu großen Diskussionen geführt. Inzwischen geschieht so etwas ziemlich unbemerkt. Wobei es heftige Lobbydiskussionen dennoch gibt. Die kreisen um die E-Privacy-Verordnung der EU und dabei doch auch wieder um die Frage, ob solche aus Nutzersicht sinnvollen Datenschutz-Bemühungen nur zu weiteren Nachteilen deutscher Unternehmen gegenüber quasi-monopolistischen US-amerikanischen Plattform-Betreibern führen. Ob letztere sich an deutsche und europäische Gesetze halten, ist schließlich kaum überprüfbar. Ums knifflige Thema "E-Privacy" (gerade kurz im Altpapier) wird es hier demnächst gehen.
Die kleine Kommission namens KEK peilt nun also den "Einstieg in die Intermediäre-Regulierung" an und möchte sich mit Konzernen wie Google und Facebook, Apple und Amazon anlegen, die ihre Unternehmenssitze in den USA und für Europa in Datenschutz- und/ oder Steuer-Oasen wie Irland und Luxemburg haben. Das wird ein amüsantes Schauspiel. Sollte es mehr und die KEK noch einmal keck wie 2006 werden, wäre das eine faustdicke Überraschung.
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Anmerkung (19.3.): Ich bin im Text in die – auch selbst gestellte – Falle getappt und habe einmal KEK und KEF verwechselt und außerdem das Konzentrationrecht etwas zu vereinfacht dargestellt (Das Medienkonzentrationsrecht fällt, anders als das Kartellrecht, in die Bundesländer-Kompetenz). Das ist nun korrigiert. Danke für die Hinweise, C.B.