Der Rest meines Lebens

Der Rest meines Lebens
Markus Bechtold findet Rat auf dem Kirchentag
Foto: Markus Bechtold, evangelisch.de
Markus Bechtold, stellvertretender Portalleiter von evangelisch.de, wird in seiner Lust auf das pralle Leben bestärkt.
Wie kann es gut in meinem Leben weitergehen? Das erfahre ich in einem Gespräch zur Lebensmitte im Zentrum Psychologische Beratung und Seelsorge. Jeder, der will, kann sich während des Kirchentags dazu beraten lassen. Es lohnt sich, darüber nachzudenken.

Ich beeilte mich und war doch nicht schnell genug. Gerade noch pünktlich stehe ich vor der Tür, hole tief Luft und will am Gruppengespräch zum Thema "Heute ist der erste Tag vom Rest meines Lebens. Gespräche zur Lebensmitte" teilnehmen. Vergeblich. Die Gruppe ist voll. Bevor sich bei mir Enttäuschung breit machen kann, ergibt sich eine Möglichkeit, doch noch etwas davon zu erfahren. Irene Schäfer steht vor mir. Sie bietet mir ein Einzelgespräch an. Schäfer ist Psychologin und arbeitet bei der Psychologischen Beratung und Seelsorge in Düsseldorf. Unser Gespräch soll knapp eine Stunde dauern.

Wir gehen in ein Zimmer. Nun also sitze ich ihr gegenüber. Nur um gleich wieder aufzustehen. Wo stehe ich mit 43 Jahren in meinem Leben? Bin ich der "Beständigkeit" oder der "Veränderung" nahe? Zwei entsprechend beschriftete Zettel liegen vor mir auf dem Boden des Raums verteilt. Ich bleibe unschlüssig in der Mitte stehe. Dann sprudelt es aus mir heraus und ich beginne wild zu erzählen: wer ich bin, wo ich herkomme, was ich mache, was ich machen will und vor allem, was ich in meinem Leben alles noch vorhabe. Es sind meine großen Träumen und die kleinen Sehnsüchte, die jetzt zur Sprache kommen. Ich erzähle von der Liebe in meiner Ehe und der Freude am Reisen. In meinem Leben gab es immer viel Änderung, viel Bewegung und recht viel Schwung. Von mir aus kann das auch gern so bleiben. Aber auch Ruhe und Beständigkeit werden mir wichtiger.

Dann erfahre ich vom Status quo: Heutzutage werden Menschen zunehmend älter. Frauen leben grundsätzlich länger als Männer. Allgemein verschiebt sich unser aller Lebensmitte statistisch betrachtet weiter nach hinten. Und die zweite Lebenshälfte vergeht bei vielen Menschen gefühlt schneller. Menschen würden das vom Urlaub her kennen. Anfangs müsse man sich noch zurechtfinden und erfahren, was wo sei. Mit der Routine verfliege aber auch die Zeit. Dem aber könne man neue Erlebnisse entgegensetzen, sagt Schäfer. Damit lässt sich also ein Leben zeitlich strecken.

Wichtig für das Leben: immer wieder in Balance kommen.

Von Irene Schäfer erfahre ich vom Gleichgewicht und wie wichtig es sei, im Leben immer wieder in Balance zu kommen. Sie erzählt mir von Nossrat Peseschkian und den vier Schwerpunkten: Körper, Sinn/Kultur, Leistung, Kontakt/Familie. Während man im mittleren Alter möglicherweise zu viel leiste, müsse man sich im Alter vielleicht eher dazu ermutigen und erinnern, eine Leistung zu erbringen. Vernachlässige man beispielsweise allzu lange seinen Körper, könne sich dies langfristig rächen und es braucht später mehr Anstrengungen und Zeit, sich wieder wohl zu fühlen.

Das Konzept der Lebensbalance soll helfen, die wichtigsten Bereiche des Lebens ins Gleichgewicht zu bringen und nicht nur für Ausgeglichenheit, sondern auch Glück und Zufriedenheit zu sorgen. Nach Peseschkian kann ich meine Lebensbalance immer wieder neu ausrichten, indem ich mich frage: Was braucht mein Körper? Welche Kontakte will ich pflegen? Was muss und kann ich leisten? Welche Zeit nehme ich mir für Sinnfragen, Religion, Kunst und Kultur? Ich habe das Gefühl, schon einiges im Leben verstanden zu haben. Anderes will ich nun künftig noch stärker berücksichtigen.

Irene Schäfer macht mich auf das biblische Pendant zum Thema unseres Gesprächs "Heute ist der erste Tag vom Rest meines Lebens" aufmerksam. Es ist: Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden (Psalm 90,12).

Ich bin zufrieden. Während des Gesprächs fühlte ich mich gut aufgehoben. Jetzt aber soll das Leben weitergehen. Als ich aufstehe, um das Zentrum Psychologische Beratung und Seelsorge zu verlassen, fragt mich Irene Schäfer: "Hören Sie das Gemurmel?". Klar, denke ich mir. "Das ist eine alte Tonbandaufnahme von unverständlichen Worten", erzählt sie mir weiter. Ich staune. "Die Aufnahme soll die Stille durchbrechen." Einerseits, um die Anonymität der erzählten Lebensgeschichten wahren zu können, andererseits, um die Menschen zum Erzählen zu ermuntern. Bei mir hat das gut funktioniert. Und bei vielen weiteren wird das sicherlich in den kommenden Tagen im Kongresszentrum in Dortmund auch gut klappen. Ich kann das nur empfehlen.

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