Bei der Einreise nach Neuseeland vor einigen Jahren wurde ich mehrere Stunden am Flughafen festgehalten. Drei Wochen Arrest oder wahlweise eine Strafzahlung von 100.000 Neuseeland-Dollar wurden mir angedroht. Nein, ich hatte nicht etwa eine Bombendrohung ausgesprochen oder mich anderweitig danebenbenommen. Mein Vergehen: Ich hatte einen Apfel im Handgepäck. Dieser schrumpelte vermutlich schon seit Wochen in besagter Tasche vor sich hin und war deshalb von mir vergessen worden. Die Dame vom Zoll war außer sich.
Neuseeland und Australien nehmen nämlich den Kampf gegen eingeschleppte Arten und Krankheiten sehr ernst. Die Einfuhr von Lebensmitteln, Pflanzen und Tieren unterliegt außerordentlich strengen Kontrollen, da man um die heimische Flora und Fauna sowie das Wohlergehen der Agrarindustrie fürchtet.
Auch in Europa werden eingeschleppte Arten neben dem Klimawandel und der Zerstörung von Lebensräumen als Hauptbedrohung für die Biodiversität betrachtet. Natürlich hängen alle drei Faktoren zusammen: Wo das natürliche, über Jahrtausende gewachsene biologische Gleichgewicht durch Klimawandel oder Menschenhand ins Wanken geraten ist, fassen eingeschleppte Arten wegen der fehlenden natürlichen Feinde und geschwächter Widerstandskräfte leichter Fuß.
Auf dem europäischen Kontinent hat man Kampf weitgehend aufgegeben, da er demjenigen gegen Windmühlen gleicht. Doch der Ruf nach Regulationen wird lauter, die EU will die Einfuhr und Verbreitung von bestimmten Arten verbieten und einen Action Plan vorbereiten. Auf einer Insel wie Großbritannien ist die Bekämpfung etwas leichter, auch wenn auch hier viele ursprünglich ortsfremde Arten schon so etabliert sind, dass ihre Ausbreitung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.
Das ist auch gar nicht immer nötig. Von den geschätzten 2000 eingewanderten Arten in Britannien (in ganz Europa ca. 12.000) werden nur 10 bis 15% werden als invasiv eingestuft. Als invasiv gelten sie per Definition der International Union for the Conservation of Nature, wenn sie „einen negativen Einfluss auf ein lokales Ökosystem und seine Arten“ haben. Die EU stuft Arten dagegen dann als invasiv ein, wenn sie sich negativ auf die Umwelt, Wirtschaft und Gesundheit auswirken. Mit anderen Worten: Alles, was die Wirtschaft schädigt und/oder Geld kostet, wird als bedrohlich eingestuft.
Geschätzte 1,7 Milliarden Pfund schaden richten invasive Arten jedes Jahr im Vereinigten Königreich an (12 Mrd. in ganz Europa), mit steigender Tendenz. Beifußblättriges Traubenkraut (Ambrosia artemisiifolia) etwa wurde aus Nordamerika eingeschleppt und löst bei vielen Menschen Allergien aus. Der Götterbaum (Ailanthus altissima) war lange auf der Insel als Gartenbaum beliebt, breitet sich aber immer mehr aus und schädigt mit seinem starken Wurzelsystem Straßen, Gebäude und Kanalisationen.
Andere haben die Angewohnheit, die einheimischen Arten zu unterdrücken, indem sie sich unkontrolliert vermehren und so das ökologische Gleichgewicht aus den Fugen bringen. Rhododendron etwa ist vielerorts in Britanniens Wäldern zum Problem geworden, weil er den anderen Pflanzen, die sich durchs Unterholz kämpfen müssen, den Lebensraum nimmt.
Freilich gelangen Arten auch auf natürlichem Wege, etwa durch Stürme, im Gefieder von Vögeln etc. in Gegenden, in denen sie vorher nicht vorkamen. Und viele eingeführte Arten überleben nie längere Zeit, da sie einfach nicht die richtigen Bedingungen vorfinden. Andere kommen gut zurecht und fügen sich ins bestehende Ökosystem ein, ohne Schaden anzurichten.
Aber Experten weisen darauf hin, dass durch die Globalisierung des Handels sowie durch den Tourismus Arten heute von sehr viel weiter her kommen, als das in der Vergangenheit der Fall war. Deren Ausbreitung wird dann durch das Fehlen natürlicher Feinde begünstigt.
Ist eine Spezies erst einmal etabliert, sind die Kosten für die Bekämpfung enorm. Vorbeugen gilt deshalb als Erfolg versprechendere Maßnahme. Und hier kommen wir Hobbygärtner ins Spiel. Nein, es geht nicht darum, die (aus Südamerika stammenden) Dahlien rauszureißen. Aber bevor wir in der Exoten-Abteilung im Gartencenter einfach zugreifen, sollten wir lieber nochmal nachsehen, ob die Pflanze, die wir uns ausgesucht haben, auch wirklich nicht auf der Liste mit den 100 schlimmsten Arten Europas (Europe's 100 of the worst species) geführt wird.
Ich weiß nicht, ob es eine solche Liste auch für Neuseeland gibt. Aber mein Apfel aus dem Handgepäck wäre sicher nicht darauf vermerkt gewesen – er trug einen Aufkleber „Produce of New Zealand“.