Ashes to ashes?

Ashes to ashes?

Seit gestern werden keine Eschen mehr nach Großbritannien eingeführt. Die Regierung hat einen Importstopp für die Bäume erlassen, nachdem vor Kurzem der Pilz Chalara fraxinea auf einigen Exemplaren in England und Schottland entdeckt wurde. Das Eschentriebsterben, auf Englisch ash dieback genannt, führt zum langsamen Absterben der Triebe und in vielen Fällen des ganzen Baums. Ein Gegenmittel gibt es nicht.

Nun bin ich weder die Queen noch die Duchess of Sowieso - in meinem Garten ist nicht genügend Platz Platz für einen oder gar mehrere der bis zu 40 Meter hoch wachsenden Bäume. Trotzdem fühle ich mich dem Baum des Jahres 2001 emotional eng verbunden. Denn im Hinterhof meiner Hamburger Wohnung wuchs eine Esche, die noch eine gute Ecke über unser vierstöckiges Mietshaus hinausragte. Mitten in der Stadt, direkt vor meinem Balkon, tummelten sich darauf Blaumeisen, Kohlmeisen und Kleiber, manchmal fanden sogar ein Specht oder ein Eichelhäher den Weg dort hin. Sie zu beobachten hat mir immer viel Freude gemacht, und es war dort, wo mein Spaß an der Vogelbeobachtung seinen Anfang nahm. Und der Baum führte mich durch die Jahreszeiten, ich fand es toll, im Frühjahr den Knospen beim Anschwellen zuzuschauen, und danach den Blättern beim Wachsen, von kleinen hellgrünen Büscheln entwickelten sie sich in kurzer Zeit zu schattenspendenden Fächern.

Wenn man den hiesigen Nachrichten glaubt, könnte es mit all dem bald vorbei sein. Seit Tagen verbreiten die britischen Zeitungen und Fernsehsender Horrormeldungen, dass der gesamte Eschenbestand Großbritanniens bald dahingerafft sein könnte, 80 Millionen Bäume seien bedroht, denn anders als bei der Miniermotte, die Kastanien befällt, ist eine Infektion mit Chalara fraxinea für die Eschen tödlich. Von einer "dramatischen Veränderung" des Landschaftsbildes ist die Rede. Und auch vor den weiteren ökologischen Konsequenzen wird gewarnt: 60 sehr seltene Käfer- und andere Insektenarten leben auf Eschen, mit den Bäumen könnten auch sie aussterben.

100.000 ashes wurden als vorbeugende Maßnahme gegen die weitere Verbreitung des Pilzes bereits gefällt und verbrannt, Politiker und Parteien bezichtigen sich gegenseitig des Nichtstuns, es gibt Streit über Verantwortlichkeiten und Budgets. Es wurde eine Task Force installiert und eine spezielle, kostenlose Ash-App - genannt Ashtag - zur Verfügung gestellt, über die besorgte Bürger möglicherweise infizierte Bäume melden können und man sich ein Bild über die Ausbreitung der Krankheit machen kann.

Belegt sind nämlich bisher lediglich ein gutes Dutzend Fälle im Vereinigten Königreich. Im Gegensatz zu etwa Dänemark, wo bereits an die 90 Prozent der Eschenbestände vernichtet sind. Und auch in Deutschland ist der Pilz weit verbreitet. Doch in die Tagesschau schafft es diese Tatsache nicht. Nur in einigen Regionalzeitungen werden Förster zitiert, die sich besorgt über das Eschentriebsterben äußern, meist im Zusammenhang mit den ökonomischen Schäden, die dadurch angerichtet werden. Gegenmaßnahmen wurden bisher keine ergriffen. In den Meldungen heißt es lediglich, dass es kein Mittel zur Bekämpfung gäbe. Mit anderen Worten: Man schaut zu, hofft und betet.

Ich bin keine Wissenschaftlerin und kann nicht beurteilen, welche Vorgehensweise die richtige ist. Interessant finde ich aber die unterschiedlichen Reaktionen in den betroffenen Ländern. Ist es die Insellage? Glaubt man in Britannien, dass man durch die "isolierte" Lage Krankheiten leichter verbannen kann, während man auf dem Kontinent eine eher fatalistische Einstellung zu diesen Dingen hat, da es keine natürlichen Barrieren oder Grenzen für die Ausbreitung gibt? (Es hat sich übrigens herausgestellt, dass nicht nur importierte Bäume aus Holland die Pilzsporen ins Land gebracht haben, sondern auch der Wind an ihrer Verbreitung mitgewirkt hat.) Vielleicht sind die Engländer aber auch ihren Bäumen emotionaler verbunden? Ein Trauma hat offenbar das Ulmensterben hinterlassen, das in den 1970er Jahren die Ulmenbäume Großbritanniens nahezu  aussterben ließ.

Wie auch immer: Ich hoffe natürlich, dass die britischen, deutschen und alle anderen Eschen gerettet werden und sie so den Käfern, Vögeln und uns weiterhin Freude bereiten können!

Woran Sie einen Befall mit Chalara fraxinea erkennen können:
Blätter: Sie welken und verfärben sich schwarzbraun, meist zunächst in der Blattspitze und entlang der Mittelrippe. Triebe und Zweigchen sterben ab.
Äste und Stamm: Kleine Flecken entstehen auf der Rinde, die schnell größer werden und dann verholzen. Dies führt zum Verwelken und Absterben von Trieben und Ästen besonders in der Baumkrone. Das Holz unter den verholzten Stellen verfärbt sich oft ins Grau-Braune und durchzieht den ganzen Ast.
Baum: Charakteristisch ist die ausgelichtete Krone, wo das Absterben der Blätter und Äste beginnt. In einem weiter fortgeschrittenen Stadium ist der ganze Baum kahl, hat aber oft eine große Anzahl Triebe, die aus dem Stamm oder den Ästen wachsen. Doch auch diese sterben dann mit dem Baum.
 

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