Ein altes Sprichwort sagt: Getroffene Hunde bellen. Und wie man im Redensarten-Index nachlesen kann, bedeutet das: „Wenn sich jemand ungewöhnlich heftig gegen Kritik zur Wehr setzt, dann war die Kritik oft berechtigt.“
Aber was erzähle ich. Das hier ist ja eine Medienkolumne. Also zu etwas ganz anderem.
Als Donald Trump am Dienstagabend bei Buzzfeed las, er habe in einem Moskauer Hotelzimmer eine Sexparty mit Prostituierten gefeiert, wäre ihm fast das Smartphone aus der Hand gefallen. Eine Sexparty mit Prostituierten? Er? Gegen diese ungeheure Behauptung setzte er sich sogleich mit einigen Großbuchstaben zur Wehr.
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Am darauf folgenden Morgen dann muss ihm aufgefallen sein, dass er in seinem Tweet den Hashtag „#FakeNews“ noch gar nicht unterbracht hatte. Also schrieb er noch einen.
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Später kam offenbar das Gefühl zurück, vielleicht doch noch nicht deutlich genug gesagt zu haben, dass an den Vorwürfen nichts dran ist. Also stellte er das noch mal klar.
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Das alles wäre ganz witzig, wenn die Lüge sich wie so oft bei ihm mit einem einfachen Link belegen ließe.
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Aber diesmal ist es anders. Buzzfeed hat das belastende Dossier (das ich hier gar nicht verlinken möchte) veröffentlicht, ohne die Vorwürfe vorher verifiziert zu haben. Dazu enthält das Dokument auch noch Fehler. Und es könnte sein, dass Trump mit seinem Hashtag hier ausnahmsweise mal richtig lag.
Margaret Sullivan schreibt in der Washington Post:
„Where does transparency meet irresponsibility? Right at the line that BuzzFeed’s editor Ben Smith approached Tuesday and decided to step over in the name of serving citizens’ best interests. With caveats and explanations aplenty, Smith published a 35-page ‚dossier' — actually just a bunch of scurrilous allegations dressed up as an intelligence report meant to damage Donald Trump.“
Buzzfeed-Chefredakteur Ben Smith erklärte per Twitter, warum man das Dossier jetzt im Netz findet.
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Um es zusammenzufassen. Er ist der Meinung: „Im Zweifel veröffentlichen.“
Margaret Sullivan sieht das anders.
„But at many other news organizations, the rule is caution: ‚When in doubt, leave it out.’ In this case, the doubt should have prevailed. News organizations and government officials have known for months that this information, if it can be called that, existed. But despite many attempts, the claims about Trump’s behavior and relationships in Russia could not be verified.“
Aber es gibt noch weitere Meinungen. Zum Beispiel diese von Tom Scocca in der New York Times.
„Journalism is a rude business and we live in rude times. Blind appeals to principle won't make things any nicer, but they could make things worse.“
Und das begründet er so:
„Now the untouchable story has become a matter of open discussion, whether the ultimate scandal turns out to be about Trump's alleged conduct, his relations with Russia, his feud with the intelligence services or some combination of all of those. Follow-up reporting is helping the public sort through the dossier's claims. BuzzFeed's decision was the key to all of this.“
Ich selbst stehe eher auf der Seite von Margaret Sullivan, denn es stimmt zwar: Wir haben raue Zeiten, und manchmal macht blinde Prinzipientreue alles nur schlimmer. Andererseits: An irgendetwas muss man sich ja festhalten. Und für noch weniger wünschenswert halte ich einen Zustand, in dem alle ihre Prinzipien über Bord geworfen haben.
Spiegel Online und Meedia haben die Diskussion zusammengefasst.
Leider bin ich jetzt immer noch nicht durch mit Trump. Es ging später ja noch weiter. Der gewählte amerikanische Präsident empfing seine baldigen Untertanen im Trump Tower und gab dem Termin den witzigen Namen „Pressekonferenz“.
Man kann die gesamte Veranstaltung nur absurd nennen. Die deutsche Sprache gibt einfach kein stärkeres Wort dafür her. Einen flüchtigen Eindruck von der Audienz bekommt man in dieser 40-sekündigen Sequenz.
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Und so nahm der Wahnsinn seinen Lauf. Trump nannte Buzzfeed einen „scheiternden Haufen Müll“, verwehrte einem CNN-Reporter eine Frage mit der Begründung: „Ihre Organisation ist schrecklich.“
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Schließlich sagte er, er habe „großen Respekt für die Pressefreiheit und all das“.
Wo man gerade dabei ist, kann man sich vielleicht auch diesen Teil hier noch ansehen.
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Trump steht neben einem unglaublichen Papierstapel, der allein durch seine Existenz belegen soll, dass die geschäftlichen Interessenkonflikte jetzt ausgeräumt seien. Wohlgemerkt: Es geht um die Befürchtung, er könnte als Präsident Entscheidungen treffen, von denen seine eigenen Unternehmen profitieren.
Und man muss sagen: Wenn er die Absicht gehabt haben sollte, noch mal klarzustellen, dass diese Befürchtung berechtigt ist, dann hat er alles richtig gemacht. Seine Söhne übernehmen die Geschäfte für die Zeit seiner Präsidentschaft. Und wie unabhängig ihre Entscheidungen sein werden, machte Trump dann auch gleich klar: Wenn sich herausstellen werde, dass sie ihre Arbeit nicht gut gemacht hätten, würden sie eben gefeuert - womit er auf seine Rolle in der Reality-Fernsehshow „The Apprentice“ anspielte.
Die Szene selbst hat natürlich nichts mit Medienberichterstattung zu tun, aber sie zeigt doch sehr schön, wie die Grenzen zwischen Realität, Show und Fantasie sich inzwischen aus dem Staub gemacht haben. Und sie illustriert auch ganz gut, dass Hans-Hermann Tiedje vielleicht doch irren könnte, wenn er im Gespräch mit Christopher Lesko sagt:
„Der Deal-Maker Trump wird sich mit Putin an einen Tisch setzen und nüchtern prüfen, an welchen Stellen Übereinstimmung möglich ist.“
Ich mag Christopher Leskos Interviews wirklich gern. Das hier beginnt allerdings mindestens ebenso absurd wie die Trump-„Pressekonferenz“.
„Hans-Hermann Tiedje, ich möchte mit Ihnen Eindrücke zu Donald Trump, seiner Wahl und der Berichterstattung deutscher Medien austauschen.
Hans-Hermann Tiedje: Das trifft sich gut. Ich war ja vor 16 Jahren mal kurz im Aufsichtsrat einer Firma zusammen mit Trump, habe ihn aber nie persönlich getroffen. (…)“
Das macht Tiedje zum idealen Gesprächspartner. Außerdem hat er noch Dinge über eine Ecke gehört.
„Aber ich kenne ja Menschen, die ihn gut kennen, zum Beispiel mein Freund Ulrich Marseille. Auch die halten Trump nicht gerade für einen Sympathieträger.“
Allerdings - das muss man vielleicht noch erwähnen - ist Ulrich Marseille auch mit einem anderen Journalisten befreundet. Und der hat drei Töchter, von denen eine vor einigen Jahren eine kurze Liebelei mit einem Jungen aus der Nachbarschaft hatte. Und der findet Trump eigentlich ganz gut.
Wie machen wir jetzt weiter? Am besten mit Donald Trump. Den Vergleich mit „Nazi-Deutschland“ hatte ich mir extra fürs Ende aufgehoben, um zu Serdar Somuncu überleiten zu können, der ja auch gerade so eine Sache am Laufen hat. (Altpapier vom Mittwoch). Einmal also bitte über die drei Plus-Zeichen springen.
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Somuncu hatte im so genannten „Arschloch-Streit“ mit der Nazi-Keule um sich geschlagen und dabei unter anderem auch eine WDR-Mitarbeiterin getroffen. Außerdem hatte er dem WDR Zensur vorgeworfen.
Markus Ehrenberg und Joachim Huber schreiben dazu im Tagesspiegel.
„Was ist das? Zensur? Korrektes Verhalten einer Redaktion? Auf jeden Fall eine neue Diskussion über Meinungs- und Satirefreiheit. Der Vorgang wirft ein Licht auf eine grundsätzliche Frage, auf andere Sender, auf die schwierige Gemengelage zwischen künstlerischer Freiheit, Zensur und öffentlich-rechtlicher Verantwortung. TV-Satire wird ja immer schärfer, ist, immer mehr, ein schmaler (Klage-)Grat. Da kann man schon mal abrutschen, danebenliegen, siehe den Fall Böhmermann/Erdogan.“
Aber wer lag da daneben? Eigentlich doch Erdogan. Und war dessen Klage dann auch schon Satire? Wer weiß das schon noch, wenn alles verschwimmt.
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Kommen wir auf Umwegen noch zu Donald Trump zurück. Benedikt Frank schreibt auf der SZ-Medienseite (kostenpflichtig) über den vergeblichen Versuch, herauszufinden, was an dem Gerücht dran ist, Trumps Chefstratege Stephan Bannon wolle sich mit seinem rechtskonservativen Propaganda-Portal Breitbart News (Altpapier vom 6. Januar) auch in Deutschland niederlassen.
Um es kurz zu machen: Es ist nach wie vor ein Gerücht, für das es lediglich einige vage Hinweise gibt. Wie Donald Trump sagen würde: „Fake News.“
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Nicht nur Trump übrigens. Und jetzt wirklich zu was ganz anderem. Mittlerweile haben nämlich auch andere spitzgekriegt, dass es noch eine viel bessere Möglichkeit gibt, auf Vorwürfe zu reagieren, als diese zu widerlegen. Eben dieses Wort. „Fake News.“ Man wirft es einfach zurück.
Cathrin Kahlweit berichtet auf der SZ-Medienseite über die Reaktionen auf eine Recherche des österreichischen Falter-Chefredakteurs Florian Klenk (nebenbei: Österreichs Journalist des Jahres 2016), der herausfinden wollte, was aus der vom niederösterreichischen Landshauptmann Dr. Erwin Pröll angekündigten Dr.-Erwin-Pröll-Privatstiftung geworden ist, mit der Dr. Erwin Pröll sich ein Denkmal setzen wollte und dafür schon jede Menge öffentliches Geld bekommen hatte, das seit Jahren ungenutzt herumliegt.
„Das ist Feudalismus pur“, urteilte Klenk. Bei den Kollegen der regionalen Hofpresse kam das nicht so gut an. Prölls Pressestelle wiegelte ebenfalls ab. Sie nannte die Geschichte einfach, genau: „Fake News“.
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Mittlerweile schon vollkommen desillusioniert rutscht man auf der SZ-Medienseite ein kleines Stück nach rechts oben, wo es um eine Hörspiel-Adaption von Franz Kafkas Schloss (kostenpflichtig) geht. Und da
„wird Kafkas Absurdität hörbar: Durch die formale Strenge erzeugt er jenes Grauen, das diese lächerliche Geschichte aus der Binnensicht so gefährlich logisch macht mit Zügen ins Faschistoide und zugleich alles in der Schwebe hält.“
Kafkas Welt, denkt man, wie herrlich wohlig und erwartbar - im Vergleich zu unserer.
+++ Uwe Kopf ist gestorben. Kopf war Textchef der Tempo, und wenn man ihn nicht kannte, wird er einem gleich beim Lesen dieses Briefs sympathisch, den er damals an seine Tempo-Kollegen geschrieben hat. Schönster Satz: „Dieser und ähnlicher Wortschrott wird aus dem Kulturteil von Tempo verschwinden.“ B.Z.-Chef Peter Huth beschreibt in seinem Nachruf das mysteriöse Verhältnis zu seinem Kolumnisten („war kein einfacher Mensch“) so: „Freundschaft braucht Verbundenheit mehr als Nähe, Loyalität mehr als Bier und so darf ich stolz sagen, dass Uwe Kopf, den ich 20 Jahre kannte, aber nur einmal traf, zu meinen Freunden zähle. Zählen durfte.“ Noch mysteriöser wirkt nur der Anfang von Arne Willanders Text im Rolling Stone („(…) Uwe Kopf hat eine solipsistische Sprache der verblüffenden, vollkommen lakonischen und vollkommen bezaubernden Poesie erfunden, (...)“), wenn man ein paar Absätze weiter über Uwe Kopfs Sprache liest: „Es gibt keinen Pomp und Tand, wenige Fremdwörter und keine Blendereien in seinen Texten. Privat schrieb er genauso.“ Die Briefwechsel würde man ja gerne mal sehen.
+++ Und dann lässt uns noch ein weiteres Thema nicht los. Schlechte Krimis (Altpapier vom Dienstag und Mittwoch). Jetzt kommt wieder einer. Mordkommission Istanbul. Matthias Hannemann schreibt in der FAZ: „'Ein Dorf unter Verdacht‘, ein Film mit untragbar altbackenen Büroszenen, unnötigen Figuren wie der nervtötenden Praktikantin (‚Und, wann gehen wir auf Mörderjagd?‘) und überflüssiger Action im Bergwerk, vermag kaum wirklich zu fesseln.“ Die dpa findet den Film gar nicht so übel (hier im Hamburger Abendblatt).
+++ Fabienne Hurst und Jasmin Klofta schreiben ebenfalls in der FAZ über ihren (und Johannes Jolmes) Film „Das Dorf und die Demokratie“, der heute Abend um 21.45 Uhr in der ARD zu sehen ist. Zwei Lokalpolitiker (von CDU und SPD) versuchen in ihrem Dorf herauszufinden, warum die AfD bei der Landtagswahl fast 20 Prozent der Stimmen geholt hat (und das Dorf heißt auch noch ausgerechnet ‚Haßloch‘). Der Text macht jedenfalls schon mal Lust auf den Film. „Die Politiker haben sich Fragen zurechtgelegt: 'Geht es Ihnen schlechter, seitdem die Menschen bei uns sind?' 'Kennen Sie solche Leute persönlich?' Die Antwort lautet jeweils 'nein', gefolgt von 'trotzdem'. Jedes Mal, wenn Voigt und Schumacher nach konkreten Veränderungen fragen, die sich die Unzufriedenen von der Politik erhoffen, schrumpft der große Frust zu scheinbar Banalem. Vielleicht ist den Menschen auch klar, dass das, was sie wollen, ein Deutschland ohne Ausländer, Euro und Islam, von der Politik nicht herbeigezaubert werden kann.“
+++ Ein weiterer Nachruf. Clare Hollingworth ist im Alter von 105 (in Worten: einhundertfünf) Jahren gestorben. Sie hat damals als Erste über den Ausbruch des Ersten Weltkriegs berichtet. Und nicht nur das. Die taz schreibt: „Sie wurde Zeitzeugin fast aller großen Kriege, Konflikte und Krisen des 20. Jahrhundert – von A wie Algerien bis Z wie Zypern. Mit Zahnbürste, Schlafsack, Whisky und Schreibmaschine bewaffnet zog sie los.“ Daran sieht man schon, wie sich die Zeiten verändert haben. Welcher Journalist kann sich schon heute noch Whisky leisten?
+++ Und zum Abschluss - es muss leider sein - noch mal Donald Trump. Einfach, weil es so schön ist. Nachdem „The Orange One“ vor ein paar Tagen mal wieder von dieser Mauer gefaselt hat, die er an der mexikanischen Grenze bauen will, ist dem ehemaligen mexikanischen Präsidenten Vincente Fox Quesada der Kragen geplatzt. Bei Twitter stellte er klar, dass er für diese Mauer nicht zahlen werde. Bei der Pressekonferenz widersprach Trump dem und wiederholte, Mexiko werde zahlen. Später teilte der mexikanische Präsident Peña Nieto mit, Mexiko werde natürlich nicht zahlen. Vermutlich wird das jetzt erst mal so weitergehen, bis irgendwann die Mauer steht und sich herausstellt, dass Mexiko tatsächlich nicht zahlt. Was dann passiert, kann man sich auch schon denken. Trump wird sagen, er habe nie behauptet, dass Mexiko für die Mauer zahlen wird. Und wenn jemand das Gegenteil behauptet, wird er einen Tweet schreiben, dessen letzte Worte man ebenfalls heute schon ahnt: „(…) Very unfair! #Fakenews!“
Neues Altpapier gibt es wieder am Freitag.