Die Meldung des Wochenendes kam am Sonntag in weißer Schrift auf schwarzem Grund. Die Bild am Sonntag berichtete über das neue Grundsatzprogramm der CSU. Dort will sie sich auch Gedanken über die Zukunft von ARD und ZDF machen.
„Die Partei will eine Fusion von ARD und ZDF! Man strebe langfristig die Beseitigung von Doppelstrukturen und die Zusammenlegung von ARD unter einem Dach an. >>Wir sind der Auffassung, dass die Grundversorgung auch von von einer öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt geleistet werden könnte<<, sagte Seehofer BamS. CSU-Chefstratege Markus Blume: >>ARD und ZDF brauchen neue Schlagkraft, kein Beharren auf veralteten Strukturen.<<“
In vergleichbarer Weise könnten „Chefstrategen“ der CDU für die Beseitigung von Doppelstrukturen in den Unionsparteien eintreten. Die Abschaffung der CSU hätte sicherlich für die CDU in der aktuellen politischen Situation diverse Vorteile, die aber keineswegs mehr Schlagkraft bedeuten müssten. Schließlich verringerte es die Möglichkeiten zum Spiel mit verteilten Rollen. Auch medienpolitisch bliebe das nicht folgenlos. So verschwände die CSU aus den „Berliner Runden“ in ARD und ZDF. Und wer will sich schon einen Wahlabend ohne einen CSU-Generalsekretär vorstellen? Außer der Bundeskanzlerin natürlich. Ob damit die Effizienz dieser Diskussionssendungen gesteigert werden könnte, bliebe bis dahin ebenso ungeklärt.
Aber jenseits dessen ist es schon seltsam, wenn die CSU in ihrem Grundsatzprogramm für die Reduzierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens auf eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt eintreten sollte. Das bedeutete nämlich, die Abschaffung der ARD fordern zu müssen. Schließlich ist sie die „Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland“. Wer wie Seehofer nur eine solche Anstalt haben möchte, wird daher wohl auf das heutige ZDF setzen müssen. Das könnte sogar unverhoffte Effizienzpotentiale freisetzen. Der Münchner Merkur wies in seiner aktuellen Berichterstattung zu diesem Thema noch einmal auf folgende Aussage des bayerischen Ministerpräsidenten aus dem April hin.
„Seehofer hat das ZDF-Landesstudio Bayern als >>Aushängeschild für erstklassigen Journalismus<< gelobt. Bei einer Feier zur Begrüßung des neuen Studioleiters Jürgen Bollmann sagte Seehofer am Mittwochabend: >>Was aus diesem Studio in Unterföhring gesendet wird, das hat Niveau, Klasse und Stil.<< Der CSU-Chef, der dem ZDF-Verwaltungsrat angehört, ergänzte: >>Es gibt Tage, da kommt Bayern im ZDF besser weg als im Bayerischen Rundfunk.<< Die Staatsregierung liefere auch immer wieder genügend Stoff für die Berichterstattung, weil >>wir Regierung und Opposition gleichzeitig sind<<.“
Sie wäre unter anderem nicht mehr mit den lästigen Personalfragen konfrontiert: Ob nämlich das CSU-Parteibuch die Voraussetzung sein könnte, um an möglichst vielen Tagen möglichst Schönes über Bayern und die dortige Staatspartei zu berichten. Die CSU widerlegte damit zudem eindrucksvoll das Vorurteil, im deutschen Süden wäre besonders viel Verständnis für Doppelstrukturen im Föderalismus zu finden. So leistet sich der Freistaat sogar noch einen Finanzminister namens Markus Söder, der so unausgelastet ist, dass er sogar andauernd in diversen Talkshows außerhalb Bayerns auftreten kann.
So ist aus diesen wenigen Sätzen in der BamS rein logisch nur folgende Schlussfolgerung möglich. Die CSU will in ihrem Grundsatzprogramm dem ZDF die öffentlich-rechtliche Grundversorgung überlassen. Deshalb will sie den Bayerischen Rundfunk abschaffen, um veraltete Doppelstrukturen abzuschaffen. Das traut sich die CSU aber nicht zu sagen, weil soviel politische „Schlagkraft“ selbst die CSU nicht verkraften könnte. Aber vielleicht will die CSU das ZDF auch in Wirklichkeit privatisieren oder gar ersatzlos streichen? Dann sollte man das aber auch so in seinem Grundsatzprogramm formulieren.
+++ Facebook kann es bekanntlich niemandem recht machen. In Deutschland sorgt man sich über „Hatespeech“ und in den USA über sexuelle Anzüglichkeiten. Das führt zu einem neuen Bilderverständnis, wie man vergangenen Freitag erleben konnte. Das norwegische Blatt Aftenposten hatte in einer Fotoserie „eine der wichtigsten Kriegsfotografien der Welt“ auf Facebook dokumentiert. Auf die Löschung dieses Fotos reagierte der Chefredakteur der Zeitung mit einem offenen Brief an Facebook-Gründer Mark Zuckerberg.
Der Sachverhalt ist schnell erzählt:
„Der norwegische Autor Tom Egeland hatte es ein paar Wochen zuvor als eines von sieben Bildern auf Facebook beschrieben und veröffentlicht, die das Bild vom Krieg verändert haben. Facebook entfernte das Bild umgehend, und als nicht nur der Schriftsteller, sondern auch Kim Phuc selbst, vor 44 Jahren als Neunjährige im Zentrum des berühmten Fotos, den Eingriff Facebooks kritisierte, wurde Egeland gesperrt. „Aftenposten“ berichtete, veröffentlichte das Bild abermals, und wurde wieder von Facebook zensiert. Keine vierundzwanzig Stunden nach Absenden der E-Mail sei das Bild gelöscht worden, schreibt der Chefredakteur Espen Egil Hansen in einem offenen Brief an Mark Zuckerberg, er habe nicht einmal Zeit gehabt für eine Stellungnahme.“
Das Bild hat natürlich nichts mit Kinderpornographie zu tun. Vor Facebook war auch noch niemand auf eine solche hanebüchene Idee gekommen. Aber dieser Fall weist laut Mathias Müller von Blumencron auf ein grundsätzliches Problem digitaler Öffentlichkeiten hin.
„Es zeigt aber auch, wie der Aufstieg der Plattformen wie Facebook den Charakter der Kommunikation im Internet gefährdet. … . Nun erleben wir, wie Staaten die Schrauben der Zensur anziehen und das Netz als ein perfektes Überwachungsinstrument entdecken. Und wir erleben gleichzeitig, wie immer größere Areale des Internets von privaten Konzernen gemanagt werden, die mit einer simplen Entscheidung ihrer Top-Gremien den Meinungsaustausch von Hunderten von Millionen Menschen beeinflussen und auch zensieren können.“
In früheren Zeiten wäre allerdings auch niemand auf die Idee gekommen, etwa einen Druckmaschinenhersteller für die Produkte zur Verantwortung zu ziehen, die mit deren Hilfe fabriziert worden sind. Bei Facebook ist das offensichtlich anders. Es stellt einerseits die Infrastruktur für die digitale Öffentlichkeit zur Verfügung. Aber gleichzeitig verhält sich das Unternehmen, wie einer von unzähligen Anbietern digitaler Informationen. Letztere können natürlich selber entscheiden, ob sie ein solches Foto auf ihrer Internetseite veröffentlichen wollen oder nicht.
Daraus leitet aber Facebook den Anspruch ab, als Privatunternehmen seine eigenen moralischen und sittlichen Überzeugungen zur Grundlage für die Benutzung dieser Infrastruktur zu machen. Auf diese Weise bekommen die Geschäftsbedingungen von Facebook einen politischen Charakter, den ansonsten nur der Gesetzgeber für sich beanspruchen kann. Aber Facebook agierte noch nie in einem rechtlich luftleeren Raum. Es bleibt in jedem Land den dort geltenden Gesetzen verpflichtet. Aber Von Müller Blumencron macht deutlich, welche Rolle der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg mittlerweile für sich beanspruchen kann.
„Nun ist es zu einem wahren Sündenfall gekommen, einer bei Facebook beispiellosen Attacke auf die Meinungsfreiheit. Man kann nur hoffen, dass Zuckerberg an diesem Tag, wenn er denn in Kalifornien endlich aufgewacht ist, sein Team zur Räson ruft. Dass ein Medium wie das norwegische Blatt Aftenposten, die größte seriöse Zeitung des Landes, plötzlich nicht mehr prägenden Dokumente der westlichen Geschichte teilen darf, deren Verbreitung keinerlei gesetzliche Grenzen berührt, selbst wenn sie verstörend wirken, kann und darf nicht sein.“
Die Meinungsfreiheit ist aber wohl kaum von den Schlafbedürfnissen Zuckerbergs abhängig zu machen. Der immer noch junge Mann ist nämlich kein Ersatz für den Rechtsstaat. Letzterer ist langsam, und wäre bei Aftenposten übrigens zu keinem Zeitpunkt aktiv geworden. In vielen anderen Fällen wird aber von Facebook genau diese Schnelligkeit verlangt. Das Löschen von Postings geht nämlich wesentlich schneller als die prozederale Logik eines Rechtsstaates, der eines nicht bieten kann: Einen kurzen Prozeß.
Wer diesen aber etwa bei Hatespeech-Vorwürfen wünscht, darf sich anschließend nicht darüber beschweren, wenn es in anderen Fällen zu unerwünschten Nebenwirkungen kommt. Facebook hat mittlerweile alle Attribute einer Willkürherrschaft. Sie zeichnet sich vor allem durch Unberechenbarkeit aus. Deshalb ist es nicht nur ein Skandal, dass Facebook dieses Foto löschte. Es ist dessen Kehrseite, wenn dieses Foto genauso umstandslos wieder erlaubt wird, weil im fernen Kalifornien endlich jemand aufgestanden ist. Hoffentlich sind das nicht die modernen Strukturen, die die CSU in ihrem Grundsatzprogramm meint.
Altpapierkorb
+++ Am vergangenen Freitag wurde schon im Altpapier über das Interview berichtet, das Tilo Jung mit dem Berliner Oberbürgermeister Michael Müller führte. Es wurde auszugsweise im Tagesspiegel veröffentlicht, obwohl Müller dem Berliner Blatt solche Interviews gar nicht geben wollte. Jetzt hat der Tagesspiegel im eigenen Archiv nach Artikeln recherchiert: „Eine sorgfältige Durchsicht des Tagesspiegel-Archivs seit 2001, als Müller SPD-Fraktionschef wurde, ergab für die Redaktion keine Anhaltspunkte, von welchen Berichten, die sein Privatleben angeblich verletzen, sich der Regierungschef getroffen fühlt. Eine Anfrage des Tagesspiegels an die Berliner Senatskanzlei, welche Artikel und Aussagen die Privatsphäre Müllers verletzt haben könnten, blieb ohne konkrete Antwort. Man wolle dies nicht kommentieren. >>Die Sätze im Interview stehen für sich.<<“ Falls Müller nach den Wahlen am kommenden Sonntag nicht mehr Bürgermeister werden sollte, könnte er sich mit dieser Antwort bei Facebook bewerben.
+++ Zur historischen Dimension der Krise des Journalismus hat jetzt auch der Spiegel-Reporter Cordt Schnibben einen Beitrag geleistet. (Via turi). Bei Helmut Schmidt monierte er einmal dessen Kekskonsum in Redaktionskonferenzen der Zeit. Die wurden beim Spiegel sicherlich auch verzehrt, aber ansonsten sprach man dort gerne dem Wein zu: „Im Journalismus hat sich irgendwann eine Verfettung breit gemacht, vor allem in der Wochen- und Monatspresse und im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Man konnte toll Essen gehen und super Reisen machen. Irgendwann haben manche Journalisten aufgehört, die Vorzüge, die man in diesem Beruf hat, als Bedingung dafür zu begreifen, gut zu recherchieren und gekonnt zu erzählen. Wenn man sich davon belästigt fühlt, dass der Chefredakteur mit einem Thema anruft, weil man es sich in seinem privilegierten Leben so schön gemütlich gemacht hat, dann wird es natürlich pervers. Irgendwann kippt dann dieser Beruf. Das ist leider in den letzten Jahren bei vielen Leuten passiert. Was zum Glück weitestgehend ausgerottet ist, ist der Alkoholismus. … . Hier im SPIEGEL war das früher üblich. Ab vier Uhr ging die Sekretärin mit Wein rum, in manchen Ressorts. … . Weil man im Prinzip zu wenig zu tun hatte. Und weil man es sich erlauben konnte. Außerdem fand man es schick. Es war das Verhalten eines Bohemiens. Man fühlte sich nicht wie ein Redakteur, also wie ein Arbeiter. Man führte einfach ein tolles Leben und schrieb nebenbei ein bisschen.“ Das wäre auch die Lösung für Facebook. Deren Zensoren sollten einfach mehr Wein trinken. Unter Umständen findet sich auch ein Programmierer, der das einem Algorithmus beibringt.
+++ Ebenfalls am Freitag berichteten wir im Altpapier über den Streit bei der VG Wort. Stefan Niggemeier erläutert die Diskussionen bei deren Jahreshauptversammlung am vergangenen Samstag. Es gab kein Ergebnis, soviel sei verraten.
+++ Positves gibt es dagegen vom Nordkurier zu berichten. "Der Nordkurier-Reporter Thomas Krause ist freigesprochen. Das teilte das Oberlandesgericht Rostock am Freitag mit. Damit sind auch alle vorherigen Urteile, die in diesem Fall gesprochen wurden, aufgehoben: Der Reporter war wegen Beleidigung angeklagt, weil er in einem Bericht einen Jäger als "Rabaukenjäger" bezeichnet hatte. Ursache für die Berichterstattung war die Empörung über ein Foto im Internet, welches zeigte, wie der Ueckermünder Jäger an der Anhängerkupplung seines Wagens ein zuvor angefahrenes Reh über eine Landstraße hinter sich her geschleift hatte." Dieser Fall war zum Glück nicht davon abhängig, wann Mark Zuckerberg in Kalifornien endlich aufgestanden war.
+++ Zum Umgang mit der AfD gibt es zwei lesenswerte Artikel von Armin Fuhrer auf Kress und von Udo Stiehl in seinem Blog. Im Standard sieht man dagegen die entscheidenden Wochen im Konflikt um die österreichische Krone. Wobei ja bei unserem südlichen Nachbarn nicht mehr auszuschließen ist, dass dort auch solche Wochen verschoben werden könnten.
+++ In der Süddeutschen Zeitung gibt es noch einen Bericht über die Jahreshauptversammlung bei der VG Wort. Detlef Esslinger war selber vor Ort und stimmte für einen Kompromißregelung mit den Verlagen. „Die Stimmung war verdorben, als das Ergebnis der Auszählung bei den Journalisten bekannt gegeben wurde. 70 hätten zustimmen müssen, damit der Vorstand der VG Wort die Rückforderungen für Zehntausende Buchautoren hätte stellen dürfen, aber nur 67 Journalisten taten es (darunter der Autor dieses Textes). "Vielen Dank", riefen einige Buchautoren höhnisch Richtung Freischreibertisch. Mittelfinger wurden gereckt. Vor allem Autoren, die für kleinere Verlage arbeiten, waren die Anträge von Vogel und den "Freischreibern" zu radikal. "Von der Art, wie wir die Rückzahlung organisieren, hängt ab, ob ich künftig überhaupt noch einen Verlag vorfinde", sagte einer. Viele von ihnen leben von ihren Büchern, anders als Journalisten.“
+++ Über eine Studie zur „digitalen Diskriminierung“ berichtet Spiegel online. Wie die Medien auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 reagierten, ist bei Kress nachzulesen.
+++ Schließlich hat die sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla auf ein Interview mit dem türkischen Journalisten Can Dündar im „heute journal“ mit einem Tonfall reagiert, der Kindern in gut funktionierenden sächsischen Elternhäusern sicherlich untersagt wäre. Darauf reagiert die DJV-Sachsen mit einem Brief. Aber wir nutzen vor allem die Gelegenheit, um wie immer am Montag auf die Lage von Journalisten in der Türkei aufmerksam zu machen. Hintergründe findet man hier und hier.
+++ Über die Situation der Medien in Russland berichtet Tagesschau.de.
Das Altpapier gibt es wieder am Dienstag.