Dorfvorsteher Mark Zuckerberg im Interview

Dorfvorsteher Mark Zuckerberg im Interview
Leonardo DiCaprio hat heute Nacht seinen Oscar bekommen. Soweit ist Mark Zuckerberg noch nicht. Er hat dafür seine Max. Über die Profanität des Alltags und die Mühen mit der künstlichen Intelligenz informiert er uns in zwei Interviews mit den Sonntagszeitungen des Axel Springer Verlags.

An diesem Montag ist in den Medien einiges los. In Los Angeles wurden die Oscars vergeben. Die Schweizer haben in einem Referendum die Einzelfallprüfung krimineller Ausländer nicht abgeschafft. Im Iran gewannen die Reformer die Wahl, während in Irland die Regierung eines desaströse Niederlage erlitt. Bei Anne Will war die Bundeskanzlerin zu Gast, um ein solches Schicksal bei den kommenden Landtagswahlen zu verhindern. Dafür wartet die Welt schon jetzt auf den berühmten Super-Dienstag in den USA, wo die Vorwahlen zum nächsten US-Präsidenten in die entscheidende Phase treten. Die Verwirrung in den Medien über den Erfolg des republikanischen Kandidaten Donald Trump ist ja offenkundig. Was sich aber heute wirklich lohnt? Zwei Interviews mit dem Dorfvorsteher Mark Zuckerberg im global village. Wir erleben, wie die Profanität des Alltags zu einer Heldengeschichte werden kann.

+++ Die Welt ist bekanntlich ein Dorf. Herbert Marshall McLuhan hat diesen Begriff vom „global village“ schon 1962 geprägt. Walter van Rossum zitierte ihn 2009 in einem Beitrag für das Deutschlandradio mit folgenden Worten.

Der elektronische Mensch verliert seinen Bezug sowohl zu den Vorstellungen eines regelsetzenden Zentrums als auch zu den Zwängen einer Sozialordnung, die auf gegenseitiger Verpflichtung aufbaut. Unablässig lösen sich Hierarchien auf oder bilden sich neu."

McLuhan meinte 1962 noch das Fernsehen und selbst van Rossum erwähnte in seiner Würdigung aus dem Jahr 2009 den heutigen Dorfversteher Mark Zuckerberg mit keinem Wort. Zwar war Facebook zu diesem Zeitpunkt schon fünf Jahre alt, aber zu diesem Job hätte es damals noch nicht gereicht. Dafür war aber der Boulevard schon immer ein guter Indikator dafür, was wichtig ist oder auch nicht. So hat es Mark Zuckerberg nebst Gattin Priscilla an diesem Wochenende exclusiv gleich in zwei Sonntagszeitungen des Axel Springer Verlages gebracht. In der Bild am Sonntag machte er sogar den Bundesjustizminister und dessen gute Bekannte Natalia Wörner zur Randnotiz auf dem Titel. Dabei gibt es ansonsten für den Boulevard nichts Schöneres als die Öffentlichkeit über das Liebeslieben der Prominenten in dieser Gesellschaft auf dem Laufenden zu halten. Aber Mark und Priscilla Zuckerberg dürfen sicherlich mehr Rücksichtnahme auf ihre persönlichen Befindlichkeiten erwarten als prominente Berliner Politiker und Schauspielerinnen. Im globalen Dorf haben Letztere nur nationale Bedeutung.

Aber dafür sind die Erkenntnisse von Mark Zuckerberg nebst Gattin Priscilla in diesem Interview atemberaubend. So wurde das Paar von Springer-Chef Mathias Döpfner unter anderem gefragt, wie die Geburt ihres gemeinsamen Sohnes Max, der aber in Wirklichkeit eine Tochter ist, das Leben des Ehepaares verändert habe. Wenn man jeden anderen Menschen danach fragen sollte, bekommt man folgende Antworten: Weniger Schlaf und weniger Zeit. Außerdem freuen sich alle Eltern über den kleinen Racker. Er sorgt etwa dafür, nicht mehr soviel Zeit mit dem Posten irgendwelchen Unsinns auf Facebook zu verschwenden. Das Leben ist analog viel schöner, was einem spätestens beim Windeln wechseln auffallen sollte. Aber bei einem Dorfvorsteher wird sogar die Profanität des analogen Alltags zur Heldengeschichte. So wäre Mark Zuckerberg „eben ein ehrgeiziger Mensch“, wie er Döpfner mitteilte. Er hätte „sich wirklich damit beschäftigt“, weil er „herausfinden wollte, wie das besser geht“. Zuckerberg meinte nicht das Knacken von Apple I-Phones, sondern – das Wickeln. Wir zitieren die Gattin:

„Er war die ganze Zeit zu Hause. Er kümmert sich wirklich toll um Max. Er wickelt sie, weil das etwas ist, das er kann. Wir warteten bis zur vierten Woche, bevor sie das Fläschchen bekam, davor habe ich gestillt. In der Zeit fragte er jeden Tag: „Ist`s heute so weit?“ und ich „Nein, Du hast keine Vorstellung, was vier Wochen sind, oder? Nicht heute. Er liebt das zu machen.“

Aber der Gatte badet gerne, wenn auch hoffentlich nicht lau. Es geht schließlich um Max. Sie zu baden, wäre die besondere Stärke des Gatten.

„Er liebt die Badestunde, und er liebt es, sie von Anfang bis Ende im Bad zu haben. Was er nicht so drauf hat, ist, wenn sie weint, weil sie nicht eingecremt werden möchte. Aber das muss ja sein. Bei diesem Thema ist er nicht besonders schnell und effizient.“

Solche Antworten ließen bei jedem anderen Menschen in unserem Dorf eine Frage offen: Ob das Paar noch seine sieben Sinne beisammen hat? Wer kommt ernsthaft auf die Idee über eine Tätigkeit, die Millionen Menschen jeden Tag mühelos meistern, im Modus eines Staatsaktes zu referieren? Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder haben die Zuckerbergs miserable PR-Berater, die ihnen diesen Unfug formulierten – oder sie denken tatsächlich so, wie sie es in diesem Interview beichteten. In dem zweiten Springer-Exclusiv-Interview in der Welt am Sonntag, ebenfalls von Döpfner, geht es zwar nicht um die Badestunde mit Max. Deren Zielgruppe ist schließlich nicht an der Windel-Wechsel-Kompetenz von Unternehmensmagnaten interessiert, so die Annahme des Verlags. Aber hier findet man Hinweise, warum das Ehepaar wirklich so denkt, wie es in der Selbstoffenbarung in der Bild am Sonntag deutlich wurde. Auf die Frage, wie künstliche Intelligenz die Gesellschaft verändern werde, antwortete Zuckerberg so:

„Meine Erfahrung ist, dass Menschen auf zwei Weisen lernen. Man spricht vom angeleiteten und vom nicht angeleiteten Lernen. … Eigentlich ist das ein Wiedererkennen von Mustern. Mehr können wir heute nicht umsetzen. Das andere, das nicht angeleitete Lernen, ist aber die Art, wie in Zukunft die meisten Menschen lernen werden. Dabei hat man ein Modell dessen im Kopf, wie die Welt funktioniert, und das verfeinert man, und man versucht vorauszusagen, was künftig passieren wird. Das wiederum nützt, um darauf zu schließen, wie die eigenen Handlungen aussehen sollten; auch davon hat man dann eine Art Modell: Okay, ich führe diese Aktion aus und erwarte, dass in der Welt das und das aufgrund meiner Handlung passiert. Dabei wird uns künstliche Intelligenz helfen.“

Unter dieser Annahme werden die profanen Dinge des Alltags zu einem kaum zu lösenden Problem. Man muss erst einmal ein Modell im Kopf haben, um später das Windeln wechseln verbessern zu können. Insofern ist Zuckerberg ein gutes Beispiel, woran die „künstliche Intelligenz“ in Zukunft scheitern könnte: Am Alltag. Und der Axel Springer Verlag könnte somit investigativen Journalismus betrieben haben. Aber wahrscheinlich ging es ihm lediglich um die guten Beziehungen zu einem Unternehmensmaganaten, den der Verlag für den Vorsteher im globalen Dorf hält. Dafür bekommt er sogar den „Axel Springer Award“. Zuckerberg ist aber erst 31 Jahre alt, entsprechend in dieser Funktion zwangsläufig überfordert. Frühere Großkapitalisten haben nämlich sogar im hohen Alter noch Unsinn erzählt, etwa Henry Ford. Aber Geschäftsmodelle leben auch nicht von der intellektuellen Brillianz ihrer leitenden Angestellten. Niemand wusste das besser als Axel Springer. Deshalb wird die Bild das Publikum weiterhin über die Zukunft von Heiko Maas und Natalia Wörner informieren. Über ihre Modelle im Kopf, wie das Ehepaar Zuckerberg, müssen die beiden in Interviews ja keine Auskunft geben.

+++ Ein anderes Thema an diesem Montag ist der Auftritt der Kanzlerin bei Anne Will. Vorher hatte schon Horst Seehofer dem Spiegel ein Interview gegeben. Ein Thema war unter anderem die Berichterstattung in den Medien über die Flüchtlingskrise. Seehofer kritisiert vor allem ARD und ZDF.

„Überspitzt gesagt: Wenn die nicht Live-Sendungen hätten, dann sie wenige der Lebenswirklichkeit entsprechenden Programminhalte. … . Zum Teil gab es eine Berichterstattung, die wenig mit der Realität zu tun hatte.“

Er nennt zwei Beispiele, die ARD und ZDF allerdings selber schon längst thematisiert hatten. Die verspätete Berichterstattung zu Köln im ZDF und die Bilderauswahl der ARD in der Flüchtlingsberichterstattung. Wesentlich interessanter ist seine Antwort auf die „plurale Medienlandschaft“. Die Spiegel-Kollegen nannten die FAZ, um den grassierenden Vorwurf des homogenen Medienblocks namens „Lügenpresse“ zu entkräften. Medienfreiheit und Medienvielfalt hießen nämlich nicht, „dass man seine Sicht der Dinge in jedem einzelnen Medium wiederfinden“ müsse. Seehofer antwortete darauf so:

„Für mich ist viel zu häufig die persönliche Überzeugung der Autoren der Maßstab für die Berichterstattung.“

Was Seehofer meint, könnte in diesem Tweet gut zum Ausdruck kommen. In Kiel bedrängt eine „Männergruppe“ Schülerinnen, während in Clausnitz ein „grölender Mob“ unterwegs gewesen ist. Das Problem ist nicht die Wortwahl, sondern die Asymmetrie. In politischen Diskursen ist diese normal, ob man das nun für richtig hält oder nicht. In der Berichterstattung muss man allerdings identische Vorfälle entsprechend beschreiben. Nur was ist der Mob?

„Der Mob setzt sich zusammen aus aus allen Deklassierten. In ihm sind alle Klassen der Gesellschaft vertreten. Es ist das Volk in seiner Karikatur und wird deshalb so leicht mit ihm verwechselt. … . Der Mob kann nicht wählen: Er kann nur akklamieren oder steinigen. Daher verlangten seine Führer schon damals die plebiszitäre Republik, mit der moderne Diktatoren so vorzüglich Erfahrungen gemacht haben. Der Mob haßte die Gesellschaft, aus der er ausgeschlossen, und das Parlament, indem er nicht vertreten war.“

Der Mob wäre das Produkt der damaligen Gesellschaft wie der Politiker der Dritten Republik in Frankreich gewesen, so Hannah Arendt in ihrem „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ aus dem Jahr 1955. Es ging um die Atmosphäre in der Zeit der Dreyfus-Affäre. So ist der Gebrauch des Wortes Mob für die Afghanen in Kiel nur unter der Bedingung gerechtfertigt, wenn man sie als Teil des deutsche Volkes betrachtete. Gesellschaft wie Politiker der Dritten Republik fühlten diesem Produkt ihrer Regierung gegenüber „ein gewisses aus Angst, schlechtem Gewissen und Bewunderung gemischtes Zusammengehörigkeitsgefühl“, so Arendt. Wer aber Hannah Arendt für zu anspruchsvoll halten sollte, und es daher lieber mit dieser Definition des Mobs aus der Welt versuchen sollte, bekommt selbstredend ein Problem mit seiner differenzierten Wortwahl. Dann war die Männergruppe in Kiel tatsächlich ein Sex-Mob.

Davon dem Mob „ein gewisses aus Angst, schlechtem Gewissen und Bewunderung gemischtes Zusammengehörigkeitsgefühl“ zu bekunden, konnte bei der Kanzlerin gestern Abend nicht die Rede sein. In der Beziehung kann man der gesamten deutschen Politik auch keine Vorwürfe machen. Oder wie formuliert es der Chefredakteur von ARD-Aktuell, Kai Gniffke, in seiner Antwort auf Seehofer?

„Erlauben Sie mir noch eine persönliche Einschätzung zur Politik Horst Seehofers – hier im Blog darf ich das, ist schließlich keine Tagesschau. Unabhängig davon wie ich seine Haltung in der Flüchtlingsfrage finde, halte ich es für gut und wichtig, dass es einen namhaften Politiker und Demokraten gibt, der im politischen Meinungsstreit denjenigen eine Stimme verleiht, die skeptisch sind, ob unser Land das hinbekommt. Jemand, der die Leute vertritt, die nicht rechtsextrem oder fremdenfeindlich sind, die sich aber einen dezidiert anderen Kurs wünschen. Diese Menschen brauchen eine Vertretung im demokratischen Spektrum. Und diese Menschen kommen auch in unserer Berichterstattung vor.“

Genau das ist das von Seehofer angesprochene Problem der „persönlichen Einschätzung“. Wie kommt Gniffke auf die seltsame Idee, „Leute, die einen dezidiert anderen Kurs wünschen“, in den Kontext von „rechtsextrem oder fremdenfeindlich“ zu stellen? Das Selbstverständliche, nämlich den demokratischen Meinungsstreit abzubilden, scheint wohl nicht so selbstverständich gewesen zu sein. Ansonsten müsste er es nicht extra herausstellen. Aber das ist jetzt auch nur eine persönliche Einschätzung. Das darf man schießlich in einer Medien-Kolumne.

Altpapierkorb

+++ Was sich im aktuellen Spiegel lohnt? Die Leserbriefe zum Thema Vertrauenswürdigkeit der deutschen Presse. Dort findet sich unter anderem der Ratschlag: „Jeder liest seinen Artikel nach einem Jahr noch mal und berichtet in der Redaktionskonferenz, was er seitdem gelernt hat“. Das machen wir glatt. Am 2. März vergangenen Jahres ging es in dieser Kolumne um die Parodisten der Aufklärung. So zitieren wir uns selbst: „Insofern macht der aktuelle Spiegel Titel nur deutlich, worum es in Wirklichkeit geht. "Die Weltregierung. Wie das Silicon Valley unsere Zukunft steuert" ist nichts anderes als der Appell, die Kontrolle über das eigene Leben zu behalten. Sich nicht der kruden Ideologie von Technokraten zu überlassen, die zugleich als Interessenten des digital-industriellen Komplexes auftreten. Die im Spiegel beschriebenen Vorbeter der Digitalisierung wirken mittlerweile wie eine Parodie auf Adornos und Horkheimers "Dialektik der Aufklärung", die die instrumentelle Vernunft schon so verinnerlicht haben, dass sie jeden kritischen Gedanken längst aufgegeben haben.“ Das ist aber jetzt wirklich Zufall.

+++ Um den Auftritt Zuckerbergs ging es auch bei Meedia. Relevanter ist aber das, was Hanno Terbuyken auf diesem Portal schreibt: „Das ist eben das Problem von Facebook: "Hasskommentare" werden auch kulturell sehr unterschiedlich aufgefasst. Wenn ein amerikanischer White-Power-Neonazi sein Facebookprofil mit Hitlerbildern anreichert und sich selbst in eindeutiger Pose ablichtet, ist das in den USA ok - hierzulande aber nicht. Denn die "hate speech"-Gesetze dort greifen erst, wenn ein unmittelbarer Aufruf zu Gewalt vorliegt, so urteilte der Supreme Court.“

+++ Ansonsten sorgte Erika Steinbach für willkommene politische Aufregung in Wahlkampfzeiten. Dazu hat aus Sicht eines Berichterstatters Oliver Das Gupta alles gesagt, was dazu zu sagen ist. Das von Frau Steinbach genutzte Bild geistert übrigens schon seit Monaten durch die sozialen Netzwerke. Man kann Zweifel daran haben, dass es Frau Steinbach nicht vorher schon aufgefallen sein soll.

+++ Legen wir den Wahlkampf zur Seite. Frank Rieger beschäftigt sich in der FAS mit den wirklich wichtigen Dingen. Er schreibt zur Debatte um den Bundestrojaner und der Forderung des FBI an Apple, seine Smartphones zugänglich zu machen. „ Apple hat dieses Ansinnen in eindeutigen Worten abgelehnt. Die Firma befürchtet zu Recht, dass damit ein Präzedenzfall geschaffen würde, der es Strafverfolgern und Geheimdiensten ermöglichte, Technologiefirmen nach Wunsch dazu zu verpflichten, durch Einrichten einer „Hintertür“ Daten doch lesbar zu machen. Wenn der Präzedenzfall einmal existiert, könnten auch die Behörden in Staaten wie China einen derartigen Zugriff fordern und im Verweigerungsfall Apple den Zugang zum jeweiligen Markt verwehren. Die Vehemenz, mit der sich Apple, unterstützt von anderen Silicon-Valley-Riesen, gegen das staatlichen Begehren wehrt, ist jedoch nicht nur kommerziell motiviert. Im Gefolge des NSA-Skandals sind zuverlässige Verschlüsselung und Freiheit von „Hintertüren“ eine Grundanforderung an Digitalgeräte geworden. Die Telefone und Tablets, denen wir unsere intimsten Gedanken und Gefühle anvertrauen, mit denen wir unser Leben managen und über die ein Großteil unserer Kommunikation läuft, sind de facto zu einem ausgelagerten Teil unseres Gehirns geworden. Wenn das FBI versucht, hier die gleichen Maßstäbe wie früher bei der Beschlagnahmung schriftlicher Notizen anzusetzen, ignoriert es den Wesenskern der digitalen Lebensspuren, die zentrale Bedeutung der Geräte im modernen Alltag.“ Hier könnte man wirklich jeden Satz hervorheben.

+++ Zudem formuliert Rieger den politischen Kern des Problems: „Kern beider Debatten ist die Frage, ob der Staat in Gestalt von Polizei und Geheimdiensten das Recht haben soll, in die digitalisierten Gedanken und Lebensspuren seiner Bürger Einblick zu nehmen. Hätten diese Institutionen in der Vergangenheit verantwortlich, maßvoll und vorsichtig agiert, gäbe es bei ihnen eine Kultur der vorsichtigen Zurückhaltung in der Anwendung von Befugnissen und der strikten Befolgung nicht nur der Buchstaben, sondern auch des Geistes der Grundrechte, müsste die heutige Debatte wahrscheinlich nicht geführt werden.“ Solange diese von Rieger erwähnte „Kultur der Zurückhaltung“ nicht rechtlich kodifiziert und politisch akzeptiert wird, wird der Kampf um eine rechtsstaatliche Verfaßtheit unserer digitalisierten Zukunft weitergehen müssen.

+++ Zur Oscar-Verleihung findet man auf allen Portalen alles Wissenswerte. Nur eine Frage sei erlaubt: Haben wirklich alle die nominierten Filme gesehen, über die sie dort berichten?

+++ So findet das Ergebnis der Volksabstimmung in der Schweiz über die Degradierung von Ausländern im Rechtsstaat breite Zustimmung unter den Kommentatoren. Das war bekanntlich nicht der Fall gewesen als es in der Schweiz um den Bau von Minaretten gegangen war. Eric Gujer, Chefredakteur der NZZ, beschreibt das Problem: "Die "Halbe-halbe-Schweiz" ist ein polarisiertes Land. Die Kontrahenten verbleiben in ihren ideologischen Stellungen, weil sie wissen, dass die nächste Auseinandersetzung bald folgen wird. Der Sonntag ist daher trotz allem kein wirklich guter Tag für die direkte Demokratie. Denn in der Dauerkonfrontation bleiben der Wille zum Ausgleich und die Bereitschaft zur Mäßigung auf der Strecke. An die Stelle des Grundkonsenses, der letztlich alle Lager verbindet, tritt eine Politik mit Unbedingtheitsanspruch. Um ein Ziel zu erreichen, sind einzelne Kräfte bereit, fest verankerte Regeln wie die Unabhängigkeit der Justiz zu opfern. Der Bestand an gemeinsamen Werten wird durch das Crescendo an Initiativen mit immer weitreichenderen Forderungen leichtfertig infrage gestellt. Es ist zwar noch einmal gutgegangen. Eine Antwort auf diese Herausforderung hat die direkte Demokratie aber noch nicht gefunden." Aber hier wird deutlich, wie ambivalent Plebiszite zu bewerten sind. Hannah Arendt hatte schon 1955 darauf hingewiesen. Man sollte daher der Versuchung widerstehen, dieses Instrument der politischen Willensbildung mit den bevorzugten Ergebnissen zu verwechseln.

+++ Man weiß heute wirklich nicht, was wichtig ist. Vielleicht doch die Haftentlassung von Uli Hoeneß? Sie fehlt jetzt nicht mehr. Das gilt in gleicher Weise für die Türkei. Sie dürfte allerdings wirklich einmal an einem Montag fehlen. Oder noch besser: Wenigstens einmal mit positiven Meldungen zum Umgang mit Journalisten auffallen.

Das Altpapier gibt es wieder am Dienstag.

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