Die SPD startet durch

Die SPD startet durch

Oder sie hilft zumindest dem Leistungsschutzrecht beim Durchstarten. Und den Zeitungsausträger-Arbeitgebern beim Mindestlohn. Außerdem: "Talfahrt der Tagespresse". KT zu Guttenberg war wieder da. Wo alles noch viel schlimmer ist als im ZDF-Verwaltungsrat.

So angespannt wie heute am Vorabend während der von 18.00 bis 19.55 Uhr laufenden ZDF-Sendung waren die traditionell guten deutsch-amerikanischen Beziehungen wohl schon lange nicht mehr.

Wohl nichts könnte sie mehr belasten und die Deutschen gesamtgesellschaftlich mehr aus der "Fassung" (der hochrangige Volksvertreter Norbert Lammert im Zusammenhang und in Friedemann Karigs Blog) bringen, als wenn Klinsi dank NSA schon vorab wüsste, ob Schweini denn nun in der Startelf steht, wie in der vielfältigen Comedy-Landschaft schon vielfach bewitzelt wurde (vgl. z.B. Karl Sack-Reis in Springers Welt).

Zur sonstigen deutsch-amerikanische Gemengelage gehört, dass am morgigen Freitag dann der lange anberaumte, vom österreichischen Standard als "Abklingbecken für die NSA-Affäre" bezeichnete "Transatlantische Cyber-Dialog" (Auswärtiges Amt: "Via Twitter können Sie sich an der Debatte unter #cyberdialogue beteiligen") losgeht.

Außerdem gehört dazu, dass der bekannte Transatlantiker KT zu Guttenberg gerade mal wieder in Berlin performte, in der Microsoft-Niederlassung Unter den Linden, und zwar nun als Obama- und Google-Kritiker (noch mal Springers Welt). Sowie das von Daniel Lücking bei freitag.de publik, vor allem vom "Netzaktivisten-Blog" (sueddeutsche.de) netzpolitik.org bekannter gemachte Kuriosum gehört zur Gemengelage, dass der Bundestag, dessen Mitglieder ihre Kommunikation für schützenswert halten, sein Internet teilweise unmittelbar vom amerikanischen Verizon-Konzern bezieht, also einem Premium-Kollaborateur der NSA.

Überdies gehört zur Gemengelage - ungefähr seit Vizekanzler Sigmar Gabriels Einstieg in die FAZ-Digitalgeneraldebatte - dass über die staatliche NSA-Ausspähung schweigend hinweg gegangen wird, aber die amerikanischen Konzerne, die zu ihren Zuträgern gehören und auf vielen Märkten Monopole besitzen und/ oder anstreben, mit bestehenden deutschen Gesetzen, so unbeholfen sie auch sein mögen, angegangen werden. Um rasch ein ernsthaftes Feuilleton zu zitieren: Gegen "Sieger der digitalen Revolution..., die nun Härte zeigen, wenn es darum geht, neue Machtstrukturen zu  zementieren" (Andrian Kreye, sueddeutsche.de), ist das auch gar nicht falsch.

Das geht Amazon gerade so (FAZ-Feuilleton), das geht Google so, gegen das eine Handvoll Verlage und die noch ziemlich unbekannte Verwertungsgesellschaft VG Media bekanntlich das noch ziemlich diffuse Leistungsschutzrecht verwenden möchten (Altpapier).

In dieser Sache sorgte gestern ein hochrangiger Politiker und Parteifreund Gabriels für eine relativ faustdicke Überraschung:

"Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat eine Verschärfung des Leistungsschutzrechtes in Aussicht gestellt, mit dem Presseverleger Geld für die gewerbliche Nutzung ihrer Inhalte einfordern können",

meldet zeit.de.

"Die SPD-Fraktion spricht von einer 'Zensur' durch Google",

würde golem.de sogar sagen, das den ausführlichsten Bericht über die Veranstaltung bietet, darin auch die in der Öffentlichkeit ziemlich unbekannte Position der CDU zurselben Sache (identisch) bekannt macht, und im Update eine Stimme der possierlichen Opposition im Bundestag nennt:

"... zeigte sich hingegen verwundert über die Position des Justizministers. 'Wie absurd ist das denn?! Vor Kurzem wollte SPD Leistungsschutz noch abschaffen, jetzt verspricht Maas Verlagen eine Verschärfung?', twitterte der Grünen-Netzpolitiker Konstantin von Notz".

Um die Kirche im Dorf zu lassen: Die SPD war sicher irgendwann teilweise gegen dieses LSR. Dafür war sie aber auch gewesen, z.B. vor einem Jahr in Gestalt Frank-Walter Steinmeiers bei der gleichen Gelegenheit, dem Kongress Deutscher Lokalzeitungen, bei der gestern Maas auftrat. Das übrigens durchaus sympathisch:

"Maas begrüßte die Wahrnehmung des Leistungsschutzrechtes für Verlage durch die Verwertungsgesellschaft Media. 'Ich hoffe sehr, dass es der VG Media gelingt, hier für mehr Fairness im Netz zu sorgen. Wir werden die Entwicklung hier sehr genau beobachten und wünschen der VG Media dabei viel Glück', sagte der Bundesjustizminister",

meldet der Verband selbst (lokalepresse.de). Regelmäßige Leser dieser Kolumne wissen, dass solche Zeitungs-Kongresse schon seit einigen Jahren keine reinen Gute-Laune-Veranstaltungen mehr sind und sein können. So wurden gestern nicht allein übliche Reden gehalten ("... betonte Kurt Beck, Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung, die Bedeutung einer freien Presse. Auch in der digitalen Welt böten gerade lokale Zeitungen eine unverzichtbare Meinungsvielfalt ... "). Es wurde auch die Ebert-Stiftungs-Studie "Talfahrt der Tagespresse: Eine Ursachensuche" vorgestellt, die - so disruptiv ist dieses Internet - für harte Leseratten -füchse auch bereits als 132-seitiges PDF zum Download bereitsteht.

####LINKS####

Wir, die wir hier ja immer alles gründlich durchzulesen pflegen, haben die von Prof. Dr. Andreas Vogel in Nachfolge von Stephan Weichert/ Leif Kramp verfasste Studie noch nicht vollständig durcharbeiten können. Ins Auge springt freilich die Alliteration im Titel, weil sie der gerade von Verlegern bei eigentlich jeder Gelegenheit strapazierten Chance-Herausforderungs-Rhetorik so zupackend widerspricht.

Zurück zur Haupt-Pressemitteilung von lokalepresse.de. Darin steht noch etwas Bemerkenswertes:

"Planungen aus dem Bundesarbeitsministerium, nach denen für Zeitungsboten zunächst fünf Jahre lang geringere Sozialabgaben wie für Mini-Jobber in Privathaushalten gelten sollen, bezeichnete Maas als eine gute Möglichkeit, den Zeitungsverlagen bei ihrer Forderung nach Ausnahmeregelungen für den geplanten Mindestlohn entgegenzukommen."

Das populäre Online-Boulevardmedium SPON spitzt dies etwas kräftiger zu:

"Verleger sollen Minijobber günstiger anstellen können. Die Zeitungsbranche wäre damit bisher die einzige Branche, für die es eine Sonderregelung gibt.  Für andere Bereiche wie Saisonarbeiter in der Landwirtschaft ..."

gilt das einstweilen nicht. Noch ein Schluck mehr aus der Pulle für die Verlage!  

Verfolgt die SPD also doch eine konsequente Medienpolitik, anstatt Positionen dazu mal so, mal so zu vertreten und in den großen Posten-Verteilungs-Runden zur Disposition zu stellen, wenn es bei Dingen, die ihr wirklich wichtig sind, wie der Rente, etwas zu gewinnen gibt?

Immerhin ist die SPD - das wurde früher gerne von der jeweiligen Opposition betont -, über die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH ja selbst an einer Menge Zeitungen zwischen Cuxhaven und Rheinland-Pfalz beteiligt. Seitdem die Frankfurter Rundschau insolvent gegangen war, sind's wieder nur noch lokale. Wer in solchen Zeitungen manchmal blättert, weiß, dass lokale Bürgermeister und nationale Minister von der SPD darin selten besonders kritisch beleuchtet werden. Wenn man dann noch annimmt, dass das bekanntlich von Kurt Beck, der außer der Ebert-Stiftung auch dem ZDF-Verwaltungsrat weiterhin vorsitzt, iniitiierte Bundesverfassungsgerichts-Urteil zu den Sendergremien gar keine ungeheure Politikferne fordert (Altpapier) und derzeit erwogen wird, wie der Einfluss der großen Parteien auch in neuer Konstellationen bei ARD und ZDF gewahrt bleiben kann ... Ist das ein sozialdemokratisches Bild, BAMS, Glotze 2.0- oder sogar schon 3.0-Konzept?

[+++] Halt! Bevor wir uns hier in haltlosen Verschwörungstheorien verlieren, "eine Gegenrede"! Sie steht zufällig gerade im Tagesspiegel:

"Der ZDF-Verwaltungsrat ein gruseliges, von der Politik dominiertes, nach Parteienproporz in zwei Lager geteiltes Gremium, in dem permanent schwer gegen die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gesündigt und der Intendant herumkommandiert wird - dieses Klischee ist längst omnipräsent",

klagt Hans Georg Koch, der seit 2012 diesem Verwaltungsrat angehört. Dabei stimme es gar nicht, ja:

"In der alltäglichen Arbeit des Verwaltungsrats Politisierung oder Polarisierung zu vermuten, ist geradezu skurril".

Polarisierung beim ZDF? Hat jemals jemand so etwas vermutet?

Aufschlussreich ist jedenfalls Kochs Königs-Argument am Ende seiner Gegenrede:

"Es ist für mich ein Rätsel, weshalb das ZDF wegen seiner angeblich so grauslich politisierten Gremien am Pranger steht, dem Publikum aber konsequent vorenthalten wird, wie es bei anderen öffentlich-rechtlichen Sendern aussieht. Beispiel SWR: In dieser Zweiländeranstalt ist der Verwaltungsrat nicht nur größer (15 Mitglieder) als in der 16-Länder-Anstalt ZDF (14), sondern ... Im Vergleich dazu ist das ZDF ein Muster an Staatsferne und parteipolitischer Ausgewogenheit und hat deshalb Anspruch auf Ehrenrettung. Das musste mal gesagt werden."

Uff. Und im unmittelbaren Vergleich mit Reinhold Beckmann kann man Katrin Müller-Hohenstein gleich auch nicht mehr so viele Vorwürfe machen.
 


Altpapierkorb

+++ Was macht eigentlich die FDP, eine vor gar nicht so langer Zeit noch in vielen Parlamenten vertretene Partei? Im nordrhein-westfälischen Landtag, in dem sie noch sitzt, fordert sie, "Journalismus als gemeinnützig anzuerkennen". Bülend Ürük (newsroom.de) und Ruhrbaron David Schraven (mit charmantem Kneipenfoto eines FDP-Medienpolitikers) scheinen die Idee gar nicht so doof zu finden. +++

+++ Mehr Deutsch-Amerikanisches: eine SZ/ WDR/ NDR-Enthüllung über Datenaustausch in Frank-Walter Steinmeiers Verantwortung. +++

+++ Vermutlich nicht unbedingt eine Hilfe für Datensicherheit: das "eigene Internet", mit dessen Aufbau Russland dem Tagesspiegel zufolge beginnt. +++

+++ Dass die Lage des Fotojournalismus "hoffnungslos und blendend zugleich ist", stand vor kurzem hier im Altpapier (im Korb). +++ Nun hat die TAZ ein Interview mit einem World Press Photo Award-Gewinner dieses Jahres, dem gebürtigen Bielefelder Julius Schrank geführt: "Sie fotografieren Freiheitskämpfer, Goldgräber oder Kinderprostituierte in Asien - rechnet sich das finanziell?" - "Mir geht es dabei nicht um Geld. Es sind Themen, die mir am Herzen liegen. Hinterher, wenn ich mit den Fotos wiederkomme, sind die  Magazine richtig begeistert." - "Und kaufen die ganze Strecke?" - "Nein. Häufig passen die Bilder nicht zum Heftkonzept. Oder sie sind zu bedrückend. Jeder redet zum Beispiel darüber, dass es in  Birma aufwärtsgeht - und dann komme ich wie ein Pessimist daher. Manche Dinge wollen die Leute einfach nicht hören." - "Ist die Situation für junge Fotografen aussichtslos?" - "Nein. Am freien Markt ist kein Platz für Fehler. ... " Sehr lesenswert. +++

+++ Fast 50 Prozent mehr Redakteursstellen als zuvor angenommen bei der Münchener Abendzeitung: "Offenbar wollen die neuen Eigentümer etwas mehr Mitarbeiter beschäftigen als zunächst gedacht. Die Rede ist inzwischen von erst 30 und bis Jahresende bis zu 35 Arbeitsplätzen", berichtet Claudia Tieschky (Süddeutsche). Und "der Lokalsport soll Teil der Zeitung bleiben". +++

+++ Außerdem beklagt auf der SZ-Medienseite Sonja Zekri die "Monokultur" in den ägyptischen Medien, etwa "Moderatorinnen, die Massenvergewaltigungen auf dem Tahrir-Platz wegkichern". +++

+++ Die Meldung von der "höchsten Schmerzensgeld-Summe ..., um die es vor einem deutschen Gericht bisher ging", ist ein meedia.de-Scoop. Es sind die "insgesamt mehr als drei Millionen Euro" Schmerzensgeld, die Jörg Kachelmann von Focus, der Bunten und der Bild-Zeitung einklagen will. Kachelmanns Anwalt Ralf Höcker, der bekanntlich manchmal bei vocer.org kolumniert, sagte der SZ, "er rechne mit einer mündlichen Verhandlung Ende 2014". Michael Hanfeld von der FAZ sagten sie bei Springer zurselben Sache "Die Anwälte von Jörg Kachelmann haben es nach mehr als drei  Jahren geschafft, ihre zwei Mahnbescheide zu begründen", und "dass Kachelmann dem Verlag just am Mittwoch für einen verlorenen Prozess Geld habe überweisen müssen: bescheidene 2183, 95 Euro". +++ Dass wiederum die Bunte erst mal an Corinna Schumacher werde zahlen müssen, glaubt nach der mündlichen Verhandlung vorm Landgericht München I, die SZ: "Man müsse als Angehöriger eines Prominenten auch in solch einer Situation das Recht haben, unfotografiert in die Klinik zu gehen". +++

+++ Aus dem Medien-Angebot der BLZ: ein Bericht von der ersten TED-, also Technology, Entertainment und Design-Konferenz in Berlin (von der auch Kreye im oben verlinkten SZ-Artikel berichtete), einer zur britischen Medienjustiz (siehe auch Altpapier gestern). +++

+++ Außer um Fotojournalismus geht's auf der TAZ-Medienseite um das aktuelle ARD-Radiofeature. +++

+++ Hätten Sie's gewusst? "Shopping Queen" bei Vox und "Match Me If You Can" demnächst bei RTL sind türkische Fernsehformate. Das schreibt Torsten Zarges bei dwdl.de. +++

+++ "Noch nie hat man sie im Fernsehen zusammen gesehen": Die FAZ war am Wiener Set, an dem Birgit Minichmayr Bertha von  Suttner spielt und Sebastian Koch, von dessen Hollywood-Starpower Ursula Scheer ganz begeistert ist, Alfred Nobel. +++

+++ DPA-Frage (u.a. bei newsroom.de): "Zuletzt wurde ARD und ZDF vorgeworfen, die 'PR-Kompanie des DFB' zu sein". - ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky: "Über diesen Vorwurf kann ich nur noch lachen. Wir betreiben Journalismus wie alle anderen auch. Natürlich wünschen wir  uns, dass die deutsche Mannschaft möglichst weit kommt, haben aber beispielsweise im Disput zwischen Zwanziger und Niersbach beide  Seiten zu Wort kommen lassen, das ist journalistische Normalität. Und wir haben auch die Leistung der deutschen Spieler gegen Ghana  klar und kritisch eingeordnet, ganz ohne 'wir' zu sagen." +++

+++ Außerdem geht's auf der FAZ-Medienseite um Fußball-Präsentation im amerikanischen Fernsehen, u.a. mit einem "vorschriftsmäßig beschlipsten Exot namens Michael Ballack": "Die Spiele selbst erscheinen da in der visuellen Reizüberflutung geradezu als grüne Oasen der Ruhe", berichtet Jordan Mejias. +++

+++ "Ich lese wieder Zeitung", sagt ein junger Mann mit Tablet im Dunklen: Das ist eine Eigenanzeige der FAZ, die übrigens seit Montag auch Werbung ganz vorn oben an ihrem Titelkopf zeigt (immer von diesem oberrheinischen Möbelhersteller). +++

Neues Altpapier gibt's wieder am Freitag.



 

weitere Blogs

In einer Kirche hängt links neben dem Altar ein Schild mit der dreisprachigen Aufschrift No pasar - Überholverbot - no passing
In Spanien gibt es ein Überholverbot am Altar.
G*tt ist Körper geworden. Was für eine Gedanke! Birgit Mattausch geht ihm nach.
Heute erscheint der sechste und vorerst letzte Beitrag unserer Themenreihe Polyamorie. Katharina Payk fragt: Wo kommt Polyamorie im Kontext von Kirche und Pfarrgemeinde vor?