Sat.1 stellt unter anderem ein Nutzsignal als Neuzugang vor und macht auch sonst auf 1996, und es gibt mögliches Neues über den möglichen Gegenschlag der ARD auf eine mögliche Bild-Kampagne
Es gab einmal eine Zeit, früher, da konnte man am medienjournalistischen Ausstoß erkennen, wie das Wetter war. Wenn zum Beispiel das Fernsehprogramm der kompletten nächsten Saison angekündigt wurde oder wenn Bild eine Kampagne gegen die Öffentlich-Rechtlichen vorbereitete (siehe auch Altpapierkorb), dann war es heiß draußen, denn dann war Sommer.
Manche Dinge ändern sich aber nun mal. Konkret ändert sich dummerweise allerdings nur das Sommerwetter. "Für das Wochenende sagen die Experten vor allem Wolken und Regen voraus", vermeldet der Tagesspiegel.
Apropos Wetter, na so ein Zufall (irgendwie muss die Nachricht halt raus): "Jörg Kachelmann, Wetterexperte, 53" (Süddeutsche Zeitung, Panorama), ist wieder da. Wegen diverser, im Grunde als bekannt voraussetzbarer Umstände allerdings nicht im klassischen Fernsehen, sondern, wie auch hier zu erfahren ist, bei Youtube.
Immerhin, kann man sagen, ist das Wetter wenigstens nicht originell: Es recycelt einfach den April. Da steht im Vergleich das Privatfernsehen – und da sind wir wieder beim Fernsehprogramm der nächsten Saison – dann gar nicht mehr soooo schlecht da:
"Auch den Privatfernsehmachern fällt nicht viel Neues mehr ein. (...) Mit Harald Schmidt sowie Neuauflagen von 'Stars auf Eis', 'Promi-Boxen', 'Bitte melde dich' oder 'Die dreisten Drei' setzt Sat 1 in der nächsten Saison auf den Retro-Trend",
schreibt der Tagesspiegel.
Und weil ja Sommer ist, wenn die Sender ihren new hot shit vorstellen, macht das Sat.1-Programm die große Runde. Linda de Mol (Foto), die Tante von der RTL-"Traumhochzeit" (RTL ist das, wo man einen "Klaus Kleber" nicht kennt, informiert Jan Freitag in der Berliner Zeitung), moderiert etwa eine Castingshow, darüber hinaus soll es eine Castingshow geben, außerdem, richtig verstanden?, noch eine Castingshow und dazu "neue Folgen von der 'Perfekten Minute' sowie Kerners 'Großem Allgemeinwissensquiz'" (TSP).
Die Tagesspiegel-Kritik am Retro-Trend teilen andere, etwa die taz im Rahmen eines Linda-de-Mol-Porträts (Seite 2):
"Von der Verpflichtung der ehemaligen Quotenqueen des größten Konkurrenten verspricht Sat.1 sich nicht weniger als die Rückkehr zu altem Glanz – dieser originalitätsbefreite 'Retro-Trend' durchzieht das gesamte Programm der neuen Saison: Harald Schmidt kehrt mit seiner Late-Night zurück, die Vermisstensuche 'Bitte melde dich', ein weiterer Quotenhit der 90er, wird wiederbelebt, und Katarina Witt moderiert – wie schon 2006 beim Schwestersender ProSieben – 'Stars auf Eis'. Sogar der bunte Ball im Senderlogo ist wieder da. Ein kreativer Offenbarungseid: Wer keine neuen Ideen hat, wärmt eben alte wieder auf."
Und neben DWDL, wo man für gewöhnlich ins Detail geht, bringt auch die Süddeutsche Zeitung in einem Sat.1-Informations-Komischer-Laden-Kabel-Claim-Aktienkurs-Rundumschlag das Wort "Retro" unter und bezeichnet damit den Trend, auf den Sat.1-Geschäftsführer Andreas Bartl setze: "auf das Sat 1 um 1996. Dazu zählt dann vom 13. September an auch wieder Harald Schmidt."
Der bekanntlich von der ARD kam. Die sich bekanntlich ungern lumpen lässt und am Wochenende, worauf die FAZ (S. 35) hinweist, auch was wiederbelebt, "Dalli Dalli" nämlich, mit Kai Pflaume. Der bekanntlich von Sat. 1 kam.
[listbox:title=Artikel des Tages[Das Imperium lebt (taz)##Ansonsten retro (SZ)]]
Über Harald Schmidt hat Oliver Jungen in der FAZ (derzeit nicht online) den ausgefeiltesten Text des Tages geschrieben: Der zweite Teil der Fernsehpaare-Sommerserie (Sommer! Auch die Zeit der losen Reihen auf den Medienseiten!) behandelt, nachdem Teil 1 den Kollegen Ernie und Bert gewidmet war, Schmidt und seine wechselnden Side-Kicks.
"Je wörtlicher man 'Sidekick' versteht – also in Richtung Fußabtreter –, desto höher die Einschaltquoten. (...) Die Demütigungspsychologie lehrt, dass besonders jene, die sich selbst erniedrigt fühlen – und das sind in der modernen Arbeitswelt ja eigentlich alle –, die Erniedrigung von Dritten genießen."
Dritte, also gefühlte Zweite, wie Manuel Andrack sind gemeint. Im weiteren Verlauf wird's dann etwas komplizierter: "Andrack war das geradezu perfekte Rauschen des Kanals. (...) Hier konnte sich das 'Nutzsignal', dessen Qualität sich nach dem 'Signal-Rausch-Abstand' bestimmt, ideal abgrenzen."
Also, Andrack ist das Rauschen, und Schmidt dürfte demnach das Nutzsignal sein, wogegen allerdings die Überschrift spricht: "Die drei Nutzsignale des Harald Schmidt". Am Ende jedenfalls lautet die These, dass "das Grundrauschen" so laut geworden sei, "dass die Zeit der Nutzsignale wohl überhaupt vorüber ist".
Falls Sie herausfinden wollen, ob das jetzt heißt, dass Jörg Pilawa der neue Gottschalk wird, dann verändern Sie doch einfach mal hier "den Signal-Rausch-Abstand mit Hilfe des Schiebereglers und beobachten Sie, wie sich die Bitallokation auf die einzelnen Kanäle auswirkt." (Klar: "Bei der Bitallokation wird entsprechend der Siganlqualität (sic!) für jeden Kanal die QAM-Stufe angepasst.")
Und danach spielen Sie das mit Playmobilmännchen nach.
Altpapierkorb
+++ Zur Sache mit Bild und den Öffentlich-Rechtlichen. Bild hat bekanntlich, wie die SZ (S. 15) heute zusammenfasst, "seit Mai eine Reihe von Anfragen an die ARD gestellt, 50 bis 60 Fragenkataloge sollen es nach Auskunft eines ARD-Managers gewesen sein zu rund 20 Themen. Die Springer-Journalisten, vermutet ein hochrangiger ARD-Verantwortlicher, seien teilweise professionell beraten gewesen bei ihren Fragen. Sie hätten wie Wirtschaftsprüfer argumentiert". Katharina Riehl beargwöhnt die "seltsame Informationspolitik der ARD", hat aber auch Informationen über das Wesen des vieldiskutierten ARD-Gegenschlags eingeholt und hält fest: "Denkbar wäre eine Talkrunde, etwa bei Frank Plasberg, zu der auch Kritiker von ARD und ZDF eingeladen werden sollten. Hart, aber fair? Das wäre sportlich. Sich mit den Inhalten, für die man kritisiert wird, offensiv zu beschäftigen, ist etwas anderes, als wegen erwarteter Beanstandungen zum Gegenschlag auszuholen. Dass man sich bei der ARD im Vorfeld der Bild-Berichterstattung auf Richtigstellungen vorbereitet, ist nun auch kein wirklicher Skandal" +++
+++ Und Rupert Murdochs Name fällt natürlich auch wieder, wenn auch die Medienseiten selbst heute ohne ihn auskommen. Steffen Grimberg kommentiert auf der taz-Meinungsseite unter dem Titel "Das Imperium lebt" die Zukunft des Murdoch-Reichs: "Das Echo auf den gemeinsamen Auftritt von Vater und Sohn vor dem britischen Parlamentsausschuss deutet daraufhin, dass die Murdochs hier viel mehr als eine ganz wichtige Klippe gemeistert haben. Der Aktienkurs der News Corp, die Murdoch über eine komplizierte Holding- Struktur allein beherrscht, obwohl 60 Prozent der Anteile anderen gehören, war für zwei Wochen in freiem Fall. Seit Dienstag hat er sich spürbar erholt". Und: "Allein in Großbritannien und Murdochs australischer Heimat schient es zu echten Konsequenzen kommen zu wollen. Doch auch hier muss man schon wieder mächtig Wasser in den Wein gießen: Australien könnte sich endlich ein Gesetz geben, dass die Privatsphäre schützt – that’s it" +++
+++ Constanze Kurz vom Chaos Computer Club kolumniert, Donnerstagnacht noch frei online, derzeit wieder nicht, im FAZ-Feuilleton zu Murdoch und bringt erstens ihr Steckenpferd unter: "Respekt vor der Privatheit der Kommunikation anderer ist ein grundlegender zivilisatorischer Wert". Benennt zweitens, so auch die Unterzeile, "ein grundsätzliches Problem der digitalen Vernetzung: Immer mehr Leute in Firmen und Behörden haben Zugriff auf sensible Informationen". Weist drittens darauf hin, dass der deutsche Boulevardmarkt auch nicht zimperlich sei, um viertens trotzdem natürlich gegen ein restriktives Presserecht zu argumentieren – "allerdings sollte man eine stärkere Verantwortung speziell der Boulevard-Redaktionen für die Methoden ihrer Mitarbeiter und Auftragnehmer diskutieren" +++
+++ Ebenfalls in der FAZ geht es um die Arbeitsbedingungen für Journalisten in Weißrussland, die "harscher sind als je zuvor" (S. 35) +++ Die Münchner Abendzeitung verkaufe Radio Gong (SZ) +++ Ein Einknicken des NDR oder doch nicht? Die taz holt die Stimmen ein zur Causa: "NDR und Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer legen ihren Streit über kritische TV-Berichte bei" +++
+++ Super Idee: Zur Weiterentwicklung rät dem "zu konservativen" Journalistennachwuchs der ehemalige Gruner&Jahr-Chef (oder wie man fachlich richtig sagt: "Ex-G&J-CEO") Bernd Kundrun im Meedia-Interview: "Ein Nachwuchsredakteur ist gut damit beraten, sich ständig weiter zu entwickeln. Er muss alle Tasten des Klaviers der Medienkommunikation bedienen können – und das Klavier hat jetzt deutlich mehr Tasten als noch vor einigen Jahren" +++
+++ Und damit wären wir beim Social Web. Das Manager Magazin berichtet laut dapd laut KSTA, Holtzbrinck stelle die Suche nach einem Käufer für Studi-, Schüler- und MeinVZ ein. "Das Magazin zitierte einen Holtzbrinck-Manager mit den Worten: 'Es kann niemandem recht sein, wenn der Markt durch Facebook monopolisiert wird, das beim Datenschutz keine Rücksichtnahmen kennt'" +++ Mehr soziale Netzwerke im Tagesspiegel: Google-Plus, was kann's? +++
+++ Über den Film mit Thilo Sarrazin im ZDF und die Reaktionen der konservativen Presse erregt sich Cigdem Akyol in der taz +++ Die Berliner Zeitung erwartet davon gute Quoten und ein "Schmierentheater" +++
Das Altpapier stapelt sich wieder am Montag