Anne Will mache trotz ihres Aussehens nicht die völlig perfekte Talkshow, findet ein männlicher Talkgast. So so. Anke Engelke moderiert demnächst – Vorschlag zur Güte – alles. Und das richtig gute Fernsehen der entfernteren Zukunft? Wir ahnen immerhin schon, dass es nichts mit Afrikaromantik zu tun haben kann
Na gut, wenn's sein muss, dann eben Neues zu einem Fernsehen der Zukunft – als gäb's das überhaupt. (Hey, don't panic, Freunde des Sofafläzens: ein kleiner Scherz.) Fernsehen von morgen also, zappen wir systematisch durch: Mit welchem Personal machen wir welches Programm?
Beginnen wir mit der Personalfrage: Spiegel Online und Meedia.de schlagen übereinstimmend – so was kommt ja jetzt auch nicht jeden Tag vor – Anke Engelke (im Foto links) vor. Engelke, weil sie als Mitglied des sechsäugigen Eurovisions-Moderatoren-Teams gut war am Samstag – das ist unbestritten. Jetzt also – auch in der Forderung stimmen die Portale überein – werde es Zeit für eine große eigene Shi-Sha-Show.
"Was für eine Verschwendung von Talent, dass es noch keinem TV-Sender gelungen ist, dieser Frau eine große Show zu geben, die zu ihr passt", findet Meedia.
Und Spiegel Online zählt eine Reihe von Männern auf, die in der ARD als Pilawa-Nachfolger galten, und schreibt:
"(W)ann kommt im Ersten jemand auf die Idee, einen Platz im eigenen Programm an die Frau zu geben, die mit großem Charme 120 Millionen Zuschauer durch die aufwendigste Show des Jahres geführt hat? Vielleicht muss sich Anke Engelke aber auch erst noch als Mann verkleiden, um endlich gefragt zu werden."
Was die taz auf den Plan ruft: "Hat jemand außer 'Wetten, dass..?', 'Harald Schmidt' und 'ZDF-Fernsehgarten' sonst noch Vorschläge, was Anke Engelke demnächst alles moderieren soll?", fragt sie in der längentechnisch knapp twitterfähigen Zeile, die ihr Fernsehprogramm schmückt.
Na ja, also wenn wir so gefragt werden: eine ARD-Talkshow vielleicht.
Apropos: Rupert Neudeck hängt für die Funkkorrespondenz gerade die deutsche öffentlich-rechtliche Talkshow in einen Interpretationsrahmen. Anlass für seine Betrachtung? Bekanntlich erhält das Format am 11. September, also sozusagen fast schon übermorgen, durch Günther Jauch Verstärkung. Dann
"gibt es im Ersten an fünf Abenden in der Woche Talk. Diese Hypertrophie wird dazu führen, dass es vielleicht ein neues Genre gibt, das dem alten nur entfernt ähnlich sieht."
Neudeck nimmt sich also Plasberg vor, Illner, kurz Lanz, Beckmann und gibt auch Anne Will, "wie hübsch auch immer", mit, wo die Säge klemme. Wobei der Rahmen, den Neudeck, wie hübsch auch immer, dabei aufzieht, einen doch irgendwie ratlos zurücklässt. Alte Talkshow und neue Talkshow? Ist "Hart aber fair" nun alt oder neu oder eher so mittel?
[listbox:title=Artikel des Tages[Anke Engelke for President (SPON)##Über "L.A. Noire" (BLZ)##Zur Reportage (FAZ)]]
Gehen wir aber, und jetzt ohne die selbst für das Talkshowthema nun ausreichende Polemik aus dem Medienjournalismus-Großmarkt, weiter: Welches Programm gibt's denn noch, abgesehen von der neuen Talkshow, wie hübsch auch immer sie sein mag, im Fernsehen von morgen?
"My Tsunami: Die Katastrophe via Skype" (im ZDFinfokanal, 21 Uhr) klingt, allein den Rezensionen nach zu urteilen, nach einem Format, das auf Zukunftsfähigkeit getestet wird. Die FAZ (Link ergänzt um 19:17 Uhr) nennt den Film ein Experiment:
"Michael Fräntzel, Stephan Lamby und Ada Teistung lassen in ihrem Film junge Menschen in Japan über ihre Webcams zu Wort kommen und verbinden das mit Amateuraufnahmen. Denn auch davon gibt es heute – modernen Handys sei Dank – sehr viele".
Rezensent Matthias Schmidt wirkt freilich etwas überbedient am Ende: Eins zu eins zu tun, was alle anderen via Youtube, Skype und Laptop-Schnittplatz – theoretisch – auch könnten, klingt nach zu wenig für das Fernsehen, in seiner Rezension.
Auch Markus Ehrenberg (für den Tagesspiegel) findet, was er sieht, eher zu wenig:
"Einen umfassenden Korrespondenten-Bericht über die erschreckenden Arbeitsbedingungen in den Fukushima-Akws, wie ihn der ARD-'Weltspiegel' am Sonntag gezeigt hat, kann so eine Art Dokumentation nicht ersetzen, nur ergänzen."
In der Süddeutschen fällt das Fazit von Altpapier-Autor René Martens etwas anders aus – das Skype-Interview erscheint hier als unter Umständen notwendige Erweiterung der fernsehjournalistischen Methoden:
"'Wir sind an Personen heran gekommen, an die die deutschen Korrespondenten nicht heran kommen konnten', sagt Lamby. Die hiesigen Medien hatten ihre Mitarbeiter bekanntlich nach und nach aus den besonders strahlenbelasteten Regionen abgezogen."
Und nebenbei sieht die SZ noch eine Qualität aufploppen, die – wer weiß? – vielleicht gar nicht eingeplant war:
"Von einer Distanz zwischen Interviewer und Interviewten ist wenig zu spüren, die Zeitzeugen verhalten sich so, als säße am anderen Ende der Verbindung eine vertraute Person. Offenbar kann via Skype eher eine private Gesprächsatmosphäre entstehen als bei einem normalen Dreh, wo neben dem Autor noch Kamera- und Tonleute dabei sind."
Aber weil wir ja vom Fernsehen der Zukunft sprechen: Geht noch ein kleiner Wunsch, da in der FAZ und der Berliner Zeitung noch von einem Film – "Buschpiloten küsst man nicht" (Sat.1, 20.15 Uhr) – die Rede ist, bei dem einem schon vom Kritiklesen schlecht wird?
Also, hier ist der Wunsch: Bitte, liebe Alle, die sich jetzt angesprochen fühlen, dreht doch einfach nie wieder einen Spielfilm in Afrika, wenn Ihr eigentlich nur eine Kulisse braucht, die ein Leben "wie hinterm Mond" (FAZ) zeigen soll. Filmt doch einfach mal Eure Reißbretter ab.
Altpapierkorb
+++ Umgerechnet 30 Euro Gebühren – das geht der FAZ natürlich noch weiter zu weit als den meisten anderen. Sie berichtet von der Schweizer Abgeordneten Nathalie Rickli. "Sie reicht am heutigen Dienstag in der Hauptstadt eine Petition ein, die von weit über hunderttausend Zeitgenossen unterzeichnet wurde. Sie fordern eine drastische Reduzierung der Gebühren." +++ Was sie will, ist: "Keine Kochsendungen und kein Fernsehquiz mehr, keine Spielfilme und keine Serien, das zweite Programm ist sowieso überflüssig" – nicht zu verwechseln mit diesem Programm +++
+++ Die, wiederum, FAZ, setzt einen Reporter auf die Reportage an, Anlass ist die jetzt doch schon ziemlich lang andauernde Nannen-Preis-Geschichte: Marcus Jauer erinnert daran, dass es keine "unverfälschte Wirklichkeit" gibt, und er tut kund, was eine Reportage heute brauche: "In einer Welt, in der die geheimste Kommandoaktion der amerikanischen Streitkräfte sich darüber ankündigt, dass ein pakistanischer Computeringenieur in Abbottabad über den Kurznachrichtendienst Twitter meldet, dass nachts Hubschrauber über der Stadt kreisen, braucht es (...) die Gegenwart eines Geistes, der sich bewusst ist, dass er nur einen Ausschnitt dessen sieht, was ihm als wirklich vorkommt und der auch nichts anderes von sich behauptet" +++
+++ Noch mehr im Fernsehen: Daniel Haas schreibt in der FAZ über die US-Serie "Royal Pains" (RTL, 22.15 Uhr) über Arzt Hank: "Dr. House ist ein schmerzmittelabhängiger Zyniker, Meredith Grey aus 'Grey's Anatomy' ist romanzensüchtig bei gleichzeitiger Beziehungsunfähigkeit. Die beiden Schönheitschirurgen aus 'Nip/Tuck' betäuben sich mit Sex und Gewalt. Hank ist einfach nur gut: gut mit Patienten, gut mit sich selbst, gut mit seiner Familie" +++ Die SZ bespricht sie als Mashup: "Soweit es die medizinische Seite und das Musikkonzept betrifft, steckt viel Grey's Anatomy drin. Es ist ein bisschen Californication dabei, also getupfter Highsocietytrash ohne moralische Meta-Ebene" +++ Und wo wir bei Dr. House sind: Das Bildblog klärt ein Missverständnis, zu dessen Verbreitung ich gestern an dieser Stelle – ganz unten – auch beigetragen habe +++ Über den Fortschritt, den die Online-Mediathek für die Schulen bedeutet, schreibt die Berliner +++
+++ Politik: Von Medieneinschüchterungen in Uganda berichtet die taz +++ Die FDP lässt Journalisten Erklärungen unterschreiben und wirft sie dann einfach wieder weg (TSP) +++ Irgendwo zwischen Satire und Wer-Weiß? Die Medienkampagne des "angeblichen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump" beleuchtet ausführlich die SZ +++
+++ Virtuelles: Der Tagesspiegel schaut auf die Berliner Internetkonferenz Next voraus +++ Die Berliner Zeitung / Frankfurter Rundschau bespricht das kürzlich auch vom Guardian gelobte Konsoloenspiel "L.A. Noire" +++
+++ Personalien: Nikolaus Blome, Leiter des Hauptstadtbüros von Bild, "'berichtet', wie es so schön heißt" (FAZ), vom 1. Juli an direkt an den Chefredakteur Kai Diekmann (Axelspringer.de) +++ Und durch die Zeitungen geistert auch ein Polizist, der Dienstgeheimnisse an die Presse verraten habe und dafür eine Geldstrafe zahlen muss (FAZ, SZ, taz) +++
Das Altpapier, wie hübsch auch immer, stapelt sich wieder am Mittwoch