Mann der Stunde, Mann des Tages, Mann des Jahres: KT Guttenberg beschäftigt nicht nur seine Frau und Kerner.
Es ist dieser Tage vermutlich leichter zu sagen, wo Verteidigungsminister (das ist er ja irgendwie auch noch) Karl-Theodor zu Guttenberg nicht ist. Der Mann, dessen Berufsbezeichnung wohl besser mit Everybody's KT angegeben ist, taucht überall auf.
Und damit ist noch nicht mal der Focus gemeint, der KT auf dem aktuellen Titel zum "Mann des Jahres" auslobt, wohinter sich, wie Stefan Winterbauer auf Meedia.de treffend beobachtet, ein hymnisches Praktikumszeugnis von Markwort-Nachfolger Wolfram Weimer verbirgt.
Der war mal Chefredakteur der Welt, und da war KT mal Praktikant, und weil KT außerdem noch "unnachahmliche Höflichkeit" an den Tag legte, schreibt Weimer jetzt, es handele sich dabei um "eine Tugend, die unter uns Journalisten nicht wirklich zum Allerheiligsten des Repertoires gehört", was umgehend zu dem Gedanken führt, dass man im Falle von Weimer schon froh wäre, wenn nur ein einigermaßen intaktes Verhältnis zur Sprache zum Allerheiligsten seines Repertoires gehörte.
Nein, KT entkommt man nicht. Nicht in den eitlen Interviews mit Florian, wie der Regisseur Henckel von Donnersmarck sich in Amerika nennt, denen zu entkommen in diesen Tagen wiederum eine Herausforderung ganz eigener Art darstellt. Gegenüber dem SZ-Magazin empfahl sich Florian etwa als Prophet in der Sache KT:
"Ich hatte auch nie Zweifel, dass er es in die höchsten Ämter schafft, für mich war es nur eine Frage der Zeit. Als er Minister wurde, haben mir mehrere Leute aus der Verwandtschaft geschrieben und gesagt: Du hattest recht."
So ist der zeitgenössische Adel, anständig, bescheiden und im permanenten Widerstand. Aber das ist ein anderes Thema.
Den Sonntagabend verbrachte KT in Thomas Gottschalks Jahresrückblick "Menschen 2010", der bereits am Freitag aufgezeichnet wurde, was die merkwürdige Zeitverschiebung erklärt, mit der Bernd Gäblers Resümee im Tagesspiegel heute in der Zeitung ankommt, wo doch KT seit gestern die Medien mit seinem nächsten – in der Sprache seines Ausbilders Weimer –"Scoop" in Atem hält.
KT hat zur siebten Afghanistan-Reise in diesem Jahr nicht nur Johannes B. Kerner, sondern auch seine Frau mitgenommen beziehungsweise nicht nur seine Frau, sondern auch Johannes B. Kerner, denn man weiß in diesem akuten KT-Sausen, das die eigene Wahrnehmung befällt, schon gar nicht mehr, was nun eigentlich schlimmer ist.
Das Tagesspiegel-Feuilleton zieht sich aus der Affäre, in dem es einfach alle prominenten Truppenbesuche in filmischem Zusammenhang aufschreibt, die ihm einfallen, weshalb die "mythische" (Weimer) Episode mit den Playboy-Bunnies aus "Apocalypse Now" nicht fehlen darf (unser Bild), die wiederum Vorstellungen von Kerners und "Stephanies" Auftritt in Masar-i-Scharif weckt, denen sich hiesige Beobachter lieber nicht hingeben.
Ob es sich bei dem Trip von KT, Stephanie und JBK um einen "Ego-Feldzug" handelt, wie der große Kurt Kister in der SZ urteilt und die nicht minder große Bettina Gaus in der TAZ sich sinngemäß wundert, ist eine Frage der Perspektive.
Den konservativen Autoren fällt es naturgemäß schwerer, ihrem größten Darling für ein bisschen Medienkritik in den Rücken zu fallen, zumal die Teile der Bevölkerung, die 1918 nicht verkraftet haben, den konzertierten Auftritt in Afghanistan bestimmt "gutt" finden, wie der Dresdner in seinem liebenswerten Idiom sagt.
Stephan Löwenstein jedenfalls versteckt in seinem FAZ-Text etwas, das nach einer Meinung zur Anordnung aussehen könnte, so gut, dass nur geübte Dechiffrierer, die etwa aus dem Neuen Deutschland bis 1989 Informationen ziehen konnten, in der Lage wären, daraus etwas abzuleiten.
Etwas deutlicher wird FAZ-Herausgeber Berthold Kohler in seinem kurzen Kommentar, der als väterlicher Rüffel daherkommt:
"Zu Guttenberg aber muss langsam darauf achten, nicht eines Tages für Gottschalk gehalten zu werden."
Die Heimatfront in Form von Michael Hanfeld auf der Medienseite steht dagegen. Hier wird zurückgeschossen und zwar in konservativ hochvollendeter Form - durch Kritik der Umgangsformen:
"Von dieser Reise Aufhebens zu machen ist wohlfeil, und mit Blick auf die Gefahren des Einsatzes der Bundeswehrsoldaten in Afghanistan ist es nur eines: unwürdig."
Falls das jetzt missverständlich sein sollte: Hanfeld meint nicht das Aufhebens, das KT himself macht, sondern die Miesmacher der Weihnachtsfahrt mit Stephanie und JBK. Ähnlich wie bei Malte Lehming im Tagesspiegel wird Kritik an KTs PR-Arbeit hier gekontert durch Vergleiche – wenn Kerner noch fürs ZDF aktiv gewesen wäre beziehungsweise Franz-Josef Jung seine "Beate" mitgenommen hätte, hätte kein Hahn danach gekräht.
Zumindest im Fall von Kerner darf man nicht so sicher sein, denn bei dem ist es egal, wo er nicht fragen ja noch dürfen wird. Zumal bei ihm, wie Markus Ehrenberg im Tagesspiegel, kurz andeutet, seit dem Wechsel zu Sat.1 durchaus ein gewisser, don't mention the word, Quotendruck spürbar ist, von dem die Image-Aufpolierung in Masar-i-Scharif Entlastung verspricht.
[listbox:title=Die Artikel des Tages[Bettina Gaus wundert sich über KT (TAZ)##Michael Spreng rät KT zu weniger Geräusch (Berliner)##Stille Diplomatie für zwei Unbekannte (NZZ)##Stefan von Holtzbrincks Rückzug aus dem Verlagsgeschäft (FTD)##]]
Was Beate Jung oder auch die Frau von Horst Köhler betrifft, die auch schon mal einen Fuß auf afghanischen Sand gesetzt hat, so kann man auf die scheinbar rettende Analogie durchaus einen zweiten Gedanken verschwenden, wie der Politikberater und Blogger Michael Spreng das im Interview mit der Berliner tut:
"Es ist ein Unterschied, ob das Ehepaar Köhler, ein bescheidenes, zurückhaltendes, unglamouröses Paar, die Soldaten besucht, oder das Glamourpaar. Es ist einfach ein bisschen zu viel."
Bei Welt-Online kann's naturgemäß nicht genug sein. Die Bilderschau in 28 Kapiteln (inklusive Werbung) hat vermutlich am besten erfasst, worum es bei KTs Mission samt Friends and Family, Ego-Feldzug hin, Weihnachten her, geht: um Bilder. Wobei sich dann auch fragt, was Werner Sonne da neben Johannes B. Kerner eigentlich immer noch macht. Oder umgekehrt.
Die verfeinerte Variante der Bilderschau ist die "Stil-Kritik" auf Sueddeutsche.de, die nicht nur Bilder reinrummst, sondern sich auch noch Zeit für kluge Kommentare nimmt:
"Nicht einmal ihr synchrones Styling – das Grau seines Hemds taucht in ihrem Schal auf, das Karo ihrer Bluse (unter dem Parka) auf seinem Schal – wirkt bei ihnen albern."
Noch nicht zurück, ist das nächste Reiseziel für KT, Stephie und Kerner schon benannt: Ulrich Schmid versucht in der NZZ den deutschen Umgang mit den in Iran verhafteten Bild-Reportern Marcus Hellwig und Jens Koch zu verstehen, und kommt, bei allem Respekt für das Auswärtige Amt, zu dem Schluss:
"Falls stille Diplomatie bis Weihnachten keine Resultate bringt, wäre es an der Zeit, mit diesem leidigen Fall endlich an die Öffentlichkeit zu gehen."
Anders gesagt: KT, übernehmen Sie! Und Stephie mit Kopftuch – was wird die "Stil-Kritik" dazu sagen?
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+++ Wie groß die Welt ist, führt die SZ vor: Im Feuilleton-Aufmacher (Seite 11) erklärt Camilo Jimenez den Cyberwar ("Am Mittwoch um 22.09 Uhr hatte ein Anführer im Netz befohlen: 'target: www.visa.com :: fire fire fire!!!'"), und auf der Medienseite (Seite 15) hat Fabian Heckenberger herausgefunden, dass im brandenburgischen Boitzenburg gilt: "Von 16 Gemeinderäten haben sieben eine E-Mail-Adresse." +++ Wer im Cyberwar angreift, versucht der Tagesspiegel zu erklären. +++
+++ Openleaks kommt, berichtet die TAZ. +++ Und WAZleaks könnte es schon geben, fügt die FTD an. +++
+++ Bald hier kein Thema mehr? Stefan von Holtzbrinck zieht sich aus dem Verlagsgeschäft quasi zurück, wie die FTD anschaulich darlegt. +++ Ebenfalls in der FTD und etwas für besinnliche Stunden: Ein, nun ja, Roman über Mark "Zuck" Zuckerberg und Facebook. +++
+++ Epischen Ausmaßes ist auch die ARD-Krankenhausserie "In aller Freundschaft", die Klaudia Wick im Angesicht der 500. Folge in der Berliner würdigt. +++ Dramatisch dagegen die Szenen in Mannheim: Der neue Kachelmann-Verteidiger Johann Schwenn macht ordentlich Alarm, um den Preis für die Revision hochzutreiben, wie die TAZ vermutet. +++ Oliver Tolmein diskutiert derweil in der FAZ (Seite 33) ein jüngere Veröffentlichung von Schwenn zum Thema im Fachblatt "Der Strafverteidiger". +++
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