Deutschland, Dein Jauch

Deutschland, Dein Jauch

Günther Jauch sendet ab Herbst 2011 auch in der ARD. Das steht jetzt fest. Und sein Minutenpreis auch. Frische Meinungen zum Cristiano Ronaldo des Fernsehens...

Am Dienstagsabend stimmte mit dem WDR-Rundfunkrat "nach langer und intensiver Diskussion" (WDR-Rundfunkrat) auch das letzte Gremium zu, das zustimmen musste: Günther Jauch wird ab September nächsten Jahres für die ARD talken - obwohl er weiterhin auf RTL entertainen wird. Dabei hatte die so redegewaltig wie wortreich auftretende WDR-Rundfunkratsvorsitzende Ruth Hieronymi im Juni noch leise Zweifel geschürt, ob sie denn den "halben Jauch" akzeptiere.

Der Preis, den die ARD für diese Jauch-Show an die Produktionsfirma "I & U TV" (Alleingesellschafter: Günther Jauch) entrichten muss, wurde natürlich auch schon auf allelei Wegen bekannt: 10,5 Mio. Euro pro Staffel. Daraufhin errechnete die Bild-Zeitung, wie sie das zuvor auch schon für Jauchs jetzt noch ein Jahr lang sonntags weitertalkende Vorgängerin Anne Will tat, den Minutenpreis des ARD-Polit-Jauchs:

"ARD zahlt pro Sende-Minute 4487,18 Euro ... Anne Will war mit 3164 Euro pro Minute schon Spitzenreiter der öffentlich-rechtlichen Talkshow-Kosten. Jauch ist noch mal 41,8 Prozent teurer."


Jetzt ist auf den Medienseiten Einordnung gefragt.

Joachim Huber sieht im Tagesspiegel Jauch als "den Cristiano Ronaldo des deutschen Fernsehens". Der Vergleich mit dem teuersten Fußballer entfaltet weniger Glamour als er es vor der WM getan hätte, und so ist er auch gemeint. Allein dass Jauch solch ein teurer Star ist, mache die ARD scharf: "Marktwert gleich Mehrwert, so ist das Kalkül", so Huber.

Wir sind selbstredend gespannt, was der König der medialen Meinungsfreude meint. Dummerweise findet Michael Hanfeld den Deal gut und schimpft also gar nicht. Jauch "wird viel daransetzen, allen zu zeigen, dass er 10,5 Millionen Euro pro Jahr wert ist", schreibt er in der FAZ (S. 33, frei online steht eine Basisversion).

Immerhin gewohnt detailliert informiert ist das Blatt: So sei die WDR-Abstimmung ausgegangen: 30 (Ja-Stimmen) zu eins (Enthaltung) zu sechs (Ablehnungen). Das widerspricht dem Ergebnis, das gestern die Süddeutsche vermeldete ("eine Gegenstimme"). Ist aber egal, diese Zahlen spielen nun keine Rolle mehr. Ferner will die FAZ wissen, Jauchs Show sei nicht teurer geworden seit 2006 (als Jauch beinahe zur ARD gegangen wär, was damals u.a. am WDR-Gremium scheiterte).

Stimmt nicht, Der neue Jauch-Deal war "angeblich sogar billiger als bei der ersten verkorksten Jauch-Anmache 2006", hat hingegen die TAZ gehört. Hier ärgert sich Steffen Grimberg darüber, dass Hieronymi Jauch als "bekanntesten deutschen Journalisten" anpreist. Was sei denn mit Günter Wallraff?

Seinen in der TAZ am Rande notierten Ärger über den Deal breitet Heiko Hilker, Medienpolitiker der Linken und ebenfalls Rundfunkratsmitglied (allerdings beim nicht an der Jauchshow beteiligten MDR), übrigens auf carta.info aus.

Am entspanntesten sieht Peer Schader (BLZ) die Sache. "Das Gefühl, ARD und ZDF seien eine Rentenversicherung für alternde Privatsenderstars", hatte er sowieso schon, und zählt dann allerhand zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Welten wechselnde Fernseh-Celebrities auf. Fazit: "Die ARD hat halt schon immer etwas länger gebraucht, um manchen Realitäten ins Auge zu sehen."

[listbox:title=Artikel des Tages[Jauchs Mehrwert ist sein Marktwert (Tsp.)##Rentenversicherung für Privatsenderstars (BLZ)##Was ist mit Wallraff? (TAZ)##Was kam bei den 3-Stufen-Tests raus? (FK)##Was kommt beim BGH zum Perlentaucher raus? (carta)]]

Falls sich jemand fragt, was denn die Talker dazu sagen. Nichts natürlich. Ja, "die von Jauch und den ARD-Granden schnöde verdrängte Anne Will", schrieb die Bild-Zeitung, "schweigt derzeit wie eine Sphinx."
Wir meinen: Das sollte sie bitte öfter tun, und damit aber auch die Kollegen Beckmann, Maischberger usw. anstecken.

Wer tiefer ins merkwürdige Biotop der Rundfunkanstalten-Gremien eintauchen möchte, dem empfehlen wir den Überblick, den die aktuelle Funkkorrespondenz über die (von denselben Gremien bewältigten) Dreistufentests gibt.

Auch da wurde mit Millionen hantiert. So belaufen sich die Kosten fürs Portal ard.de auf 5,4 Mio. Euro - gut eine halbe Staffel Jauch. Auch da gab es skurrile Unstimmigkeiten. Zum Beispiel, was die "Online-Abrufzeiträume" von Serienfolgen betrifft, kamen die Gremien von SWR (zuständig für ard.de) und BR (zuständig für die daserste.de-Mediathek) zu unterschiedlichen Ergebnissen. Und das des ZDF sowieso.


Altpapierkorb
 

+++ "News-Aggregatoren und Suchmaschinen müssten ihre Dienste einstellen, wenn Monopolrechte auf kurze Textausschnitte, Überschriften oder gar Inhalte von Texten reklamiert werden. Für Presseschauen müssten Rechte eingeholt werden... ": All das steht heut in Karlsruhe auf dem Spiel, meint die Berliner Zeitung. Und da geht es noch gar nicht um das mutmaßliche Leistungsschutzrecht, das es ja noch gar nicht gibt, sondern um die alte Sache Perlentaucher vs. FAZ. In der Vorgeschichte bringt perlentaucher.de auf den Stand. Die Sache auch vor dem Hintergrund des aufziehenden Leistungsschutzrechts sieht Rechtsanwältin Julia Schulz auf carta.info. +++

+++ Die FTD hat das "öffentlich-rechtliche TV-Paradies Österreich" bereist und stellt den ORF vor, dem es gebührenmäßig noch besser geht als dem deutschen öffentlich-rechtlichen System. +++

+++ "Der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust ist ein öffentlich-rechtlicher Hardliner - aber ein angenehmer": In der Süddeutschen (S. 15) vergleicht Christopher Keil den SWR-Intendanten mit Günter Struve - auch auf Basis seines Auftritts im Institut für Medien- und Kommunikationspolitik am Dienstag (siehe Altpapier gestern).+++ Ferner geht's auf der SZ-Medienseite um "das erste Magazin von al-Qaida in englischer Sprache", das Online-Magazins "Inspire" (mehr bei der Deutschen Welle), und um die türkische Justiz, die am Rande des Prozesses um den Mord an Hrant Dink weitere Journalisten anklagt. Frei online steht nichts davon. Aber der gestrige Artikel zur Kampagne gegen rechte Zeitungen, der inzwischen. +++

+++ Auf der FAZ-Medienseite beschreibt Don Alphonso, wie das Scienceblogs-Management "in vier Tagen" das Vertrauen verspielte, das vorher "vier Jahren harter Arbeit" aufgebaut wurde. Und zwar "mit einem bezahlten Blog von Pepsi". +++

+++ "Dass man in 500 Minuten dicht gebaute Geschichten erzählen und komplexere Charaktere zeichnen kann als in 100 Minuten, ist nur ein Vorteil des Fernsehformats" gegenüber dem Kino. (Tsp. anlässlich der heute bei Kabel 1 startenden US-Serie "The Pacific". +++

+++ Jede Menge Zahlen erschienen gestern zu Auflage und Reichweite der Presse. Die Auflage der Landlust steigt weiter (Tsp.). +++ Bei der Reichweite, also der Zahl der Leser, "heißt der größte Gewinner ... 'Apotheken Umschau'", aber es gab viele Verlierer (meedia.de). +++ Die Zeitschrift Laviva, die der Rewe-Konzern publizieren lässt, macht künftig Gruner + Jahr (dwdl.de). +++ Und die Freizeit-Revue, die bei Burda "seit Jahren in der verlagseigenen Hitliste der Gewinnbringer hinter Bunte an Platz zwei liegt", stellt Hans-Jürgen Jakobs auf sueddeutsche.de vor. +++

+++ Schließlich muss noch auf den "Cosmopolitan Miss Media"-Wettbewerb hingewiesen werden, bei dem das Voting leider schon abgeschlossen ist. "Welches Frauen- und Branchen-Verständnis bei den Erfindern des Wettbewerbs vorherrscht, sollte man sich allerdings besser nicht fragen" (meedia.de). +++


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