Scholz sprach am Mittwoch von "rechtswidrigen Vorschlägen" und "Scheinlösungen", die den Rechtsstaat und die Verfassung beschädigten. "Das ist die Antwort der Populisten", warf Scholz dem Unionskanzlerkandidaten Friedrich Merz (CDU) vor.
"Über geltendes Recht hinaus kann und darf man nicht gehen", sagte Scholz. Er spielte damit auf die Forderung nach einer Zurückweisung Schutzsuchender an den deutschen Grenzen an, die ein Antrag der Fraktion von CDU und CSU fordert, der am Mittwoch im Bundestag abgestimmt werden sollte. Die Bundesregierung hält diese Maßnahme nicht für vereinbar mit europäischem Recht. Die Union beruft sich auf anderslautende rechtliche Einschätzungen.
Scholz warb stattdessen dafür, die Einigung der EU-Staaten auf die Reform des europäischen Asylsystems weiterzuverfolgen. Gerade jetzt sei die Einigkeit Europas "wichtiger denn je", sagte er mit Verweis auf Russland und die USA. Das gelte auch in der Migrationspolitik.
Scholz betonte, man müsse klar unterscheiden zwischen Menschen, die sich auf Schutz in Deutschland berufen können, und denen, die das nicht können. Er wendete sich aber gegen Versuche, das Asylrecht an sich in Frage zu stellen. "Das Recht auf Asyl ist fester Bestandteil unser Rechts- und Werteordnung. Daran dürfen wir nicht rütteln", sagte der Kanzler. Es sei "die unmittelbare Antwort auch auf das Grauen der NS-Herrschaft", sagte er in seiner Regierungserklärung, der im Bundestag am Mittwoch die Gedenkstunde für die Opfer des Holocaust vorausgegangen war.
Die Union hatte für die Debatte zur Regierungserklärung des Kanzlers Anträge eingebracht, die eine drastische Verschärfung der Asyl- und Migrationspolitik fordern und am Mittwoch abgestimmt werden sollen. Weil SPD und Grüne sie ablehnen, wäre eine Mehrheit nur mit Stimmen der AfD möglich. Scholz kritisierte, wenn die Union dies in Kauf nehme, kündige sie den Konsens auf, nicht mit Extremen zusammenzuarbeiten. "Das ist ein unverzeihlicher Fehler", sagte er.
Merz verteidigt mögliche Mehrheitsfindung mit AfD
Friedrich Merz verteidigte das Vorgehen, für den Beschluss von Unionsanträgen die Zustimmung der AfD in Kauf zu nehmen. "Eine richtige Entscheidung wird nicht dadurch falsch, dass die Falschen zustimmen", sagte er am Mittwoch im Bundestag. "Ja, es kann sein, dass die AfD hier im Deutschen Bundestag am Freitag erstmalig die Mehrheit für ein notwendiges Gesetz ermöglicht."
Merz bezeichnete den Gesetzentwurf sowie zwei bereits am Mittwoch zur Abstimmung vorgesehene Anträge, in denen es jeweils um eine deutliche Verschärfung der Migrationspolitik geht, als "unabweisbar notwendig". Die Politik sei es den Menschen in Deutschland schuldig, "jetzt wirklich jeden Versuch zu unternehmen, die illegale Migration zu begrenzen, die ausreisepflichtigen Asylbewerber in Gewahrsam zu nehmen und endlich abzuschieben".
Mit der Ampel-Koalition sei in diesen Fragen keine Lösung möglich gewesen - das bedaure er, sagte Merz. Es liege nun "bei Ihnen, den Sozialdemokraten und den Grünen, ob es für unsere Vorschläge in der Mitte des Deutschen Bundestags noch eine parlamentarische Mehrheit gibt oder nicht".
Vorwürfe, die Vorschläge der Union seien in Teilen rechtswidrig, wies Merz zurück und argumentierte, andere europäische Länder hätten ähnliche Maßnahmen ergriffen. Zugleich verwahrte er sich gegen Vermutungen, CDU und CSU könnten nach der Bundestagswahl mit der AfD zusammenarbeiten oder sogar eine Koalition bilden. Solche Äußerungen seien "niederträchtig und infam", sagte der CDU-Vorsitzende.
Habeck: Demokratische Mitte steht infrage
Bundeswirtschaftsminister und Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck (Grüne) warnte die Union angesichts einer sich abzeichnenden Abstimmung im Bundestag gemeinsam mit der AfD vor einem "Bruch mit der Tradition der Republik". Es werde nicht irgendeine Sachfrage entschieden, sondern es gehe um die politische Kultur, sagte Habeck am Mittwoch in der erhitzten Debatte über die Innenpolitik im Bundestag. Das, was demokratische Mitte in Deutschland genannt werde, stehe infrage, werde verhandelt und abgestimmt, sagte er.