Psychologe: Der schöne Tod ist oft Illusion

Eine Hand schaut unter einem weißen Tuch hervor.
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Sterbenskranke haben ein Recht darauf, zu schreien und zu protestieren.
Vom Recht Sterbender zu klagen
Psychologe: Der schöne Tod ist oft Illusion
Auf das Recht Sterbenskranker, laut zu sein, plädiert der Psychologe Ernst Engelke in einem neuen Buch. Gesunde oder auch Ärzte erwarteten oft, dass sich Sterbenskranke ruhig verhalten. "Aber das Sterben ist für jeden, der selbst getroffen ist, eine unglaubliche existenzielle Zumutung", sagt Engelke.

Daher hätten Sterbenskranke ein Recht darauf, zu schreien und zu protestieren. Der 84-Jährige engagiert sich nach Verlagsangaben seit fast 50 Jahren in der Hospiz- und Palliativbewegung.

In dem Buch "Sterben ungeschminkt - Ein Gespräch ohne Tabus über Abschied, Tod und Trauer" (Herder Verlag) diskutiert Engelke mit den beiden Journalisten Lea Reinhard und Michael Reinhard über die letzte Lebensphase. Das Buch erscheint am 27. Januar und ist eine Vertiefung des Podcasts der Drei "Sterben & Trauern". Mit ihrem "Dreigenerationen-Gespräch" wollen die Autoren Menschen ermutigen, sich mit ihrem eigenen Tod zu beschäftigen und mit anderen darüber zu reden.

Engelkes Beobachtungen nach ist der von vielen erhoffte "schöne Tod" meist eine Illusion. In körperlicher Hinsicht gehe Sterben einher mit Herzrasen, Schwitzen, Zittern, Atemnot oder Übelkeit. Hinzu kommen Gefühle von Angst und Einsamkeit. Und es sei sehr schmerzhaft, sich endgültig vom Partner und den Kindern zu trennen, sagt der Psychologe. Außerdem wollten selbst Menschen, die sagen, sie hätten ihr Leben gelebt, lieber morgen als heute sterben. "Und morgen sagen sie wieder morgen."

Palliativstationen bräuchten daher statt eines "Raumes der Stille" einen schalldichten "Raum der Klage". "Damit die Kranken klagen können, dass sie leiden, dass sie sterben müssen", erläutert der frühere Professor für Soziale Arbeit an der Fachhochschule Würzburg.

Angst der Sterbenden respektieren

Engelke betont, dass es schwer sei, die Schreie und die Unruhe zu ertragen. "Ich kann das auch nicht immer aushalten", sagt er. Aber es gebe die Pflicht, jemanden in seinem Aufstand gegen das, was er erleidet, zu begleiten. Daher ermutige er Menschen, die Angst der Sterbenden zu respektieren. Mit diesem Anliegen spreche er sich aber nicht gegen den Einsatz von Psychopharmaka zur Beruhigung aus. "Das eine schließt das andere nicht aus", betont der Psychologe.

In dem Buch wird in zehn Kapiteln besprochen, wie Gesunde einfühlsame Gespräche mit Schwerkranken führen können. Thematisiert werden auch die Belastungen und die widersprüchlichen Gefühle von Angehörigen. Aber auch der Pflegenotstand und die Erwartungshaltungen an Ärzte und Hospize werden diskutiert.

Und wie wünscht sich Engelke seinen eigenen Tod? "Ich möchte kein Ende haben, auch kein gutes", sagt er zunächst. Dann führt er aus: "Ich wäre dankbar, wenn meine Schmerzen reduziert und ich vor dem Ersticken geschützt würde." Schön wäre es, wenn ihn ein paar Menschen liebevoll begleiten und ihm seine Lieblingsgeschichten aus der Bibel, etwa das Buch Jona, vorlesen. 

 

Buchhinweis:

Sterben ungeschminkt - Ein Gespräch ohne Tabus über Abschied, Tod und Trauer", Prof. Ernst Engelke, Lea Reinhard, Michael Reinhard, Verlag Herder GmbH, Freiburg, Januar 2025, 175 Seiten.