TV-Tipp: "Am Scheideweg – Der Usedom-Krimi"

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21. November, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Am Scheideweg – Der Usedom-Krimi"
Wie alle Usedom-Krimis ist auch "Am Scheideweg" exquisit fotografiert (Regie: Matthias Tiefenbacher, Kamera: Dominik Berg). Die von der gleichfalls stets vortrefflichen Musik (Colin Towns) untermalten spätwinterlichen Bilder sind prächtig anzuschauen.

"Dämonen" wäre ebenfalls ein treffender Titel für diesen 23. "Usedom-Krimi". Der Film beginnt mit einem kaltblütigen Mord: Auf der Ahlbecker Seebrücke erschießt Karin Lossow einen Glatzkopf mit einem antiken Gewehr. Kurz drauf ist der Mann allerdings wieder quicklebendig, lacht die ehemalige Staatsanwältin aus und verweist auf seinen Kofferraum, in dem sich angeblich die Leiche ihrer Tochter befindet; dann wacht sie auf.

Demnächst jährt sich Julias Todestag. In diesen Nächten wird Lossow (Katrin Sass) regelmäßig von Karol Zielinski (Wiktor Loga) heimgesucht, jenem Mann, der Julia ihrer Überzeugung nach vor fünf Jahren ermordet hat; ins Gefängnis kam damals allerdings ein anderer. Mittlerweile hat Zielinski seine kriminelle Vergangenheit angeblich hinter sich gelassen. Der Autohändler gilt als ehrbarer Bürger, aber Lossow wird nicht eher ruhen, bis sie ihn zur Strecke gebracht hat; tot oder lebendig, wie es einst auf Steckbriefen hieß.

Dieser Teil des ersten Drehbuchs von Astrid Ströher für die Reihe fesselt schon allein wegen des Rachemotivs, zumal die Handlung Katrin Sass die Möglichkeit gibt, auch andere Seiten der Rolle zu zeigen: Die sonst so kühle Frau wirkt durch die Trauer sehr verletzlich, lässt aber nun erst recht niemanden an sich ran und reagiert entsprechend unwirsch, als Katharina (Milena Dreissig), Lebensgefährtin ihres Neffen Rainer Witt (Till Firit) und Nach-Nachfolgerin als Staatsanwältin, sie trösten will. Es liegen ohnehin allerlei Misstöne in der Luft, denn in der Ehe zwischen Rainer und Katharina kriselt es kräftig; die Filme aus Usedom haben sich von den anderen Donnerstagskrimis der ARD von Anfang an durch den familiären Schwerpunkt unterschieden. 

Wie stets gibt es auch eine in sich abgeschlossene Ebene, die zumindest interessant beginnt: Ein halbnackter Mann sitzt tot auf einer Bank, er ist erfroren; die Blutuntersuchung ergibt neben einer Menge Restalkohol auch Spuren von LSD. Zwei scheinbar unterschiedliche Fälle gehören im Krimi stets zusammen, weshalb sich fortan die Frage stellt, was der Tote mit Lossows Obsession zu tun hat.

Witt hält ihre Fokussierung auf Zielinski ohnehin für eine fixe Idee. Seine Tante stößt allerdings ausgerechnet bei einem Therapeuten auf so etwas wie eine neue Spur: Dr. Wójcik weigert sich aufgrund eines Interessenkonflikts, sie zu behandeln; kurz drauf verschwindet er spurlos. Als sie rausfindet, dass Zielinskis Schwägerin ebenfalls Wójciks Patientin war, gibt es für Lossow keinen Zweifel mehr: Der Gangster hat den Doktor aus dem Weg geräumt, weil er zu viel wusste.  

Wie alle Usedom-Krimis ist auch "Am Scheideweg" exquisit fotografiert (Regie: Matthias Tiefenbacher, Kamera: Dominik Berg); die von der gleichfalls stets vortrefflichen Musik (Colin Towns) untermalten spätwinterlichen Bilder sind prächtig anzuschauen. Spannend ist das alles zwar nicht, aber auch das ist ein Charakteristikum der Reihe: Die Filme sollen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht als Krimi und durch Nervenkitzel, sondern als Drama faszinieren. Das klappt auch diesmal, allerdings nicht durchgehend.

Dank der wiederholten Albträume vermittelt die Handlung Lossows Gefühle sehr unmittelbar, doch die zweite Ebene mit dem erfrorenen Toten läuft bloß nebenher. Die Überschneidung, die sich ganz am Ende mit Lossows Besessenheit ergibt, ist so hauchzart, dass sie wie ein Vorwand wirkt. Die Suche nach einer "krassen Bitch", die auf einer Dating-Plattform ihr Unwesen treibt und den Mann auf der Strandpromenade in eine Falle gelockt hat, wäre ohnehin viel zu schwach für eine eigenständige Krimistory. 

Der Handlungsstrang ist nur deshalb nicht gänzlich überflüssig, weil sich auf dieser Ebene der Beziehungszwist abspielt und das uniformierte Duo Martens und Brendel (Jana Julia Roth, Rainer Sellien) ein paar sympathische kleine Heiterkeiten austauschen darf. Gerade im Vergleich zu den Albträumen Lossows ist er jedoch geradezu kraftlos, zumal Tiefenbacher auf dieser Ebene sehr effektvoll Ausschnitte aus "Winterlicht" (2019) integriert hat, jener Episode, in der Julia ermordet worden ist.

Auf diese Weise wirkt nicht nur Lisa Maria Potthoff wieder mit. Lossow trifft sich außerdem mit ihrem damaligen Schwiegersohn; so kommt Peter Schneider zu einem kurzen Comeback. Die Geschichte hätte auch ohne das Wiedersehen funktioniert, aber den langjährigen Fans der Reihe werden diese Momente viel bedeuten, zumal sie der Heldin helfen, endlich mit der Vergangenheit abzuschließen. Nur aus diesem Grund ist auch entscheidend, wie das ansonsten bloß bedingt packende Finale ausgeht.