Hausboote in Paris: Leben wie Gott auf der Seine

Hausboote in Paris: Leben wie Gott auf der Seine
Das Leben in Paris ist anonym. Doch inmitten der französichen Hauptstadt gib es einen Ort, an dem es sich wie auf dem Dorf lebt: Am Champs-Elysées-Hafen - ein Anlegeplatz für Hausboote.
14.05.2010
Von Sabine Vogel

Viele Pariser kennen ihre Nachbarn höchstens vom Sehen. Das Leben in der französischen Hauptstadt ist oft anonym. Der Großteil der Menschen wohnt in meist sechsstöckigen Gebäuden, ohne Namensschilder an den Türen. Doch gibt es inmitten der Stadt einen Ort, dessen Bewohner behaupten, man lebe hier "wie auf dem Dorf" und in der "Nähe zur Natur". Die Rede ist von den Pariser Anlegeplätzen für Hausboote. Etwa 150 Anlegeplätze gibt es auf der Seine - und die sind sehr begehrt. Wer hier wohnen möchte, muss Geduld haben. Einige Interessenten warten bereits 15 Jahre.

"Das Leben mit der Natur ist einmalig"

Der Designer Philippe Guyot wohnt mit seiner Familie im Champs-Elysées-Hafen und weiß dies zu schätzen. "Mein Sohn wurde auf diesem Schiff geboren. Meine Lebensgefährtin ist darauf aufgewachsen", sagt Guyot, während er vor "Djackoo" steht, einem zum Hausboot umgebauten Frachtschiff.

"Djackoo" liegt zusammen mit 46 anderen Booten nahe dem Place de la Concorde - mit Blick auf den Eiffelturm. 80 Jahre alt ist das Schiff, andere sind noch älter. Für Reisen werden sie kaum noch genutzt, die meisten von ihnen liegen seit Jahrzehnten am selben Platz am Seine-Ufer. "Der Ausblick jeden Morgen und das Leben mit der Natur sind einmalig", schwärmt der Designer, der sich inzwischen kein anderes Leben mehr vorstellen will.

Die meisten der Schiffseigner wohnen bereits seit den 70er Jahren auf dem Wasser, erzählt Guyot. Man habe damals den Wunsch gehabt, "anders" zu leben. Unter ihnen seien Ärzte, Geschäftsleute und Architekten. "Man wohnt in einem freundschaftlichen Verhältnis zusammen. Wer sich für das Leben auf der Seine entschieden hat, hat dies der Nähe zur Natur zuliebe getan." Günstig sei das Wohnen auf der Seine nicht, gesteht Guyot. Zahlen will er jedoch nicht nennen.

Champs-Elysées-Hafen gehört zum Unesco-Welterbe

Das Hafenstück ist etwa einen Kilometer lang und nur für Hausboote freigegeben. Die Bewohner sind sich ihres Glücks bewusst, dass die Stadt hier nichts ändern darf. Grund: der Unesco-Welterbetitel, den das Seine-Ufer zwischen den Brücken Pont de Sully und Pont d'Iéna seit 1991 trägt.

Auf etwas kleinerem Raum, doch nicht weniger bescheiden, lebt es sich in den beiden Pariser Kanalhäfen. Kurz vor der Seine-Insel Saint-Louis zweigt der Kanal in den größeren von beiden ab: in den Arsenalhafen. Wie auf der Seine wohnt man hier Schiff an Schiff und pflegt guten Kontakt zu seinen Nachbarn. Auch dieser Hafen liegt inmitten des Pariser Stadtkerns, und doch scheint die Welt hier eine ganz andere zu sein.

An der etwa 500 Meter langen Anlegestelle, die direkt auf den Bastille-Platz führt, docken 180 Schiffe an, vor allem kleinere Jachten. Die meisten kommen für eine kürzere Zeit, dafür aber regelmäßig, und einige Boote liegen sogar schon über zehn Jahre hier.

Arsenalhafen nicht bei allen begehrt

Jos Reinarz und seine Frau Lia aus Antwerpen mieten seit drei Jahren während der Wintermonate einen Anlegeplatz im Arsenalhafen. Wie sein Vater und sein Großvater war Reinarz Kapitän bei der Rheinschifffahrt. Da liegt es auf der Hand, dass er sich dem Wasser sehr verbunden fühlt. Und so ließ er sich gleich nach der Pensionierung eine Jacht bauen. Er genießt mit seiner Frau die regelmäßigen Kulturausflüge nach Paris, wenn sie beide auf der "Kairos" im Arsenalhafen wohnen. In den Sommermonaten ist das Paar mit der Jacht auf den Meeren unterwegs.

Für die Bewohner des Champs-Elysées-Hafens ist das Leben auf dem Kanal unvorstellbar. Philippe Guyot will sich eigentlich gar nicht zum Arsenalhafen äußern. Nur soviel: "In den Jachthäfen gibt es überhaupt keine Wellen. Das ist kein richtiges Leben auf dem Wasser."

dpa