In der Diskussion über die Erziehung von Kindern zu Hause oder in der Kindertagesstätte ist nun auch eine Kitapflicht im Gespräch. Der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", er befürworte, eine allgemeine "Kitapflicht sachlich zu diskutieren", auch wenn zunächst dafür die Kitaplätze geschaffen werden müssten. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sagte der Zeitung, es müsse sichergestellt werden, dass alle Kinder in die Kita gehen.
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder wies den Vorschlag scharf zurück. "Wer eine Kitapflicht ab dem ersten Geburtstag will, muss ein ziemlich verqueres Menschenbild haben", sagte Schröder der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Montagsausgabe). CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte der "Süddeutschen Zeitung" (Montag), eine solche Pflicht sei ein Anschlag auf die Freiheit der Familien, wenn Eltern ihre Kinder nach einem Jahr "beim Staat abliefern sollen".
CSU: Freiheit statt Zwang
Ab Sommer 2013 tritt ein Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz in Kraft. Die Koalition hatte beschlossen, parallel dazu auch das Betreuungsgeld einzuführen. Das Betreuungsgeld soll nach den Plänen der Bundesregierung ab 2013 an Eltern ausgezahlt werden, die ihr Kleinkind nicht in eine öffentlich geförderte Kindertagesstätte schicken. Sie sollen zunächst 100 und später 150 Euro erhalten. Dobrindt erklärte, die Koalition werde das Betreuungsgeld durchsetzen, "weil es den Familien mehr Freiheit statt staatlichem Kita-Zwang gibt".
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Renate Künast, wies auf Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Betreuungsgeldes hin. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sagte der "Welt" (Montagsausgabe), der Stadtstaat werde eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ernsthaft prüfen.
Nach Einschätzung der SPD-Politikerin Manuela Schwesig würde das Betreuungsgeld die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz ab dem ersten Lebensjahr gefährden. "In vielen Regionen schlagen die Kommunen Alarm, weil sie Sorge haben, dass sie den bedarfsgerechten Ausbau bis dahin nicht schaffen", schrieb die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern in einem Beitrag für die Koblenzer "Rhein-Zeitung" (Samstagsausgabe).
Weitere Bundeshilfe bei Kita-Ausbau?
Familienministerin Kristina Schröder (CDU) zeigte sich für weitere Bundeshilfen beim Kita-Ausbau offen. "Wenn ein Land das Gefühl hat, es packt das nicht, den Rechtsanspruch zu realisieren, dann soll es das jetzt sagen", sagte Schröder. Nur dann könne der Bund noch reagieren.
Sie forderte Länder und Kommunen auf, auf bestimmte Bauvorschriften wie Vorgaben für Deckenhöhen zu verzichten. Die Umsetzung des Rechtsanspruchs werde vielerorts durch überhöhte Baunormen behindert, sagte Schröder der "Saarbrücker Zeitung". Von den Sondermitteln des Bundes für den Kita-Ausbau in den Ländern sind der Zeitung zufolge bisher gut 1,4 Milliarden Euro abgeflossen, 700 Millionen Euro stünden noch bereit.