Der befürchtete Rückschlag für die schwarz-gelbe Koalition ist jetzt amtlich: Bund, Länder und Gemeinden müssen sich in den nächsten Jahren auf deutlich geringere Steuereinnahmen einstellen und den Spardruck damit kräftig erhöhen. Bis Ende 2013 fließen 38,9 Milliarden Euro weniger in die Staatskassen als bisher eingeplant. Das teilte das Bundesfinanzministerium am Donnerstag in Berlin nach Abschluss der Beratungen des Steuerschätzerkreises mit.
Strikter Sparkurs steht bevor
"Dies beschreibt das Ausmaß der Finanzkrise", sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Von 2011 an müsse der Staat mit deutlich geringeren Steuereinnahmen rechnen. "Wir liegen 2013 wieder da, wo wir 2008 waren, aber nicht höher."
Schäuble stimmte die Koalition auf einen strikten Sparkurs ein. Der Koalitionsvertrag werde nun auf Grundlage der aktuellen Zahlen schrittweise umgesetzt. Zu den Folgen für die schwarz-gelben Steuerpläne äußerte er sich nicht konkret. Schäuble betonte jedoch, dass die neue Schuldenbremse im Grundgesetz eingehalten werden müsse.
Die Verhandlungen würden schwierig. "Das wird noch eine Menge Arbeit kosten." Alle Ausgaben müssten kritisch hinterfragt werden, sagte Schäuble. Er sei aber sicher, dass die nötigen Schritte zur Konsolidierung erreicht würden.
Schäuble will Defizit drücken
Die Steuerschätzung ändere nichts daran, dass Deutschland in diesem Jahr die Defizitgrenze des Maastricht-Vertrages deutlich überschreiten werde. Schäuble bekräftigte das Ziel, das gesamtstaatliche Defizit Deutschlands bis 2013 wieder unter die Grenze von 3,0 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu drücken. Deutschland werde als Stabilitätsanker und als Vorbild gebraucht.
Für dieses Jahr rechnen die Steuerschätzer mit einem Minus von 1,2 Milliarden Euro im Vergleich zur Prognose vom November, für 2011 wird gegenüber früheren Plänen mit Ausfällen von 11,7 Milliarden Euro gerechnet. Im Jahr 2012 werden Mindereinnahmen gegenüber der Schätzung vor einem Jahr von 12,3 Milliarden Euro erwartet und für 2013 ein Rückgang um 13,7 Milliarden Euro. Die Steuereinnahmen des Staates werden frühestens 2013 mit 561,3 wieder das Niveau vor der Krise von 2008 erreichen (561,2 Milliarden Euro). Für 2014 wurde erstmals eine Prognose über die Steuereinnahmen abgegeben.
Das Ergebnis nach den dreitägigen Beratungen der Steuerschätzer in Lübeck kommt keineswegs überraschend. Grund für die negative Prognose sind die Einnahmeausfälle infolge der ersten Steuersenkungen, die die Koalition zu Jahresbeginn umsetzte. Zwar verlaufen die Konjunkturerholung und die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt inzwischen besser. Mittelfristig rechnet die Bundesregierung allerdings mit einem schwächeren Wirtschaftswachstum als bisher.
FDP will an Steuersenkungen festhalten
Das schlägt auch bei den Steuereinnahmen zu Buche. Mittelfristig dürften die Steuereinnahmen wieder zulegen, aber von einem niedrigeren Niveau aus. Normalerweise steigen die tatsächlichen Steuereinnahmen letztlich auch immer - aber eben mal mehr oder weniger als von den Schätzern erwartet. Seit 1950 musste der Staat fünfmal einen Rückgang zum Vorjahr hinnehmen, zuletzt 2009.
Die Koalition hatte ihre weiteren Steuerpläne von den Ergebnissen der Mai-Steuerschätzung abhängig gemacht. Die diesjährige Einnahmeprognose fiel auch zusammen mit der wichtigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Union und FDP müssen um ihre Mehrheit in Düsseldorf und damit auch im Bundesrat zittern. Die FDP hatte trotz der erwarteten Prognose betont, dass sie an ihren Plänen für weitere Milliarden-Steuersenkungen festhalten will.
Schäuble hat jüngst angedeutet, dass er in dieser Wahlperiode bis Ende 2013 nicht mit mehr mit einer vollen Umsetzung der Steuersenkungsversprechen der Koalition rechne. Unabhängig vom Ausgang der NRW-Landtagswahl am 9. Mai sehe er im Bundesrat keine Mehrheit für weitere Steuerausfälle. Hinzu komme die schärfere Schuldenbremse. Im Koalitionsvertrag hatten Union und FDP Steuersenkungen von 24 Milliarden Euro bis Ende 2013 vereinbart.