Der Gottesdienst findet in einem Bierzelt auf dem Festplatz in Saarbrücken statt. An langen Holztischen werden kalte Getränke serviert. Glockengeläut und Musik kommen vom Band. Aber das tut der Stimmung bei der Konfirmation von zwei Schausteller-Kindern in Saarbrücken keinen Abbruch. Der Rahmen stimmt. Spätestens als die 16-jährige Mandy Jockers in einem Gebet vom Vorrecht der fahrenden Leute spricht, "allen Menschen Freude und Vergnügen zu bringen", lauschen alle Anwesenden gebannt - und es wird festlich-feierlich.
Für Mandy und ihren 14-jährigen Bruder Jens ist es "schon etwas Besonderes", ihre Konfirmation nicht in einer Kirche, sondern inmitten von Schaustellern zu feiern. Also dort, wo Familie, Verwandte und Bekannte sonst ihrer Arbeit nachgehen: "Wir wollten das unbedingt", erklären beide. Familie Jockers verdient ihr Geld mit einem Autoscooter-Geschäft und ist das Jahr über im Saarland unterwegs.
Konfirmation in der Aufbauphase
Aktuell bereiten sie sich wie viele andere Schausteller auf die Eröffnung des Saarbrücker Maifestes am Freitag vor. Da kam es gerade recht, die Konfirmation der Kinder in die Aufbauphase zu legen. "Es hat wunderbar gepasst", sagen die Eheleute Nicole und Heino Jockers. Sie knüpfen damit an Gottesdienste in ähnlicher Umgebung an: Beide heirateten auf einem Rummelplatz, Tochter Mandy wurde bei einem Volksfest getauft. "Wir wollten das unbedingt fortführen", meinen die Eltern: "Das sind Traditionen, die es zu bewahren gilt."
Für Pfarrer Horst Heinrich, den Leiter der Circus- und Schaustellerseelsorge der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), ist der Gottesdienst in Saarbrücken nichts Außergewöhnliches. Schließlich ist er in jedem Jahr mehr als 200 Tage in der gesamten Republik unterwegs, "um meiner reisenden Gemeinde zu folgen", wie er es ausdrückt. Und trotz aller Routine des 60 Jahre alten Geistlichen ist im Bierzelt zu spüren, wie viel Freude ihm seine Arbeit macht. Nicht zuletzt dann, wenn er die Teilnehmer des Gottesdienstes schmunzelnd dazu anhält, bei einem eingängigen Lied mitzuswingen oder mitzuklatschen.
Bis zu 2.000 Gläubige bei einer Taufe
Rund 20.000 Mitglieder zählt die Gemeinde der evangelischen Schausteller und Zirkusleute in Deutschland. Als Seelsorger für diese Menschen arbeitet der Pfarrer, der aus Balingen in Baden-Württemberg stammt, bereits seit sieben Jahren. Er begleitet und betreut sie bei freudigen wie traurigen Anlässen - bei kleineren oder größeren Gottesdiensten, auch schon mal mit bis zu 2.000 Gläubigen, bei Taufen, Konfirmationen, Trauungen oder Beerdigungen.
Im vergangenen Jahr war er auf seinen Touren im Auto rund 70.000 Kilometer unterwegs. Ihm macht seine Tätigkeit nach eigenem Bekunden sehr viel Spaß. Diese Art der Seelsorge sei im ursprünglichen Sinne "direkt bei den Menschen", auch wenn es angesichts der Umstände auf den Festplätzen manchmal "etwas Geduld und Gelassenheit" bedürfe, weil nicht alles nach den üblichen Regeln ablaufe, meint er.
Gemeindearbeit für "fahrende Leute"
Die Circus- und Schaustellerseelsorge der EKD wird derzeit neu strukturiert. Seit Mitte 2009 ist Heinrich der einzige hauptamtlicher Betreuer dieser Gemeindemitglieder. Vorher hatten einige Landeskirchen jeweils eigene Beauftragte für diese Aufgabe. Künftig wird der Theologe die Seelsorge zusammen mit zehn Pfarrern aus dem gesamten Bundesgebiet organisieren, die neben der klassischen Gemeindearbeit jeweils zehn Prozent ihrer Arbeitszeit für die "fahrenden Leute" aufbringen. Bis Ende dieses Jahres soll die Umstrukturierung abgeschlossen sein.
Die Neukonzeption hatte auch mit notwendigen Einsparungen zu tun, räumt Heinrich ein. Das Prinzip der "Vor-Ort-Präsenz" werde sich aber künftig sogar noch ausbauen lassen, hofft er. Seine Kollegen, die sich um bestimmte Regionen kümmern, können sofort zur Stelle sein, wenn Seelsorge vonnöten ist. Heinrich selbst will weiterhin bei allen großen Veranstaltungen der evangelischen Kirche mit den Zirkus- und Schaustellerfamilien präsent sein.
epd