Unter den sogenannten "Customizern", die Legofiguren ihren erweiterten Bedürfnissen anpassen, hat es Brendan Powell Smith nun zur Veröffentlichung einer Lego-Bibel gebracht. Zwar nennt er sich selbst "Reverend", in der deutschen Ausgabe gar "Hochwürden", ein ordinierter Kleriker ist er jedoch nicht.
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Es begann im Internet
Das tut seiner Leidenschaft für die Geschichten der Bibel keinen Abbruch. Angefangen hat das Projekt mit einer Internetseite, auf der mittlerweile über 400 Geschichten in mehr als 4.500 Bildern erschienen sind. Daraus haben sich in den USA drei Bücher ableiten lassen (Die Zehn Gebote, Die Weihnachtsgeschichte, Geschichten aus der Genesis), von denen eines ins Deutsche übertragen wurde.
Der Titel "Das 1. Buch L." ist offenbar daran angelehnt, dass alle Geschichten aus dem 1. Buch Mose entstammen, aber mit Lego gebaut sind – gelungen ist dieses Sprachspiel freilich nicht. Enthalten sind die Erzählungen vom Garten Eden, von Kain und Abel, der Sintflut und dem Turmbau zu Babel; Sodom und Gomorra, Abrahams Versuchung und Jakobs Kampf mit Gott folgen vor "Josef und seine Brüder" als letzter Geschichte.
Blutlache aus Einer-Plättchen
Die Bilder selbst sind gekennzeichnet von Spaß und fotografischer Qualität. Der Einstieg ist besonders gelungen: Als die Erde noch "wüst und leer" war, zeigt Smith lediglich ein Foto von Lego-Bauplatten in Grau- und Blautönen aus der Perspektive des Baumeisters. Es ist genau der Blickwinkel, den jeder Lego-Liebhaber zu Beginn eines Schaffensprozesses einnimmt, bevor er loslegt und kreativ wird. Simpel, aber tiefsinnig.
Weitere Bilder bieten meist weniger Interpretation als vielmehr direkte Abbildung des Bibeltextes. Das gilt für Gott (ein weißbärtiger, alter Mann), der eine Rippe von Adam nimmt, um ihm daraus eine Gefährtin zu formen. Das gilt für Kain, der seinen Bruder Abel auf dem Feld erschlägt (er liegt in einer Lache aus Blut, gestaltet durch rot-transparente Einer-Plättchen).
Der Lego-Bauer, ein Prophet?
Das gilt auch für die Katastrophe von Sodom und Gomorra: Offensichtlich gibt es im offiziellen Lego-Sortiment auch Gerippe zu erstehen, die Smith großzügig über seine Platten verteilt. Nur selten erlaubt er sich deutende Übertragungen des Bibeltextes. Zum Beispiel in der Schöpfungserzählung. Wo unter dem Bild geschrieben steht, Gott habe den Menschen in den Garten Eden gesetzt, "dass er ihn bestellte und bewahrte", sieht man ein kleines Männchen inmitten von Blumen und Grün - mit einer Gießkanne in er Hand.
Wer der "Hochwürden" Brendan Powell Smith ist, soll im Dunkeln bleiben. "Sein Leben ist ein rätselhaftes Mysterium paradoxer Widersprüche, mysteriöser Paradoxien und widersprüchlicher Rätselhaftigkeiten." Er sei "vielleicht, wenn nicht gar möglichweise, der einzige annähernd zeitgemäße lebende Prophet", spöttelt der Autor im Anhang über sich selbst.
Gott spricht aus dem Bohnen-Burrito
Nur den Ausgangspunkt seiner kreativen Mission beschreibt er freimütig: "Ich saß abends gemütlich über meinem Essen beim Mexikaner um die Ecke, als plötzlich mein Bohnen-Burrito in Flammen aufging und Gottes Stimme zu mir sprach"... Diese Anleihe bei der Berufung des Mose (Exodus 3 und 6, nicht in der Lego-Bibel nachgestellt) ist mit das witzigste an dem Buch, zumal Smith sich erst ziert und zu bedenken gibt: "Aber ich bin Atheist". Gottes Antwort: "Umso weniger steht es dir zu, meine Weisung infrage zu stellen... Und jetzt an die Arbeit!"
Es ist deutlich: Der Verkündigungsfaktor bleibt weit hinter dem Spaßfaktor zurück, wie es Alexander Brüggemann im Sonntagsblatt ausdrückt. Aber an echter Verkündigung ist Smith offenbar auch gar nicht interessiert. Die Frage ist, ob das den Leser / Betrachter dieser Bibelausgabe stören muss. So oder so hat er mit dem Buch ein spaßiges Produkt in der Hand.
Mehr Deutungskraft im Internet
Wer es sich nicht eigens zulegen möchte oder gerade durch das Print-Produkt Lust auf mehr bekommen hat, der wird die offizielle Internetseite www.thebricktestament.com lieben. Hier gibt es Bildgeschichten aus allen Teilen der Bibel, nicht nur aus dem 1. Buch Mose. Und hier ist dem Schöpfer der Seite offenbar auch wieder mehr Deutungskraft zueigen gewesen.
So setzt er beispielsweise den Bibelvers Römer 12,17 ("Vergeltet niemandem Böses mit Bösem") kongenial um als die Rede eines schwarzen US-Präsidenten vor der Flagge seines Landes und der Sprechblase: "Those who attack America will not be attacked in return" ("Wer Amerika angreift, gegen den schlagen wir nicht zurück").
Warnung vor explicit content
Diese Deutung wirkt für friedensliebende Europäer plausibel. Wie gefährlich eindeutige Interpretationen sind, zeigt freilich Smith's Umsetzung der Verse 1. Timotheus 6,1 und Epheser 6,5 ("Alle, die als Sklaven unter dem Joch sind, sollen ihre Herren aller Ehre wert halten... Ihr Sklaven, seid gehorsam euren irdischen Herren mit Furcht und Zittern, in Einfalt eures Herzens als dem Herrn Christus"): Hier setzt er mit Lego schwarze Sklaven in südamerikanischen Baumwollfeldern in Szene. Ein unverschämtes Plädoyer für die Sklaverei? Doch Halt: Es ist nicht Smith, sondern der biblische Text, dem man hier widersprechen müsste.
Dem Schalk in seinem Nacken ist es wohl auch geschuldet, dass Smith, wie in den USA üblich, seine Geschichten mit Marken versieht, die den User schon vor Betrachten der Bilder vor "Nacktheit", "Sexualität", "Gewalt" und "Flüchen" warnt. Wahre Christen, so könnte man den Spott verstehen, sollten sich hüten vor den Darstellungen all dieses Lasterhaften. Dann aber müssten sie auf ihre ganze Bibel verzichten. Smith versieht fast keine seiner Geschichtssammlungen mit weniger als allen vier Warnmarken.
Deutsche Parallele
Übrigens hat der Lego-Konzern, soweit bekannt, in den USA keine rechtlichen Schritte gegen Smith eingeleitet. Dabei heißt es im Vorspann des Buches frech, die Verwendung der Figuren sei "von der LEGO-Gruppe weder gesponsort, genehmigt noch autorisiert." Ein ganz ähnlich gelagerter Fall in Deutschland ist aber völlig anders verlaufen.
Der Pastor Markus Bomhard aus Niederhöchstadt hatte es sich zum Hobby gemacht, aus zahllosen Playmobil-Figuren Bibelszenen nachzubauen. Neben Ausstellungen für Grundschulklassen entwickelte sich auch eine Internet-Präsenz mit den Bildern. Unter dem Titel "Playmo-Bibel" stellte Bomhard seine Werke online zur Verfügung.
Der Pastor und das Playmobil
Ein Abdruck der Bilder war nie geplant. Trotzdem untersagte der Playmobil-Hersteller Geobra Brandstätter aus Franken dem Pastor eines Tages seine kreative Arbeit. Begründung: Für den Gekreuzigten etwa musste Bomhard die Arme einer Figur so lange mit dem Heißluftfön erhitzen, bis sie sich nach außen biegen ließen; Kinder würden aber gefährdet, wenn sie versuchen sollten die Figuren so zu verändern wie Bomhard.
Zunächst versuchte der Pastor sich durch die Umbenennung seines Projektes in "Klicky-Bibel" aus der Affäre zu ziehen. Bald schon aber musste er dem großen Konzern gegenüber klein beigeben. Eine gedruckte Playmo-Bibel wird es nun erst recht nicht geben. Freunde kleiner Spielzeugmännchen müssen Vorlieb nehmen mit dem "1. Buch L." von Hochwürden Smith.
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Fazit
Die Lego-Bibel macht beim ersten Durchblättern großen Spaß. Die Bilder sind von guter Qualität und schön anzusehen. Beim zweiten Betrachten vermisst man die Tiefe bei der Interpretation. Dass die Bibelzitate unter den Bildern der Luther-Bibel von 1912 entnommen sind und nicht der revidierten Fassung von 1984 (um Lizenzgebühren zu sparen?), stört nicht weiter. Es lohnt sich aber mehr, auf der Homepage des Autors zu stöbern, wo neben den leider nur acht gedruckten weitere 400 Geschichten zugänglich sind.
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Bestellinformationen
"Das 1. Buch L. – Biblische Geschichten aus dem Baukasten von Brendan Powell Smith"
Verlag: Sanssouci im Carl Hanser Verlag, München
152 Seiten; ISBN: 3725413363
Preis: 12,90 Euro
Ingo Schütz ist Diplom-Theologe und angehender evangelischer Pfarrer.