Als Juan Antonio Samaranch 1980 in Moskau zum siebten Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gewählt wurde, war die Welt in zwei Blöcke gespalten und das politisch missbrauchte Olympia zu Boykottspielen degeneriert. Das von der Lebenslüge Amateur geprägte IOC galt als ein mittelloser Altherrenclub, belächelt und nicht ganz ernst genommen. 21 Jahre später hat Samaranch seinem belgischen Nachfolger Jacques Rogge die Führung des olympischen Weltsports übergeben als größter Veränderer in der nunmehr 116-jährigen modernen olympischen Geschichte nach dem französischen Begründer Pierre de Coubertin.
Samaranch starb am Mittwoch um 13.25 Uhr an Atem- und Herzstillstand in seiner Heimatstadt Barcelona. Dies gab der behandelnde Arzt und Leiter des Intensivstation des Quirón-Krankenhauses, Rafael Esteban Mur, bekannt. Die Trauerfeier für Samaranch, der 89 Jahre alt wurde, findet an diesem Donnerstag in der Kathedrale von Barcelona statt. Zuvor wird der Tote im Palau de la Generalitat - Palast der katalanischen Regionalregierung - aufgebahrt. Dort kann die Öffentlichkeit Abschied von ihm nehmen.
"Ich finde keine Worte"
"Ich finde keine Worte, um das Leid der olympischen Familie auszudrücken. Ich bin persönlich tief traurig über den Tod des Mannes, der die Olympischen Spiele der Neuzeit geformt hat", sagte Rogge über seinen Amtsvorgänger. "Samaranch war der Architekt einer starken und vereinten olympischen Bewegung." Man müsse seinen "enormen Errungenschaften und seinem Erbe" Tribut zollen. "Wir haben einen großen Mann verloren, einen Mentor und einen Freund, der sein langes und erfülltes Leben der olympischen Idee gewidmet hat."
Auch IOC-Vizepräsident Thomas Bach würdigte die Verdienste des Spaniers. "Juan Antonio Samaranch war über Jahrzehnte die herausragende Führungspersönlichkeit des Weltsports. Er hat die Führung der olympischen Bewegung zu einem Zeitpunkt übernommen, als sie vom Scheitern bedroht war. Juan Antonio Samaranch hat sie dann konsequent modernisiert und zu neuen Höhen geführt", sagte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).
Zur Show gemacht und so gerettet
Wie immer nun über den umstrittenen Revolutionär Samaranch geurteilt wird, eines steht fest: Er hat das IOC in größere Unabhängigkeit geführt und die Olympischen Spiele gerettet, in dem er sie zur größten Show gemacht hat. Die von Moskau angeführte kommunistische Welt half Samaranch mit in den Sattel, weil sie von ihm als Gegenleistung die Konservierung des Artenschutzes für den Staatsamateur erwartete. Schon ein Jahr später schaffte ihn der Spanier mit der Streichung des Amateurparagrafen ab.
In den frühen 1980er Jahren hat Samaranch den Griff der UNESCO nach den Spielen ebenso abwehren können wie den Versuch des US-Fernsehens, die Spiele als Goodwill Games zu veranstalten. So ist Olympia in den Arenen noch immer eine werbefreie Zone, die Sieger werden vom IOC nicht prämiert - und die Regeln werden überwiegend vom IOC selbst bestimmt.
Eine Geldmaschine
Samaranch war so abwehrstark, weil er die Olympischen Spiele zu einer Geldmaschine entwickelte. Rund 11 Milliarden Dollar erlöste er in seiner Amtszeit mit seinem wichtigsten Helfer, den Kanadier Richard Pound, aus den TV- und Marketingrechten. Mit dem Geld hat der Spanier die olympische Welt gekittet und aus Pleitespielen Boomspiele gemacht. Als Samaranch antrat, waren die Spiele klinisch tot und Los Angeles 1984 für die dritte, vom Ostblock herbeigeführte Boykott-Ausgabe nach 1976 (Afrika) und 1980 (westliche Länder) der einzige Bewerber.
"Man kann Samaranch nicht vorwerfen, dass er die Spiele vermarktet hat. Vorwerfen kann man ihm, in welcher Geschwindigkeit er das tat, für was er das Geld ausgegeben und welchen Wert er ihm beigemessen hat." Diese Aussage von Willi Daume, der 1980 bei der Präsidentenwahl zu den chancenlosen Herausforderern gehörte, zielt auf die Schattenseiten der zwei Samaranch-Jahrzehnte an der IOC-Spitze. Der Dollar wurde zum Ersatz für Inhalte, das große Kapital schleppte zusammen mit verheerenden Personalentscheidungen Samaranchs die Korruption und den Sportbetrug mit ein. Die Spiele wurden gigantisch, die Dopingseuche fand fruchtbaren Boden.
Diener der Franco-Diktatur
Zur Bewertung Samaranchs gehört, dass er der Franco-Diktatur in hohen Positionen gedient hat. Die spanische Demokratie hat ihm das nicht übel genommen und ihn 1977 als ihren Botschafter nach Moskau geschickt. König Juan Carlos, diktatorischen Denkens unverdächtig, zählte ihn zu seinen Vertrauten. Samaranch, der ein asketisches Leben führte, ist als erster Profi im IOC-Präsidentenamt Amateur geblieben. Der Bankenpräsident aus Barcelona ließ sich nicht bezahlen. Er hat Korruption im IOC begünstigt, korrupt war er nicht. Er war auch kein olympischer Diktator, das "System Samaranch" funktionierte so: Herrschen über ein weltweit gespanntes Netz von Freundschaften, Beziehungen, Informationen, auch Abhängigkeiten. Entscheidungen im IOC nur, wenn eine Mehrheit gewiss war.
Eingeengt, gefördert und getrieben durch politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen hat Samaranch die Globalisierung genutzt, um Olympia universal zu machen. Nicht zuletzt durch die Herauslösung der nun weitaus besser vermarktbaren Winterspiele aus dem olympischen Jahr ab 1994 schreibt der Olympia- Konzern tiefschwarze Zahlen, bei Umsätzen im Vier-Jahres-Rhythmus von gegenwärtig 6,2 Milliarden Dollar. So ist die Idee zum Dollar und all zu oft zur bloßen Form geronnen. Juan Antonio Samaranch hat den Glanz Olympischer Spiele hinterlassen - und deren Elend.