Blutbad in der Moskauer Metro: 38 Tote bei Anschlägen

Blutbad in der Moskauer Metro: 38 Tote bei Anschlägen
Bei zwei Selbstmordattentaten sind am Montag in der Moskauer U-Bahn 38 Menschen getötet worden, 64 weitere Fahrgäste wurden verletzt. Die Anschläge trafen direkt das Stadtzentrum unweit des Kreml. Die Sicherheitsbehörden machen islamistische Terroristen aus dem Kaukasus für das Blutbad verantwortlich, das weltweites Entsetzen auslöste.
29.03.2010
Von Ulf Mauder und Benedikt von Imhoff

Die beiden Attentäterinnen schlugen zur Hauptverkehrszeit zu. Um 7.56 Uhr Ortszeit (5.56 Uhr MESZ) explodierte ein Sprengsatz an der Haltestelle Lubjanka, die gegenüber der Zentrale des Inlandsgeheimdienstes FSB liegt. Von dort aus werden maßgeblich die Aktionen gegen die Rebellen in der Konfliktregion Nordkaukasus geplant. Nur 44 Minuten später detonierte die zweite Bombe an der U-Bahn-Station Park Kultury. Die Anschläge lösten Entsetzen aus. An diesem Dienstag will Europas größte Stadt der Opfer gedenken. Krankenhäuser riefen die Hauptstädter zu Blutspenden auf.

Es war der erste Anschlag auf die Metro seit sechs Jahren. Die Sprengsätze der Selbstmordattentäterinnen hatten nach Angaben der Behörden eine Stärke von 4 beziehungsweise 1,5 bis 2 Kilogramm TNT. Die Bomben wurden vermutlich mit einem Telefonanruf ferngezündet. In der Station Park Kultury wurden auch der Kopf und weitere Körperteile einer Attentäterin im Alter von etwa 18 bis 20 Jahren gefunden. Meldungen, nach denen dort ein nicht explodierter Sprengstoffgürtel entschärft wurde, bestätigten sich nicht.

Medwedew: Krieg gegen den Terror

Der Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, Alexander Bortnikow, machte islamistische Terroristen aus dem Nordkaukasus für das Blutbad verantwortlich. Ihre Handschrift sei klar erkennbar, sagte er. Präsident Dmitri Medwedew ordnete für das ganze Land verschärfte Sicherheitsmaßnahmen an. Auf allen Transportstrecken und an den Flughäfen der russischen Hauptstadt wurden die Einsatzkräfte in Alarmbereitschaft versetzt. Die Metro fuhr mit kleinen Einschränkungen trotz der Anschläge nach Fahrplan. Gut acht Stunden nach den Anschlägen wurde auch die rote Linie bis auf die beiden getroffenen Stationen wieder bedient.

Medwedew hielt eine Schweigeminute für die Opfer des Anschlags ab, die vom Staatsfernsehen übertragen wurde. Zugleich kündigte er die Fortsetzung des harten Anti-Terror-Kurses seiner Regierung an. "Wir werden unsere Operationen gegen die Terroristen ohne Kompromisse bis zum Ende führen", sagte Medwedew nach Angaben der Agentur Interfax. Regierungschef Wladimir Putin forderte, die Verantwortlichen für die Anschläge "auszulöschen".

Entsetzen auf der ganzen Welt

Weltweit lösten die Bluttaten Empörung aus. "Wir können es nicht erlauben, dass Gewalt gegenüber Freiheit und Demokratie die Oberhand gewinnt", erklärte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Brüssel. Auch die NATO verurteilte die Attentate. US-Präsident Barack Obama bekundete dem russischen Volk seine Solidarität. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von einem schrecklichen Ereignis und einem Rückschlag für die russischen Bemühungen um Sicherheit. Ähnlich äußerten sich auch der britische Premier Gordon Brown, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und der spanische Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero.

Zuletzt hatte sich 2004 ein Selbstmordattentäter in der U-Bahn in Moskau in die Luft gesprengt und 41 Fahrgäste mit in den Tod gerissen. 250 Menschen wurden damals verletzt. Bei dem Täter handelte es sich damals um einen Untergrundkämpfer aus dem Nordkaukasus. Im November vergangenen Jahres kamen bei einem Anschlag auf den Schnellzug "Newski Express" zwischen Moskau und Sankt Petersburg 26 Menschen ums Leben. Etwa 100 weitere wurden verletzt. Tage später bekannten sich islamistische Extremisten zu der Tat und kündigten einen "Sabotagekrieg" gegen die "blutige Besatzungspolitik" Moskaus im Kaukasus an.

Experten vermuten Racheakt

Fachleute in Moskau vermuten, dass es sich bei dem neuen Anschlag um einen Racheakt islamistischer Separatisten handeln könnte. Russische Sicherheitskräfte hatten in der Konfliktregion, in der auch das frühere Kriegsgebiet Tschetschenien liegt, zuletzt Dutzende Rebellen getötet. Die Islamisten kämpfen für ein von Moskau unabhängiges Kaukasus-Emirat.

Medwedew forderte, die Wachsamkeit überall im Land zu erhöhen. Offenbar seien die bisherigen Vorkehrungen unzureichend gewesen, sagte der Kremlchef weiter. Er wies den FSB und die übrigen Sicherheitskräfte an, keine Destabilisierung im Land zuzulassen. Die jüngsten Terrorakte seien genauestens geplant gewesen, um die Situation im Land und in der Gesellschaft aus dem Lot zu bringen. Der Präsident hatte nach der Vielzahl von Terroranschlägen in Russland in letzter Zeit immer wieder eine rigorose Jagd auf die Banditen gefordert, wie die Extremisten im offiziellen Sprachgebrauch heißen.

Drohungen durch Islamisten

Russland wird immer wieder von schweren Terroranschlägen erschüttert. Da die Bluttaten sich meistens im Nordkaukasus weit weg von der russischen Hauptstadt ereignen, nehmen viele Russen keine Notiz davon. Auch die russischen Medien berichten in aller Regel nur am Rande über die Konflikte in der Unruheregion. Die Islamisten hatten immer wieder angedroht, den Terror in das russische Kernland zu tragen, um sich Gehör zu verschaffen.

dpa