Treue, Trotz und Todesmut: Es ist ein schwieriger Stoff, den das legendäre Nibelungenlied um den edlen Siegfried, den finsteren Hagen und die streitsüchtigen Königinnen zum deutschen Mythos schlechthin gemacht hat. Detailreiche Blicke auf die wechselvolle Wirkung der Geschichten des Drachentöters gibt ab Freitag das neue "Museum Nibelungen(h)ort" in der Niederrheinstadt Xanten. Zwischen Kunst und Kitsch, Bierhumpen und Blut, so beweisen hunderte Exponate auf rund 1.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche, bewegt sich seit vielen Generationen die Befindlichkeit der Nation, wenn es um den kraftstrotzenden, blonden Recken geht.
Siegfried soll nach Überlieferung der rund 800 Jahre alten Handschriften des Nibelungenepos "ze santen" am Rhein, in Xanten also, geboren sein. "Wir zeigen hier Zeugnisse aus 1.500 Jahren europäischer Kulturgeschichte", sagt der Historiker Ralph Trost als Direktor des kleinen, von einem Verein getragenen Museums, das neben wertvollen Buchausgaben naturgemäß vielfach mit Texten, Faksimiles, Filmausschnitten und digitalen Bildern arbeiten muss. Anders als in Worms, so erklärt Trost, habe Xanten als das zweite deutsche Nibelungen-Museum ganz die historische Untersuchung der Rezeption und andauernden Wirkung der alten Legende in den Mittelpunkt gestellt.
"Dergleichen elendes Zeug"
Die Popularität des Heldenepos startete allerdings im Stottergang: Preußens König Friedrich der Große bekannte noch kurz nach Entdeckung der ersten Handschrift 1755, "dergleichen elendes Zeug" wolle er in seiner Büchersammlung nicht haben. Erst ein gutes halbes Jahrhundert später mit aufkeimendem Nationalgefühl wächst der Ruhm der "teutschen Ilias". Soldaten ziehen mit den in den Xantener Vitrinen zu sehenden handlichen Nibelungen-Feldausgaben gegen Napoleon - wie später auch an die Fronten des Zweiten Weltkriegs. Britische Soldaten sangen dafür ab 1939 spöttisch: "Wir hängen unsre Wäsche an die Siegfried-Linie..." - während der bissige Künstler George Grosz den "Führer" als Möchtegern-Siegfried im zotteligen Fellwams lächerlich macht.
Nicht nur eine SS-Division, auch ein KZ im besetzten Österreich trug den "Nibelungen"-Namen, schildert der Historiker: "Hier muss unsere Forschungsabteilung noch nachbohren." Schon kurz nach 1900 hatte die nationalistische Propaganda den Begriff der todesverachtenden "Nibelungentreue" geprägt, die Siegfried- Sammelbildchen und Kitsch-Postkarten populär machte und die von gewissenlosen Militärs noch vor Stalingrad blutig beschworen wurde.
Richard Wagners "Ring"
Mit dem "Ring"-Opernzyklus Richard Wagners, dessen vielbändige Bibliothek zum Thema im Museum rekonstruiert zu sehen ist, zieht der tragische Ruhm der Nibelungen seit über einem Jahrhundert um die ganze Welt. Das Feld der Kunst eroberten die Sagenhelden auch mit einer üppig illustrierten Ausgaben von Beardsley und 1908 als Jugendstil-Juwel des Buchgestalters Czeschka.
Cineastisch Bedeutendes kommt mit Fritz Langs Stummfilmklassiker von 1922/24 auf die Leinwand. Dem verdienten Vergessen entreißt die Xantener Präsentation auch eine 1971 gedrehte Soft-Porno- "Sexpedition" ins Nibelungen-Mittelalter mit dem muskulösen Raimund Harmstorf in der Titelrolle. Der Museumschef: "Ich hab mir das - natürlich dienstlich - ansehen müssen." Motiv-Spuren des mythischen Heldenliedes entdeckte der Historiker noch in "Star Wars", bei "Harry Potter" und dem "Herrn der Ringe" oder japanischen Mangas. Und sogar der Zeichentrickhase Bugs Bunny tritt 1957 in einem Kino-Cartoon als Königin Brünnhilde auf - um seinen Fans Wagners "Ring des Nibelungen" zu präsentieren.
Das neue Museum hat täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.