Mietek Pemper: Er schrieb die Liste für Schindler

Mietek Pemper: Er schrieb die Liste für Schindler
Mietek Pemper rettete 20.000 Juden das Leben. Schüler haben ihm in zweijähriger Arbeit ein modernes, digitales Denkmal in Form einer Webseite geschaffen.
22.03.2010
Von Jutta Olschewski

"Er sagt einfach, er sei zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort gewesen." Abiturient Max Bonk ist tief beeindruckt von der Bescheidenheit des Mietek Pemper. Max hat den kleinen alten Mann, ohne den es "Schindlers Liste" nie gegeben hätte, einmal bei einer Veranstaltung erlebt. Diese Begegnung hatte Max wieder vor Augen als sein Geschichtslehrer das Projekt "www.mietek-pemper.de" vorschlug. Max war sofort dabei.

Mietek Pemper rettete 20.000 Juden das Leben

Mietek Pemper war von März 1943 bis September 1944 Häftling im Konzentrationslager Krakau-Plaszow und dort der jüdische Stenograf des berüchtigten, grausamen Lagerkommandanten Amon Göth. Pempers Idee, die Produktion der Fabrik Oskar Schindlers als "siegentscheidend" auszugeben, hat vermutlich 20.000 Juden das Leben gerettet. Weil sie in Schindlers Fabrik arbeiten konnten, entgingen sie den Gaskammern in Auschwitz.

Erst als der Regisseur Steven Spielberg 1993 seinen mit sieben Oscars dekorierten Film "Schindlers Liste" auf der Grundlage von Pempers Erinnerungen drehte, begann der Holocaust-Überlebende vor Schulklassen von seiner Geschichte zu erzählen. Am 24. März wird Pemper, der seit 1958 in Augsburg lebt, 90 Jahre alt. Er hat sich seit einiger Zeit völlig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.

Schicksal von Pemper und anderer Juden im Netz

Die etwa 15 Teilnehmer des Kurses des Paul-Klee-Gymnasiums in Gersthofen (siehe Bild links) haben diesem Mann in zweijähriger Arbeit ein modernes, digitales Denkmal in Form eines Wikis geschaffen, einer Webseite auf der gleichen Plattform, auf der auch das Online-Nachschlagewerk Wikipedia basiert. "Nicht annähernd kommt bei unserer Arbeit die Brutalität und Grausamkeit heraus, die die Menschen damals erlebten", sagt Thomas Horn, der mit in den Archiven geforscht hat. Mitschülerin Ulrike Feiger berichtet, mehr als einmal habe sie bei ihrer Arbeit einen Zeitzeugenbericht zur Seite legen müssen, weil er sie schockierte. "Da habe ich mich nicht dran gewöhnt", sagt sie.

Die Shoah Foundation, in Los Angeles von Spielberg gegründet, öffnete den bayerischen Schülern ihre Archive, ebenso das Holocaust Memorial Museum in Washington und das Bundesarchiv in Koblenz, erzählt Thomas. In 13 Kapiteln mit Hunderten von Links auf Bilder und Dokumente, auf Gerichtsakten und Augenzeugenberichte konnten so die Jugendlichen das Schicksal von Mietek Pemper und vielen anderen Juden zusammentragen. "Wir wollten dieses Wissen aufarbeiten, damit andere erfahren, was damals passiert ist", erklärt Max. Selbst bei seinen Großeltern und Eltern habe er gemerkt, dass diese nur wenig aus der Nazizeit wüssten, sagt Thomas.

Riskante Hilfsaktionen für andere Häftlinge

Pemper (Bild links) ist in Krakau aufgewachsen und fühlte sich immer der deutschen, der polnischen und der jüdischen Gemeinde zugehörig. Nach seinem hervorragenden Abitur hatte der junge Mann die Zulassung für zwei Universitäten in der Tasche. Dann wurde das Krakauer Ghetto aufgelöst und der 22-jährige Jude inhaftiert.

"Er war gerade mal zwei, drei Jahre älter als wir heute", murmelt Max. "Es ist schwierig, zu sagen, wie ich mich damals verhalten hätte." Mietek Pemper, wegen seiner Zweisprachigkeit zum "Büro-Sklaven" bei Göth ausgewählt, nannte sich einen "Moriturus", einen Todgeweihten. An jedem der 540 Tage seiner Arbeit im Büro rechnete er damit, dass ihn der unberechenbare Kommandant in den Tod schicken würde. Die Person Oskar Schindlers, den er als "herzensguten Menschen" kennenlernte, motivierte Pemper zu seinen riskanten Hilfsaktionen für die anderen Häftlinge, schildert er in seinem Buch "Der rettende Weg" von 2003.

"Pemper hat Raffinesse und Intelligenz und Mut gezeigt"

Steven Spielberg hat im Film den Mietek Pemper mit der Rolle des Schindler-Sekretärs Itzhak Stern (gespielt von Ben Kingsley) zusammengefasst. Die Schüler des Gersthofer Gymnasiums nehmen diesen Kniff dem berühmten Regisseur nicht übel. Die wahren Hintergründe und welche Person hinter "Schindlers Liste" wirklich steckt, erfahren geschichtsinteressierte Menschen ja auf ihrer Internetseite. "Pemper hat Raffinesse und Intelligenz und Mut gezeigt", fasst es Thomas zusammen.

Nach dem Krieg war Pemper Zeuge und Dolmetscher bei den Nürnberger Prozessen. Später litt er unter Depressionen. Er befolgte den Rat eines Psychologen, "studieren Sie, arbeiten Sie und sinnieren Sie nicht", und sprach nicht mehr von seinen Jahren im Konzentrationslager bis Spielberg kam. "Pemper musste Gott spielen, und das verkraftet man nicht so schnell", sagte Landesrabbiner Henry Brandt im Jahre 2007, als Mietek Pemper die Ehrenbürgerwürde der Stadt Augsburg verliehen wurde. Pemper antwortete mit seiner leisen Stimme: "Ich wollte für meine Mitmenschen etwas tun und erreichen." 

epd