Missbrauch: "Bewährungsprobe für ganze Gesellschaft"

Missbrauch: "Bewährungsprobe für ganze Gesellschaft"
Die Opfer sollen sich laut Kanzlerin Merkel in der Gesellschaft anerkannt und aufgehoben fühlen können. Am Freitag wird ein Papst-Wort zu den Missbrauchs-Vorfällen in Irland erwartet.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht in den bekanntgewordenen Fällen von Kindesmissbrauch eine "Bewährungsprobe für die ganze Gesellschaft". Es komme darauf an, dass die Opfer sich in dieser Gesellschaft wieder anerkannt und aufgehoben fühlen könnten, sagte Merkel am Mittwoch in der Generaldebatte über den Haushalt im Bundestag. Sie sollten "wenigstens das Stück Wiedergutmachung bekommen, das man im Nachhinein noch schaffen kann", unterstrich die Kanzlerin.

"Aufarbeitung der Missbrauchsfälle bündeln"

Die Bundesregierung will nun doch nur einen Runden Tisch zu den Missbrauchsfällen ins Leben rufen. Sie halte es für eine gute Idee, "die gesamte Aufarbeitung der Missbrauchsfälle zu bündeln", sagte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Wir sind derzeit innerhalb der Bundesregierung im Gespräch, um möglichst schnell, vielleicht bereits am 23. April, mit einem breit aufgestellten Gremium starten zu können", so die Ministerin.

Bisher war geplant, dass Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) am 23. April zu einem Runden Tisch mit dem Schwerpunkt Prävention einlädt, während die Justizministerin einen Runden Tisch einrichten wollte, der sich vor allem mit Entschädigungsfragen und Verjährungsfristen auseinandersetzen sollte. Merkel zeigte sich über die Entscheidung für nur einen Runden Tisch zufrieden. Innerhalb des Gremiums könnte dann in verschiedenen Arbeitsgruppen die einzelnen Aspekte des Themenkomplexes erörtert werden, ergänzte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm.

Bischofskonferenz weist Berichte über Fonds zurück

Die katholische Deutsche Bischofskonferenz wies unterdessen einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstagsausgabe) zurück, sie plane zurzeit einen Fonds zur Entschädigung von Missbrauchsopfern. Darüber sei noch nicht gesprochen worden, sagte der Sprecher der Bischofskonferenz, Matthias Kopp, am Mittwoch dem epd. Darüber müsse mit Sorgfalt beraten werden. "Wir wollen, dass jede Hilfe angemessen und passend ist", fügte Kopp hinzu. Vorschnelle Festlegungen seien "da fehl am Platz".

Papst Benedikt XVI. kündigte seinen geplanten Brief an die katholischen Bischöfe von Irland über Kindesmissbrauch durch Kleriker für Freitag an. Das Kirchenoberhaupt äußerte die Hoffnung, dass der unter dem Eindruck der Pädophilie-Skandale in Irland, Deutschland und Österreich entstandene Brief zu einem "Prozess der Buße, Heilung und Erneuerung" beiträgt.

Kultur des aufmerksamen Hinschauens entwickeln

Die kirchenpolitischen Sprecher im Bundestag ermutigten die katholische Kirche, ihren eingeschlagenen Weg der Aufklärung fortzusetzen. Bei einem Treffen des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, mit den Kirchenbeauftragten von SPD, Union, FDP und Grünen am Mittwoch in Berlin seien sich alle einig gewesen, dass das Missbrauchsproblem nicht auf die katholische Kirche reduziert werden dürfe, teilte die Bischofskonferenz im Anschluss mit.

Zollitsch unterstrich, dass die katholische Kirche alles tun werde, um eine lückenlose Aufklärung und vollständige Transparenz zu garantieren. Alle Gesprächsteilnehmer hätten die Notwendigkeit betont, in der Gesellschaft noch stärker eine Kultur des aufmerksamen Hinschauens zu entwickeln. Der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, will in absehbarer Zeit die in seinem Bistum bekannten Opfer sexuellen Missbrauchs anhören.

Bayern plant Verlängerung der Verjährungsfristen

Bayern arbeitet derzeit an einer Bundesratsinitiative, die eine Verlängerung der Verjährungsfristen bei sexuellem Missbrauch im Strafgesetzbuch vorsieht. Das bestätigte das bayerische Justizministerium dem epd. Derzeit liegt die Verjährungsfrist nach Beginn der Volljährigkeit bei zehn Jahren. Diese Frist solle auf 30 Jahre erhöht werden, damit die Opfer auch später noch Gelegenheit haben, juristisch gegen einen Gewalttäter vorzugehen. Das Bundesjustizministerium äußerte dazu Bedenken. Ein Sprecher sagte, es sei zweifelhaft, ob den Opfern mit einer Verschärfung des Strafrechts gedient sei.

Die Jesuiten zeigten sich mit der bisherigen Aufklärungsarbeit durch die Berliner Missbrauchsbeauftragte des Ordens, Ursula Raue, und das Bonner Jesuitengymnasium Aloisiuskolleg zufrieden. Provinzial Pater Stefan Dartmann SJ beurteile die bisherigen Untersuchungen von Frau Raue sowie des Arbeitsstabes im Aloisiuskolleg als wertvolle Beiträge für eine umfassende Aufklärung der Vorwürfe, sagte Thomas Busch, Leiter des Öffentlichkeitsreferats der Deutschen Provinz der Jesuiten, dem epd.

epd