Missbrauchskandal: Politik und Kirche fordern Aufklärung

Missbrauchskandal: Politik und Kirche fordern Aufklärung
Nach dem Bekanntwerden immer weiterer Missbrauchsfälle an Schulen und Internaten dringt die Bundesregierung auf Konsequenzen. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) kündigte Gespräche mit dem Präsidenten der Kultusministerkonferenz und den Vorsitzenden der Lehrerverbände in den kommenden Tagen an. Dabei solle über konkrete Maßnahmen beraten werden, um weiteren Fällen vorzubeugen und den Opfern zu helfen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) tritt weiterhin für die Einrichtung eines Runden Tisches zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle ein. Auch der Vatikan fordert eine Aufklärung der Fälle.

Vor allem an katholischen Schulen sind jüngst zahlreiche Missbrauchsfälle bekannt geworden, die zum Teil Jahrzehnte zurückliegen. Laut einem Bericht der Zeitung "Bild am Sonntag" sollen Kirchenleute in 20 von 27 deutschen Bistümern ihnen anvertraute Kinder missbraucht haben. Auch an der privaten Odenwaldschule in Südhessen sollen in den 70er und 80er Jahren regelmäßig Schüler missbraucht worden sein, wie am Wochenende bekannt wurde.

Es sei erschütternd, dass täglich neue Missbrauchsfälle bekannt würden, sagte Leutheusser-Schnarrenberger der Zeitung "Welt am Sonntag". Sie bekräftigte ihre Forderung nach Einrichtung eines Runden Tisches. "Ein Runder Tisch ist kein Pranger, sondern kann die gesellschaftliche Aufarbeitung befördern", unterstrich die Justizministerin. Besonders in den Fällen, in denen die rechtliche Aufarbeitung nicht mehr möglich sei, könne ein Runder Tisch den Dialog über die berechtigen Anliegen der Opfer eröffnen. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hatte diesen Vorschlag unlängst zurückgewiesen.

"Null Toleranz"

Bundesbildungsministerin Schavan sagte der Zeitung "Bild am Sonntag", Eltern müssten sich darauf verlassen können, dass ihre Kinder vor Gewalt und Missbrauch in pädagogischen Einrichtungen geschützt seien. Wo immer in Schulen und Internaten der Verdacht auf Gewalt und Missbrauch bestehe, müsse vollständige Aufklärung erfolgen. "Nichts darf verheimlicht werden", hier müsse es "null Toleranz" geben, forderte die CDU-Politikerin.

Die katholische Kirche müsse jetzt ein klares Signal geben, dass ihr der Schutz der Opfer und das Mitgefühl mit den Kindern "wirklich das Wichtigste ist", forderte auch die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU). Dafür müsse die Kirche "ganz konsequent" mit den Staatsanwaltschaften zusammenarbeiten und Verdachtsmomente weitergeben. Sie forderte zugleich längere Verjährungsfristen für sexuellen Missbrauch, das "Mindeste" seien 30 Jahre. Sexueller Missbrauch sei wegen der Traumatisierung der Opfer nicht vergleichbar mit anderen Straftaten, sagte Merk der "Süddeutschen Zeitung" (Samstagsausgabe).

"Klarheit schaffen"

Der Präsident des päpstlichen Einheitsrats, Kardinal Walter Kasper, äußerte unterdessen "tiefe Enttäuschung, Schmerz und sehr großen Zorn" über die Missbrauchsfälle in katholischen Institutionen in Deutschland. Die Kirche müsse "Klarheit schaffen", die Verantwortlichen müssten verurteilt und die Opfer entschädigt werden, forderte der deutsche Kurienkardinal. Es handele sich um verabscheuungswürdige Verbrechen, die mit absoluter Entschlossenheit verfolgt werden müssten, sagte der ehemalige Bischof von Rottenburg-Stuttgart. "Wir müssen unsere Kirche ernsthaft reinigen", so Kasper.

Der Vatikan fordert auch eine Aufklärung der Missbrauchsvorwürfe bei den "Regensburger Domspatzen". "Der Heilige Stuhl unterstützt die Diözese Regensburg in ihrer Bereitschaft, die schmerzliche Frage entschieden und offen gemäß den Richtlinien der Deutschen Bischofskonferenz zu analysieren", hieß es am Sonntag in der Vatikanzeitung "Osservatore Romano". Das Bistum Regensburg hatte am Freitag zwei Verdachtsfälle sexuellen Missbrauchs in den Reihen des berühmten Knabenchors bestätigt. Diese reichten in die frühen 60er Jahre zurück.

epd